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Szenenbild aus "Cats"

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Catstastrophe! Wenn „Cats“ ins Kino kommt

Ist „Cats“ so schrecklich, wie die Trailer vermuten lassen? Nein. Es ist schlimmer.

Von Pia Reiser

Selbst für FreundInnen des Musicals und für mich als jemand, dem im Kino tatsächlich wenig mehr Freude bereitet als eine Szene, in der gesungen und getanzt wird, ist „Cats“ ein Härtefall.

Das war es schon bevor vor ein paar Monaten der Trailer zur Musicalverfilmung von Tom Hooper aufgetaucht ist. Die herrlich verschroben-verschwurbelten Gedichte von T.S Eliot - rein katzennamenstechnisch - Skimbleshanks! - nahe an Dr Seuss - sind von Andrew Lloyd Webber in eines der sehr erfolgreichen aber auch eines der nervigsten Musicals verwandelt worden.

Selbst ich als musicalhörendes Kind musste mir bald eingestehen, dass ich zwar liebend gern zu „Jellicle Cats“ in Strumpfhosen durchs Kinderzimmer hüpfe, dann aber vorspielen muss bis das Lied vom magischen Mister Mistoffelees kommt, um nicht dem Wahnsinn anheim zu fallen.

Die ganz gloriosen Tage vom Katzenmusical, das von dem magischen „Jellicle Ball“ erzählt, an dem eine Katze erwählt wird, die dann ein neues Leben bekommt, sind auch schon ein bisschen vorbei. Umso überraschender also, dass 40 Jahre nach der Bühnenpremiere (und 31 Jahre nach der direct-to-Video-Verfilmung) nun eine 95 Millionen US-Dollar schwere Verfilmung in die Kinos kommt. Von einem oscar-gekrönten Regisseur, der noch nie einen Hehl aus seiner Vorliebe für überbordenden Pathos gemacht hat.

Szenenbild "Cats"

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Als nach und nach die Besetzung bekannt worden ist, waren viele stutzig: Judi Dench, Idris Elba, Taylor Swift, Jennifer Hudson und Ian McKellen sollten sich also die Fellfetzen umhängen und das Näschen schwarz anmalen? Ja, wenn’s bloß so gewesen wäre. Mit der Veröffentlichung des ersten Trailers lernten wir alle, dass das CGI-Haar, das wir in „Monsters Inc“ noch so bewundert hatten, eine Dimension des Grauens annimmt, wenn man einem Menschen einen digitalen Pelz überzieht. Während man sich bei der Bühnenversion irgendwie auf die verkleideten DarstellerInnen einlassen kann, ist die CGI-Behaarung ein befremdliches Element, an der Grenze zur Verstörung. Ich glaube ja, die Trailer hätten uns an den Anblick gewöhnen sollen, aber tatsächlich ist der „Huh?“-Effekt dieses Looks lange anhaltend.

Szenenbild "Cats"

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Aber sagen wir auch mal was Postives: In Sachen Diversität kann man der Musical-Verfilmung keine Vorwürfe machen. Die Katzen sind nicht nur weiß – und das bezieht sich nicht aufs Fell. Auch schwarze und asiatische Darsteller miauen und pfauchen hier durch die Gassen. Nur, damit sind wir halt eben auch wieder beim Grundproblem: Dass wir es eben mit Katzenmenschen oder Menschenkatzen zu tun haben. Katzen, die aufrecht gehen oder auch schon mal einen Pelzmantel oder Sneakers tragen. Katzen mit fünf Fingern an jeder Hand, Katzen mit Brüsten. Für zwei Stunden lang ist man in einem „What the Heck“-Moment gefangen.

Dazu kommt die bühnenübliche, aber im Film oft schwierige, Großgestigeit. Große aufgerissene Augen, übertriebenes Schulterzucken, Affektiertheit in jedem Wimpernschlag: Das könnte man großzügig als Musical-Genrekonvention akzeptieren, doch dann sind da auch noch die peinvollen Szenen, in denen der Film sich einen fingerbreit von der Vorlage wegwagt und Rebel Wilson als tollpatschige Katze mit Slapstick für comic relief sorgen soll, aber ins Terrain der Peinlichkeit vorstößt.

Szenenbild "Cats"

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In einem Set (dunkle Gassen, eine Milchbar, ein altes Theater, das immer so aussieht, als würde sich „Wetten, Dass...“ auf einen Auftritt der Scorpions oder der Spider Murphy Gang vorbereiten) wird also gesungen und getanzt und werden Pfötchen, nay, Händchen geleckt. Mit der Zeit wird es fast bitter Zeugin zu werden, wie dieser Film, der so gerne magischer Eskapismus und Spektakel wäre, scheitert und unfreiwillig komisch ist.

Der Film wäre gerne der Cirque du Soleil, hat aber den Charme von einem Faschingsgschnas in den frühen Morgenstunden. Man müsste also Jennifer Hudson als Grizabella einen Preis dafür verleihen, wie sie es in diesem Szenario schafft, in ihren wenigen Szenen für ein paar Momente für Gravitas zu sorgen und die Peinlichkeit auszuschalten. Und das noch dazu mit dem nervigsten Song aus dem Katzenmusical - „Memory“.

„Cats“ startet am 25. Dezember 2019 in den österreichischen Kinos

Wenn Hollywood 95 Millionen Dollar für die Produktion von „Cats“ aufbringen konnte, aber Regisseure wie Martin Scorsese zu Streamingdiensten abwandern, weil sie keine Finanzierung von Hollywood Studios erhalten, dann muss man sich jetzt wirklich Sorgen um das Kino machen.

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