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Lieblingsfilme des Jahres 2019

Was vom Filmjahr übrig blieb: Die Lieblingsfilme des Jahres 2019 der FM4 Filmredaktion.

Was bleibt über nach zahllosen Stunden im Kino und ebenso zahlreichen Diskussionen über Filme? Die FM4 Filmredaktion hat einen Blick zurück aufs Kinojahr 2019 geworfen und ihre Lieblinge gekürt. Es geht unter anderem an den Hof einer Königin, ins Jahr 1969, wir treffen schwer erziehbare Kinder, Skater und eine Lady on Fire.

The Favourite

Ja, Olivia Colman hat auch vor „The Crown“ schon eine Queen gespielt. Und was für eine! In „The Favourite“, dem 2019er Meisterwerk von alltime-Lieblingsregisseur Giorgos Lanthimos („Dogtooth“, „The Lobster“, „The Killing Of A Sacred Deer“), spielt Coleman eine launische, realitätsfremde und vom Reichtum verwöhnte Queen Anne.

Zwei ihrer Vertrauten buhlen um die Gunst der leicht zu manipulierenden Königin. Dass die beiden Frauen sind und der Film so auch eine queere Komponente erhält, ist auf jeden Fall bemerkenswert. Die Damen am Hof haben hier zwar nicht wirklich Hosen an (außer bei Schießübungen) aber im übertragenen Sinne auf jeden Fall, denn während die wenigen Männer am Hof wie eitle Gockel gekleidet von Entenrennen zu Entenrennen stolzieren, geben sich die Frauen im Film ein matriarchal-feministisch-kämpferisches Stelldichein.

Ein hochpolitischer Film also über eine zutiefst unpolitische Königin, über Intrigen, Liebe, nackte Tories und jede Menge Hasenbabys. All das und noch viel mehr hat „The Favourite“ in sich vereint – vor allem aber auch eine ordentliche Portion Spaß. Der vergeht uns nur in einer Szene so richtig, als die Königin von Fehlgeburten, nach der Geburt verstorbenen Kindern und einer tiefsitzenden Hoffnungslosigkeit berichtet. So schonungslos und einprägsam, spielt Olivia Colman diese Szene, dass der Oscar als beste Hauptdarstellerin fast schon eine zu kleine, zu unbedeutende Auszeichnung ist. Bester Film 2019! (Von Christian Pausch)

Szenenbild "The Favourite"

Centfox

Once Upon a time in Hollywood

Es soll ja Menschen geben, eventuell gar nicht so wenige, die Quentin Tarantinos neuen Film ganz unbefangen gesehen haben. Also ohne Kenntnisse über das Jahr 1969 und dessen dunkle Bedeutung in der Popkultur. Ich hab auch von Kinobesucher*innen gehört, die zuvor noch nie den Namen „Charles Manson“ gehört haben.

Ob „Once Upon a Time... in Hollywood“ in diesem Fall wirklich funktioniert, wage ich zu bezweifeln. Ebenso wie Teile einer komplexen Serie, Marvel-Movies oder das Star-Wars-Universum lebt Tarantinos neunter Film von einem Referenzsystem und Vorwissen. Auf sentimentale, berauschende und auch kritische Weise verbeugt sich der Regisseur vor dem Mythos 1969, vor dem Hollywood dieser Ära und auch der eigenen Kindheit. Er lässt einen tragikomischen Leonardo Di Caprio und den besten Brad Pitt aller Zeiten durch das Nostalgie-Land driften.

Ein B-Movie-Akteur und sein Stuntdouble cruisen durch das Los Angeles der Vergangenheit, das der Film berauschend auferstehen lässt. Und dann rückt eine Frau ins Zentrum der fast dreistündigen Erzählung. Während sich Unwissende wohl fragten, warum man der glamourösen Sharon Tate (Margot Robbie) so lange in ein Kino folgen muss, hat der Schreiber dieser Zeilen eine der berührendsten Szenen des Jahres gesehen. Ein Geständnis: Ich habe beim brutalen Showdown auch Tränen in den Augen gehabt. Vor Schock, vor Freude, vor Überwältigung. Tarantino schreibt darin wieder einmal die Fakten um, er entzaubert den Kult um das Grauen - und löscht falsche Antihelden-Verehrung aus der Geschichte. (Von Christian Fuchs)

Ein Mann redet mit einem anderen

Sony

Portrait of a young lady on fire

Ohne Schwulst oder Kitsch erzählt Regisseurin Celina Sciamma. Ein Kostümfilm, der keine Sekunde lang staubig oder starr ist. Eine junge Adelige soll gemalt werden, zunächst sind es also professionelle, an der Antomie interessierte Blicke, die die Malerin auf die junge Frau wirft. Doch die beiden Frauen nähern sich an. Und die Blicke werden sehnsuchtsvoll. Wie die Kunst formt, wer wir sind, wie diese Frauen versuchen, aus den ihnen zugedachten Rollenbildern auszubrechen - und eine mitreißende Liebesgeschichte. All das packt Regisseurin Sciamma in einen Film, der mit seinen leuchtenden Farben selbst an ein Ölgemälde erinnert. Eine großartige Mischung aus Sehnsucht, Rebellion und Begehren. (Von Pia Reiser)

Szenenbild "Porträt einer jungen Frau in Flammen"

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Booksmart

Als Vorbereitung für DIE Highschool-Abschluss-Party, bei der ALLE sind, schauen sich Molly und Amy im Taxi einen Porno an, außerdem geraten sie fast an einen Mörder, verwandeln sich unter Drogeneinfluss in Barbiepuppen und scheitern grandios daran, das umzusetzen, was sie im Porno gesehen haben. Debütregisseurin Olivia Wilde – aus Verehrung für Oscar Wilde hat sie sich selbst diesen Namen gegeben – Olivia Wilde also ist Schauspielerin. „Booksmart“ ist ihr erster Film als Regisseurin und sie hat sich von Regiemeister Martin Scorsese die Regel zu eigen gemacht, dass die Schauspielerinnen am Set kein Skript haben dürfen. Daran liegt es wahrscheinlich, dass dieser Film spontan wirkt, die Pointen aber extrem gut getimed sind.

Szenenbild aus Film

Annapurna Pictures

Midsommar

Der nach „Hereditary“ zweite und heiß erwartete Film von Ari Aster schickte uns auf eine Reise ins furchtbar liebliche schwedische Hinterland, mitten in ein volkstümliches Festival, das alptraumhaft wie in obskuren Ritualen endet. Egal ob un- oder geliebt, dieser Film samt einiger seiner Szenen bleiben im Gedächtnis hängen. #Felssturz #MaibaumTanz #Bär
Hier sagen sich Psychothrill, Beziehungsgeschichten, Folk-Horror und Märchen in taghellen, bunten, mitunter grellen Bildern Gute Nacht. Mit einer famosen Florence Pugh in der Hauptrolle. (Von Martina Bauer)

"Midsommar "szenenbild

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Systemsprenger

Nora Fingscheidt war vor zwölf Jahren Praktikantin bei der Berlinale und tagträumte, dass eines Tages das Plakat eines ihrer Filme auch rund um den Potsdamer Platz hängen würde. Heuer hatte ihr Spielfilm-Debüt „Systemsprenger“ auf der Berlinale Premiere und gewann prompt einen Silbernen Bären. In „Systemsprenger“ ist man nah an einem 9-jährigen deutschen Mädchen, das aus jeder Wohngruppe fliegt, und das nur eines will: wieder nachhause.

„Systemsprenger“ ist ein Actionfilm der anderen Art, in dem die Grenze zwischen Täterin und Opfer verschwimmt und der so viel über unsere mitteleuropäische Gesellschaft erzählt wie kein Film seit „Toni Erdmann“. Wenn am Ende Nina Simones "Ain’t Got No I Got Life“ erklingt, ist man komplett eingenommen, überrumpelt, entsetzt und weiß zugleich: Die Geschichte ist herzergreifend und so fulminant wie konsequent erzählt, dass sie an eine fundamentale Wahrheit rührt. Die Liebe für diesen Film ist groß. (Von Maria Motter)

Szenenbild "Systemsprenger"

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Parasite

„Parasite“ von Bong-Joon-ho ist der erste südkoreanische Film, der mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Das Schicksal einer in ärmlichen Verhältnissen lebenden Kleinfamilie nimmt eine Wende, als Sohn Ki-woo die Chance sieht, als Nachhilfelehrer bei einer wohlhabenden Familie unterzukommen. Sein Engagement löst eine Kettenreaktion aus, die das Leben beider Familien nachhaltig verändert. „Parasite“ ist zunächst eine Sozialstudie, die auf drastische Weise Arm und Reich innerhalb der südkoreanischen Gesellschaft gegenüberstellt. Aber das ist nur die Ausgangslage.

Mit dem Verlauf der Geschichte nimmt „Parasite“ immer mehr Fahrt an, ist mal witzig, mal düster. Der Handlungsverlauf nimmt dabei eine unerwartete Wende nach der anderen. Einem eindeutigen Genre kann man Bong-Joon-hos Film nicht zuordnen. Komödie? Drama? Horror? Eines ist sicher: „Parasite“ ist großer, kurioser, erzählerisch unkonventioneller Kinospaß voller Suspense und „WTF“-Momenten. (Von Jan Hestmann)

Film "Parasite"

Filmcoopi

Joker

Die vielleicht wichtigste Errungenschaft dieses Films: Er zeigte, dass Comickino auch ganz anders aussehen kann als die weiterhin alles überrollende Marvel-Welle. Keine flapsige Ironie, kein gefühlt stundenlanger Showdown voller computergenerierter Action, kein Feel-Good-Ende. „Joker“ war die stockdüstere DC-Antithese zu all diesen Bausteinen der Marvel-Blockbuster. Ein Autorenfilm mit Referenzen an Martin Scorseses Frühwerk. Eine grobkörnige (Anti-)Sozialstudie. Und trotzdem immens erfolgreich.

Passt die Story vom traurigen Clown, der zum überlebensgroßen Bösewicht mutiert, einfach zu perfekt in unsere Zeit? Erschrockene Beobachter warnten vor dem filmischen Pendant zu Hass-Postings und geifernden Webforen. Aber Regisseur Todd Phillips, der in all seinen Filmen maskuline Verhaltensmuster seziert - bis hin zu den erfolgreichen „Hangover“ Komödien - hat kein Vorbild für hirntote Incels erschaffen. „Joker“ ist eine rabenschwarze Charakterstudie, in der die Verrenkungen und Grimassen von Schauspielgott Joaquin Phoenix spektakulärer als sämtliche Spezialeffekte wirken. Der Film verbeugt sich auch vor Autoren wie Alan Moore oder Grant Morrison, deren todernste und zugleich schrecklich komische Comics zeigen, was im Superhelden-Genre alles möglich ist. (Von Christian Fuchs)

Still aus Joker

Warner Bros.

Mid90s

Von den Blödelrollen ins ernste Fach – US-Schauspieler Jonah Hill hat in den letzten Jahren einen drastischen Imagewandel vollzogen. Und mit seinem Regiedebüt „Mid90s“ hat er bewiesen, dass er auch hinter der Kamera zu Großem fähig ist. „Mid90s“ spielt auf den Straßen L.A.s in den Neunzigern und erzählt die Geschichte des 13-jährigen Stevie, der aus nicht ganz einfachen Familienverhältnissen kommt und sozialen Halt bei einer Skater-Gang findet. Umso länger er mit ihr abhängt, umso tiefer taucht er ein in eine Kultur, die ihm bis eben noch fremd war.

Mit „Mid90s“ gelingt es Jonah Hill, ein Jahrzehnt und vor allem die damals herrschende Skatekultur hochleben zu lassen. Dabei setzt er aber glücklicherweise nicht auf überbordendes Pathos, sondern auf die leisen Töne. „Mid90s“ plätschert melancholisch vor sich hin und zieht einen schleichend in den Bann. Der Soundtrack tut seinen Teil dazu – statt blink-182 tönt Nas, Souls of Mischiefs und Pixies. „Mid90s“ ist ein intensiver Rausch, der wenig Worte braucht – Kino, das einen verschluckt. (Von Jan Hestmann)

Szenenbild "Mid90s"

Polyfilm

Bewegungen eines nahen Bergs

Autofahrer*innen kennen die bunten Visitenkarten, die man manchmal an die Fahrertür geklemmt vorfindet: Da bekundet jemand Kaufinteresse am Fahrzeug. Der österreichische Regisseur Sebastian Brameshuber hat so jemanden kennengelernt: Clifford Agu ist aus Nigeria gekommen und in Österreich arbeitete der 35-Jährige als Auto- und Kfz-Ersatzteilexporteur.

Im einnehmenden Film „Bewegungen eines nahen Bergs“ taucht man ein in Clifford Agus (Arbeits-)Leben, das sich auf zwei Kontinente erstreckt. Ein Perspektivenwechsel, der einen klüger macht. Zumal Sebastian Brameshuber dieses respektvolle Porträt geschickt verknüpft mit der steirischen Sage des Wassermanns und mit nahezu jeder Szene Fragen und Assoziationen aufwirft zu Rohstoffen, Menschenleben und Zeitenwenden - unaufdringlich und ohne Besserwissereien im Off. Gedreht teils auf Film, teils digital, ist „Bewegungen eines nahen Bergs“ ein Meisterwerk, das dem Kino huldigt. Wie hier Manneskraft Autos eigenhändig zerlegt, ist derart beeindruckend, dass einem der Motor wie ein Herzstück erscheint, das dick in Folie gewickelt und sorgfältig beschriftet per Container verschifft wird. (Von Maria Motter)

Bewegungen eines nahen Bergs

Mischief Films / Panama Film

Vice

Christian Bale, der Verwandlungskünstler, als Dick Cheney in einer bitterbösen Polit-Satire von Adam McKay. Bemerkenswert ist nicht nur das Spiel Bales, der hier quasi nicht mehr zu erkennen ist, sondern mit welcher Leichtigkeit McKay inszeniert und mit Tonalitäten jonglieren kann, ohne dass sein Film zerfällt. Da läuft mal mittendrin der Abspann los oder das Ehepaar Cheney spricht plötzlich in Shakespeare-Englisch. Ewig schade, dass die Musical-Szene mit Brittany Howard dem Schnitt zum Opfer gefallen ist, doch es bleibt noch genug übrig in dieser irrwitzigen Geschichte über Macht und Politik, was fesselt. Neben Bale kann man Steve Carrell als Donald Rumsfeld und Sam Rockwell als George W. Bush bestaunen. (Von Pia Reiser)

Christian Bale, Sam Rockwell

Matt Kennedy / Annapurna Pictures, LLC. All Rights Reserved.

FM4 Film Talk

Im FM4 Filmpodcast blicken Christian Fuchs, Jan Hestmann und Pia Reiser zurück auf das Filmjahr 2019.

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