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Koyama Press

Ein Comic wie ein dunkler, blutiger Traum

Die Comicautorin Emily Carroll hat sich auf Horrorcomics spezialisiert, aber „When I arrived at the Castle“ ist anders als ihre anderen Comics.

Von Conny Lee

Emily Carroll wurde für ihre zahlreichen Webcomics, Graphic Novels und Episodencomics bereits mit den größten Preisen der Comicwelt wie dem Eisner Award und dem Ignatz Award ausgezeichnet. Ihre Horrorgeschichten haben immer etwas Märchenhaftes: dunkle Wesen aus dem Wald, Monster im Schatten, Puppen, die besessen sind. Sie beherrscht es, in uns kindliche Urängste zu wecken. In diesem Punkt unterscheidet sich „When I arrived at the Castle“ nicht von Emily Carrolls anderen Comics.

FM4 Dunkle Seiten
In den ersten zwei Jännerwochen widmen wir uns den „Dunklen Seiten“. Also Büchern, die düster, gruselig, schaurig, beängstigend oder verstörend sind.

Es beginnt klassisch: In einer dunklen und stürmischen Nacht erreicht eine junge Frau ein düsteres Schloss, wo eine schöne Frau mit schwarzen Haaren und weißem Kleid sie bereits zu erwarten scheint. Die junge Frau ist gekommen, um die Schlossherrin zu töten. Diese ist nämlich ein Vampirwesen, das sich das Erscheinungsbild einer schönen Frau geben kann, doch manchmal platzt es blutig und schrecklich aus dem Frauenkörper heraus wie ein sich häutendes, wildes Tier.

vampirin attackiert

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Der weitere Verlauf des Comics ist schwer zu beschreiben: Es ist eine Erkundung des Schlosses, das voller Horrorgeschichten ist. Die Vampirin spielt mit der jungen Frau wie die Katze mit der Maus. In „When I arrived at the Castle“ gibt es keine lineare Erzählung und das Ende, das hier nicht gespoilert werden soll, lässt uns mit vielen Fragen zurück.

Eine Erklärung liefert die Entstehungsgeschichte des Comics. Normalerweise geht die Autorin ihre Geschichten sehr überlegt an. Sie plant den Erzählbogen und skizziert einige der Bilder im Voraus, wie sie im Interview erzählt. Nicht so bei „When I arrived at the Castle“. Emily Carroll hatte gerade den Bestseller-Roman „Speak“ von Laurie Halse Anderson in einer Graphic Novel umgesetzt. Ein sehr umfangreiches Projekt unter Zeitdruck. Danach fühlte sie sich ausgebrannt und depressiv, so als ob sie nie wieder ein Comic zeichnen würde. Irgendwann setzte sie sich doch wieder ans Zeichenbrett und wollte einfach nur irgendetwas zeichnen, was ihr gefiel: Vampire, Frauen, barocke Bilderrahmen.

schloss und vampirin

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Seite für Seite arbeitete sich Carroll dann voran, bis sie bemerkte, dass die Hauptfigur immer mehr wie sie selbst aussah und sie erkannte, dass es in der Geschichte eigentlich um ihre Depression und ihren damals starken Alkoholkonsum ging. Daraufhin stoppte sie die Arbeit an dem Comic sofort, allerdings ging es ihr dann noch schlechter. Also setzte sie sich doch jeden Tag wieder an das Buch. Es gab ihr Struktur und ein Ziel vor Augen. Das Ende von „When I arrived at the Castle“ ist so rätselhaft, weil das der damaligen Verfassung von Emily Carroll enstprach, erklärt uns die Autorin selbst im Interview:

cover

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„When I arrived at the Castle“ von Emily Carroll, erschienen bei Koyama Press

„It’s supposed to end on a confusing, unresolved note because that’s sort of where I felt in my life. So this book - more than any of my other work, which is all about me and what I’m going through - this book is, I think, the most insight into me personally and my raw emotions. It’s not supposed to be a straight forward narrative. It’s supposed to be a dream that leaves you with an impression.“

Genau diesen Eindruck vermittelt das Comic. Es ist wie ein Traum, der uns mitreißt. Die schwarz-weiß-blutroten Bilder haben eine fast schon hypnotische Wirkung und bei 72 Seiten ist man mit dem Buch leider viel zu schnell durch. Aber wie jede gute Horrorgeschichte ist „When I arrived at the Castle“ undurchsichtig und vielschichtig. Es geht um Angst und Faszination, um Depression und Erotik. Und die Bilder bleiben einem auch nach dem Lesen noch im Kopf.

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