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Gerogia 2019 "Seeking Thrills"

Domino/GoodToGo

Artist of the Week

Georgia und „Seeking Thrills“

„Seeking Thrills“ heißt das neue Album von Georgia aus London. Darauf umarmt die Musikerin und Produzentin Detroit Techno und Chicago House mit zeitgenössischem Pop.

Von Christian Lehner

Cover - Georgia "Seeking Thrills"

Nancy Honey

„Seeking Thrills“ erscheint am 10. Jänner auf Domino Records. Am 25. Februar gastiert Georgia im Fluc in Wien.

„Ich war schon immer auf der Suche nach Thrills“, erzählt Georgia Barnes beim FM4-Interview in Berlin. Und weil man noch nicht ganz erwachsen ist, ergänzt sie: „Das hat mich auch immer wieder in Schwierigkeiten gebracht.“

Nach dem letzten Album zum Beispiel. 2015 erschien das Debüt „Georgia“. Die experimentelle und weltmusikalische Annährung an Pop im Einflussbereich von M.I.A. gefiel den Kritiker*innen und brachte am Dancefloor so manche Stulpenhose zum Flattern.

Verloren im Trockennebel

Mittendrin im Hedonismus: Georgia. „Ich ließ mich fallen, kickte Substanzen, trank zu viel Alkohol. Ich dachte, ich wäre gut drauf und funny, aber meine Freunde dachten das nicht.“ Eine Intervention später schwor die Tochter des Techno- und Trip-Hop-Pioniers Neil Barnes (Leftfield) der teuflischen Dreifaltigkeit Tabak, Drogen und Fleisch ab und macht seither trotzdem keine langweilige Musik.

Dass sie ausgerechnet zwei von ihr produzierte Dance-Tracks aus dem Tief holten und noch vor Fertigstellung des neuen Albums auf die internationalen Festivalbühnen beförderten, ist für Georgia nur konsequent. „Für mich stand außer Frage, die Clubmusik aufzugeben, also musste ich mein Ausgehverhalten ändern. Nüchtern erlebt man eine Clubnacht völlig anders. Ich habe den Dancefloor als einen Ort entdeckt, an dem man sich nicht nur verlieren kann, sondern auch ganz bewusst Gemeinschaften herstellen.“

Georgia, Berlin 2019

Christian Lehner

Georgia beim FM4-Interview in Berlin

Rettung durch Detroit Techno und Chicago House

Die neue Sensibilität weckte Georgias Interesse an der sozialen Komponente von Clubmusik. Sie wurde bei Detroit Techno und Chicago House der 1980er-Jahre fündig. „Das waren nicht nur Dance-Genres, die ein neues Zeitalter in Sachen Musikproduktion einläuteten. DJs wie Juan Atkins, Kevin Saunderson und Jeff Mills und Labels wie Underground Resistance definierten den Club als utopischen Ort neu. Kein Wunder, dass diese Musik schnell über den Atlantik wanderte und auch Pop-Acts wie Depeche Mode und die Eurythmics beeinflusste“.

Sendungsbild Interview Podcast

Radio FM4

Das Interview mit Georgia hier im FM4 Interview Podcast

Die Ein-Personen-Disco

Im Frühjahr 2019 haute Georgia die Tracks „Started Out“ und „About Work The Dancefloor” raus. Die oben genannten Einflüsse sind deutlich präsent und verschmelzen mit der Hook-lastigen Popästhetik des Streamingzeitalters. Schnell machten diverse Remixes die Runde. Beim diesjährigen Glastonbury-Festival war die Performance von Georgia ein Highlight auf der großen Club-Bühne. Der Erfolg legte die Linie des Albums fest. Am Ende steht ihr zweites Album „Seeking Thrills“ mit 13 Songs.

Georgia ist eine Ein-Personen-Disco. Sie schreibt, singt und produziert ihre Songs selbst. Die 909-Drum-Machine kombiniert sie mit einem Schlagzeug, das wie eine Burg auf der Bühne prangt. Die ehemalige Session- und Tour-Drummerin von Kate Tempest und Kwes schwört auf ein oft verlachtes Simmons-Elektro-Schlagzeug mit flachen Drum-Pads: „Die Dinger galten vor allem in den 1990er-Jahren als cheesy, dabei sind sie super strukturiert und universell einsetzbar. Man vergisst oft, dass viele der besten Reggae-Alben mit Simmons-Drums eingespielt wurden. Ich mag wie sie aussehen, es erinnert mich an Bauhaus-Design.“

Sich verlieren und wiederfinden, fallen und aufstehen, das sind oft bemühte Motive im Pop, die auch auf „Seeking Thrills“ durchdekliniert werden. In Anbetracht der Sound-Widmung des Albums hätte ich mir persönlich etwas weniger Zucker und Rollschuh-Disco und mehr Techno- und House-Throwback gewünscht, aber so lässt es sich perfekt zwischen Wohnzimmer, Radio und Trockennebel abhotten (wenn man das heute noch so sagt). Wo sie nun ihre Thrills abseits der Musik findet, will ich noch von Georgia wissen. „Am Weg“, zitiert sie den alten Mind-Raver Konfuzius und lächelt still in sich hinein.

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