FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Geschirrspüler

CC0

Blumenaus 20er-Journal

Der Geschirrspüler und die Demut

Wenn ein Haushaltsgerät kaputt wird, kann das dein Leben verändern. Zum Besseren.

Ein Wochenendtext von Martin Blumenau

Und dann tat er gar nichts mehr, außer Piepsen und seinen Dienst verweigern. Und weder die sofort zugezogenen internen noch die externen technischen Berater konnten den Fehler entdecken, wie zuletzt den verstopften Filter oder damals die kleine Glasscherbe. Er war also kaputt, der Geschirrspüler.

Und weil die (dem Akzent nach steuertechnisch wohl günstiger in der Slowakei angesiedelte) Reparatur-Hotline der Firma uns einen Termin gab, der die 3-Wochen-Marke nur knapp unterschritt, war klar, was das bedeutete: händisch abwaschen. Für den kleinen Mitbewohner war das eine nie gesehene Sensation, wie die zwei Großen da mit Spülmittel, Schwamm und Teller, Tassen, Gläser und Besteckstücke einzeln bearbeiten. Für uns andere war es zusätzlicher Zeitaufwand, der das ohnehin an Muße ausgezehrte Leben mit einem Kleinstkind weiter einengte.

Aber jedem potentiellen Schrecken wohnt auch ein Zauber inne; in diesem Fall waren es gleich zwei. Der eine hat mit meiner Oma zu tun, der andere mit dieser zu schützenden Umwelt, von der jetzt so viel die Rede ist.

Ich kam nämlich schon etwa beim dritten Glas (und ich fange automatisch mit den Gläsern an, keine Ahnung wieso) in eine Erinnerungsbilderstrecke, die mich mit dem schönsten Geschirrabwaschen aller Zeiten, in meiner Kindheit verknüpfte: als nämlich meine Oma zweimal die Woche mit meiner Schwester und mir kochte und nach dem Essen abwusch. Also natürlich kochte und wusch hauptsächlich die Oma und wir Kinder assistierten, während sie uns Geschichten erzählte oder wir Kinder Blödsinn machten. Und so höre ich wieder ihrer schöne tiefe Singsang-Erzählstimme zu, während ich die heutigen Teller schrubbe.

Die andere Veränderung die der kaputte Geschirrspüler nach sich gezogen hat, ist eine natürliche: weil die Abwäscher sich nicht bewusst und absichtlich mit mehr Geschirr als möglich belasten wollen, schränken sie ihren diebezüglichen Konsum ein. Und das ist angesichts des normalen Verbauchs in unserem Haushalt eine Menge. Die beiden Mitbewohner*innen verbrauchen nämlich (ungelogen) täglich zumindest 3 Becher, 4 Häferl und 7 bis 8 Gläser. Das weiß ich so genau, weil ich die überall in der Wohnung herumstehenden weil vergessenenen viertel- bis halbvollen Hansln wegräume. Bei Tellern und Besteck hab ich den zahlenmäßigen Überblick nicht, ich weiß nur dass das Buttermesser mit dem ich dem kleinen Mitbewohner ein Brot gestrichen habe, zehn Minuten später, wenn ich es für mein Brot brauche, im Geschirrspüler verschwunden ist. Als ob es kontaminiert wäre. Mein anarchischer Akt des Widerstands: ich befreie das Messer aus dem Besteck-Gestell und verwende es noch ein- oder gar zweimal. Und zwar ganz ohne hehren Umweltgedanken, sondern aus Pragmatismus.

Ich muss nicht extra dazu erwähnen, dass beide Mitbewohner sich sehr stark um ein besseres Leben bemühen, was Bio, Palmöl- oder Fleischvermeidung udn Energiesparen betrifft. Der blinde Fleck der Verschwendung, die unmäßige Geschirr-Verwendung betreffend ist für sie aber nicht sichtbar zu machen. Bis der Zufall in Gestalt des kaputten Haushaltgeräts zu Hilfe kam.

Seitdem schwebt deutlich mehr Demut durch den Haushalt - Gläser werden zweimal, womöglich sogar für zwei verschiedene Säfte (früher ein nogo) benutzt, und der Gast-Cousin bekommt seinen zweiten Gang auf einem anderen Kinderteller des ersten Gangs. Früher, zu Geschirrspülerzeiten, undenkbar. Jetzt, wo es um Zeitersparnis geht, plötzlich möglich. Und der Umwelt-Aspekt rutscht mit, aber wohl eher zufällig. Wiewohl er beim kleinen Mitbewohner ja auch via Paw Patrol (Nicht verschwenden, wiederverwenden, sagt Rocky dort) verankert wäre.

Gestern dann, als noch ein externer Experte zu Gast ist, tritt der umgedrehte Vorführeffekt ein: um zu demonstrieren, was am Gerät nicht funktioniert, schalten wir ihn ein - und er schnurrt als wäre nie etwas gewesen. Wahrscheinlich hatte der Geschirrspüler nur ein kurzes Burnout und braucht ein paar Tage Erholung - oder er hatte eine Eingebung und wollte uns Demut lehren.

Ich habe den Handwerker-Termin abgesagt und nochmal der Oma gedankt.

Aktuell: