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The Wanderer

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Auch Monster brauchen Liebe im Game „The Wanderer“

In „The Wanderer - Frankenstein’s Creature“ wird die Geschichte von Frankensteins Monster vom Kopf auf die Füße gestellt.

Von Rainer Sigl

Alles um mich ist grau, formlos und unbestimmt. Zögernd mache ich die ersten Schritte in dieser nebelhaften Umgebung, und mit jedem Schritt füllt sich die Welt wie ein Blatt Aquarellpapier mit zarten Grau-, später mit kräftigen Farbtönen. So ist es vielleicht, die ganze Welt zum allerersten Mal zu sehen: das erste Haus, den ersten Baum, den ersten Menschen.

Im Videospiel „The Wanderer - Frankenstein’s Creature“ erblicke ich so das Licht der Welt - doch nicht als Kind, sondern als das Ungeheuer des Titels. Das unheimliche Monster aus dem 1818 erschienenen Roman von Mary Shelley ist eine Ikone des Horrors und den meisten durch Boris Karloffs berühmte Verkörperung samt hoher Stirn und Schrauben im Nacken wohlbekannt: als zerstörerischer Klotz von gewaltiger Kraft und unheiligem Zorn auf seinen Schöpfer und die Welt.

Weit weniger bekannt ist dabei die Kreatur, wie sie in Shelleys Roman selbst zu Wort kommt: als empfindsames, zu Beginn unschuldig reines Wesen, dem sein Platz in dieser Welt nicht bewusst ist. Neugierig wie ein Kind entdeckt dieser unförmige, hässliche Riese die Welt - und trifft nur auf Angst und Aggression.

Ich, das Monster

„The Wanderer“ ist eine freie Nacherzählung des berühmten Romans und spart den Schöpfer dieses Ungeheuers, den ehrgeizigen Doktor Frankenstein, fast völlig aus. Stattdessen steht seine unglückselige Kreatur im Mittelpunkt, die aus Leichenteilen zusammengesetzt und durch ein Experiment ins Leben geholt wurde. Szene für Szene muss sie erkennen, dass es für sie keinen Platz in der Welt der Menschen gibt.

Sobald sich das Wesen in Dörfern und Städten zu erkennen gibt, fliehen die Menschen oder bewerfen es mit Steinen. Wie es auf diese Gewalt reagiert, steht Spieler*innen in einer Reihe von Entscheidungen frei: Sie können sich entweder für die friedliche Option, etwa Flucht, oder aber für gewaltsames Zurückschlagen entscheiden. So oder so: Ein glückliches Leben führt diese armselige Kreatur nicht.

The Wanderer

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Berührender Blick auf einen Klassiker

„The Wanderer - Frankenstein’s Creature“ ist für iOS, Windows und Mac erschienen. Ein kostenloses Prequel kann im Browser gespielt werden.

Der Kultursender arte hat „The Wanderer“ mitproduziert, und den künstlerischen Anspruch sieht man dem Spiel an: Alles hier sieht aus wie eine wunderschön gemalte Kinderbuchillustration, und es gibt gut geschriebene, an die Sprache des Romans angelehnte Texte sowie stimmungsvolle Musik. Das streng lineare, in Kapitel aufgeteilte Spiel wartet dabei mit einzelnen, nicht allzu schweren Rätseln sowie bedeutungsschweren Entscheidungen auf, die den Fortgang der Handlung beeinflussen.

Langsam und einfühlsam zeigt das Spiel den Leidensweg eines Außenseiters, der eigentlich nur dazugehören möchte und Liebe und Anerkennung sucht. „The Wanderer - Frankenstein’s Creature“ ist ein eher kurzes, aber berührendes Spiel - und die vielleicht schönste Art und Weise, einen Klassiker der Weltliteratur neu zu entdecken.

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