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todor ovtcharov

Niemand kann meinen Namen richtig aussprechen

Ich habe mal vor Jahren überlegt, ob ich mir nicht ein Pseudonym zulegen soll. Denn niemand kann meinen Familiennamen richtig aussprechen und ich muss ihn jedes Mal buchstabieren. Ovtcharov. O-V-T-C-H-A-R-O-V. Ich glaube mein Name ist noch nie zweimal hintereinander richtig ausgesprochen worden.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Ich weiß nicht, ob mir für mich so etwas Einprägsames einfallen würde wie Woody Allen, dessen echter Name Allen Konigsberg ist. Ich könnte es vielleicht wie Joseph Conrad machen, dessen Geburtsname Jozef Korzeniowski lautet. Natürlich habe ich nicht den Ruhm von Allen oder Conrad, aber das hätte es für die Menschen sicherlich erleichtert. Ovtcharov kommt vom bulgarischen „Ovtchar“, was „Hirte“ bedeutet und ich dachte, ich könnte mich Tod Shepherd nennen. Es gibt aber bereits einen Sam Shepard und man könnte uns vielleicht für Verwandte halten.

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Mit Akzent: Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov. Alle Folgen der Kolumne gibt es hier als Podcast.

Dann habe ich Frau Brzomazurek kennengelernt. Sie ist eine waschechte Wienerin, die diesen Familiennamen von ihren tschechischen Vorfahren geerbt hat. Sie muss auch ihr ganzes Leben ihren Nachnamen buchstabieren. Sie hat mir erzählt, wie sie mal im Ticketzentrum eines Theaters gearbeitet hat, als sie von einer Frau angerufen wurde, die Karten reservieren wollte. Die Dame entschuldigte sich gleich am Telefon, dass ihr Name zu kompliziert sei bevor sie es zu buchstabieren begann. Es stellte sich heraus, dass ihr Name auch Brzomazurek ist. Und sie war keinesfalls eine Cousine meiner Bekannten. Beide freuten sich so sehr, dass sie einen anderen Brzomazurek treffen, wenn auch nur telefonisch. Und das in Österreich, das nicht von Brzomazureks überlaufen ist.

Schon als ich hier mit dieser Rubrik angefangen habe, lautete der Untertitel „Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov“. Man kann Namen von Literaturhelden nicht ändern. Oder doch? Neulich hab ich einen Teil der französischen Kinderbuchreihe „Le petit Nicolas“ gekauft. Die französischen Namen der Protagonisten waren darin schrecklich eingedeutscht, damit sich deutschsprachige Kinder leichter tun. In der bulgarischen Ausgabe sind die französischen Namen beibehalten. So lernt man, dass anderswo Menschen auch anders heißen können und man toleranter sein soll.

„Fräulein Ov-, Fräulein Ov-, Fräulein Ovt-, die Jana bitte!"“ sagt die Krankenschwester beim Kinderarzt. „Gut, dass sie ihre Tochter Jana benannt haben und nicht etwas kompliziertes wie ihr Familiennamen!“, sagt sie danach. Meine Tochter lächelt sie an, denn sie weiß gar nicht, dass beim Arzt Spritzen auf sie warten.

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