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Ueli Kestenholz

Marc Weiler

Dreidimensionales Skifahren zwischen Himmel und Schnee

Mit Ski im freien Gelände auf eine Klippe zurasen und ins Leere springen? Die Schweizer Snowboardlegende Ueli Kestenholz präsentiert in seinem Film The Pinnacle of Rush einen neuen Sport: Speedriding - eine Kombination aus Speedflying mit kleinem Fallschirm und Freeriding, also dreidimensionales Skifahren in einem Gelände, wo man mit Ski allein nicht mehr fahren könnte.

Von Heinz Reich

Vor Jahren war ich einmal in Mürren, im Berner Oberland, und hab von der Gondel aus unterm Schilthorn mysteriöse Spuren im Schnee gesehen: Schwünge, die auf eine Felswand zulaufen, die eindeutig zu hoch zum Springen war. Und darunter, am Fuß der Klippe... nichts! Kein Bombhole, keine Spur einer Landung. Ich konnte mir das damals nicht erklären. Bis ich heuer im Sommer einen der Freerider getroffen hab, die für diese Tracks verantwortlich sind: Ueli Kestenholz, eine Schweizer Snowboardlegende. Gemeinsam mit seinem Freund Pascal Voegeli praktiziert er vor der atemberaubenden Kulisse von Eiger, Mönch und Jungfrau einen relativ neuen Sport, der weltweit nur von einer Hand voll Menschen ausgeübt wird. Speedriding ist eine Kombination aus Speedflying mit kleinem Fallschirm und Freeriding, oder wie Ueli es so wunderbar beschreibt: „Dreidimensionales Skifahren in einem Gelände, wo man mit Ski allein nicht mehr fahren könnte.“

Ueli Kestenholz

Jancsi Hadik

Der Traum vom Fliegen und schwereloses Gleiten

Wir haben wohl alle schon mal im Schlaf vom Fliegen geträumt. Beim Freeriden gibt es kurze Momente der Schwerelosigkeit, die diesem Gefühl nahekommen, aber letztlich bleibt man doch am Boden. Paragleiten ist technisch gesehen natürlich Fliegen, aber man hängt halt eigentlich gemütlich sitzend in den Seilen. Wenn Ueli Kestenholz und Pascal Voegeli am knapp 3.000m hohen Gipfel des Schilthorns ihre Freerideski anschnallen und ihre Schirme aufspannen, dann beginnt ein Speedrush, der aus der POV-Perspektive ärger aussieht als die James Bond Szenen, die hier gedreht wurden: Powderturns in steilen Hängen, auf eine Klippe zurasen, ins Leere springen. Dann wieder landen, weiterschwingen. Die Optik erinnert an ein Videospiel: Rein in einen steilen, dunklen Canyon. Links und rechts rasen die Felsen vorbei. Dann plötzlich abheben und raus in die Sonne fliegen.

Ueli Kestenholz und Pascal Vögeli

Reiner Eder

It’s just a mental game

Die Faszination dieses neuen Sports hat auch J.T. Holmes (kalifornischer Freeride Godfather und nunmehr Stuntman für Hollywood-Filme) nach Mürren gelockt. In den amerikanischen Skigebieten sei Speedriding verboten, erzählt er im Film. Und es sei definitiv „eine neue Variante des Skifahrens“. Ueli stimmt ihm zu und erklärt: „Wir wollen nicht, dass es so aussieht wie vom Berg runterfliegen mit Skiern an den Beinen. Wir versuchen die Flugphasen auf ein Minimum zu reduzieren und wirklich nur dort abzuheben, wo es nicht anders geht.“ Und welches Equipment braucht man dafür? Anfangs habe er es mit seinem Snowboard versucht, aber die Position seitlich zur Fahrtrichtung habe sich beim Handling des Schirms als Handicap erwiesen. Drum sei er auf Freeride Ski umgestiegen. Und der Speedriding Schirm selbst? „Das ist eine Mischung aus einem kleinen, schnellen Sportfallschirm mit gewissen Komponenten vom Gleitschirmbau, das heißt er hat den Charakter eines Fallschirms, der mehr sinkt, als gleitet, damit man wirklich auf dem Schnee bleiben kann, wenn man will.“

Ueli Kestenholz

Marc Weiler

Nach dem Ende seiner sehr erfolgreichen Wettkampfkarriere (zweimal Gold bei den X-Games und Bronze bei den olympischen Spielen), hat sich Ueli Kestenholz aufs Freeriden und auf Film- und Fotoprojekte konzentriert. Das Interview mit Ueli Kestenholz in voller Länge gibt’s auch als Folge des Podcast #offpisteonair.

Wie gefährlich ist das?

Ueli Kestenholz spielt die Risiken mit einem charmanten, selbstbewussten Lächeln herunter: „Ich denk, die größte Gefahr ist am Boden. Weil in der Luft, da tut sich keiner weh [lol]. Und wir befinden uns relativ nahe am Boden, die ganze Zeit mit einer ziemlich großen Geschwindigkeit, d.h. ich muss das Gelände gut kennen, also die Steilheit, um zu wissen, was kann mein Schirm fliegen, wo kann ich abheben. Also in der Regel suchen wir uns so steile Hänge aus, dass ich jederzeit vom Berg wegfliegen kann in die Sicherheit.“ Und gegenüber uns bodengebundenen Freeridern habe er als Speedrider eine zusätzliche Sicherheit was Lawinen angeht, denn wenn was ins Rutschen kommt, könne er wegfliegen. Also das leichte Extrarisiko des Fliegens werde durch die geringere Lawinengefahr ausgeglichen.

Ueli Kestenholz und Pascal Vögeli

Reiner Eder

The Pinnacle of Rush

„Der Gipfel der Raserei“ wäre die deutsche Übersetzung des Films über Speedriding, der heuer beim Filmfest St. Anton seine Premiere gefeiert und auch gleich den Jurypreis gewonnen hat. Die Raserei steht da in schönem Kontrast zu poetischen Naturaufnahmen. Und von außen (von der Gegenhangkamera aus) betrachtet, bewegen sich Ueli Kestenholz und Pascal Voegeli wie in einer Ballett-Choreographie durch Licht und Schatten der Gebirgslandschaft.

Der Filmemacher Harry Putz hat für FM4 den Film exklusiv für 7 Tage freigeschalten, bevor er damit zu weiteren Festivals tourt, also schaut euch das an!

The Pinnacle Of Rush from FREILUFTDOKU on Vimeo.

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