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Feuer in Australien

APA/AFP/SAEED KHAN

Australien: Nach den Feuern weht ein neuer Wind

Es ist ein erster kleiner, aber bedeutender Schritt: Der australische Premiereminister Scott Morrison hat sich erstmals öffentlich zum Zusammenhang zwischen Klimawandel und den dramatischen Buschfeuern bekannt. Kritiker fürchten leere Versprechungen. Doch für Australien könnte es ein historischer Wendepunkt sein.

Von Juliane Lehmayer aus Sydney

Letzte Woche sitze ich dann doch noch im Zug Richtung Blue Mountains. Es war endlich wieder etwas kühler. Lange haben meine Freunde gemeint, ein Besuch würde sich nicht auszahlen, ihr Haus könnte jederzeit von der Feuerwehr evakuiert werden.

In dem Nationalpark, eineinhalb Stunden von Sydney entfernt, brennt es tatsächlich ständig irgendwo. Die Buschfeuer lieben die trockenen Eukalyptusbäume hier. Wir sitzen auf der Terrasse und trinken Tee. Neben der Haustüre stehen die gepackten Koffer. Der sogenannte „Exit Plan“ – also Fluchtplan – ist seit Monaten durchgedacht. Eine Nachricht der Feuerwehr genügt und man ist sprungbereit. Ja, die Feuer kennt man hier, aber nicht für so lange Zeit, nicht so intensiv.

Keine Entwarnung

Zurück in Sydney ist es zwar sicher, aber noch immer hängt der Rauch wie eine ständige Mahnung vor den Fenstern. „Eco Anxiety“ heißt dieses neue vertraute Gefühl offiziell: Die wachsende Angst vor der Machtlosigkeit aufgrund des Klimawandels. Der Frust über die ältere Generation, die die Dringlichkeit der Krise weiter nicht erkennt. So fühlen sich gerade viele junge Australier von ihrer Regierung in Stich gelassen.

Feuer in Australien

APA/AFP/SAEED KHAN

Kohle vor Klima

Die Kritik bekommt vor allem der australische Premierminister Scott Morrison ab. „ScoMo“ ist ein ehemaliger Marketingmanager. „Scotty from Marketing“ haben ihn seine Gegner getauft. Dinge als schöner zu verkaufen, als sie sind, versteht er, auch jetzt in seiner politischen Rolle. Insofern überrascht es nicht, dass seine neuen Versprechungen, „Emissionen zu senken“ und einen „Risikoplan“ zu erstellen, als weiterer Marketingschmäh gesehen werden.

Der 51-jährige Parteichef der Liberal Party ist schließlich ein großer Freund der Kohleindustrie und hat bis zuletzt die Klimakrise geleugnet. Und jetzt ein plötzliches Umdenken? Das dürfte schwierig werden, denn die Leugner des Klimawandels haben hier starke Verbündete: Den Ton innerhalb der Bevölkerung gibt die Presse an. Die Medienlandschaft wird zu 70 Prozent von Medienmogul Rupert Murdoch kontrolliert. Und Murdoch ist und bleibt ein vehementer Leugner der Erderwärmung. Und neben Murdochs Propagandamaschine arbeitet im Hintergrund die Kohlelobby, die die Politik fest im Griff hat.

Kohle hat Australien reich gemacht: Das Land produziert rund 60 Prozent seines Stroms mit Kohle. Zehntausende Arbeitsplätze hängen daran. Nach wie vor ist in Queensland eine neue Kohlemine geplant – mit einer möglichen Unterstützung von Siemens in Deutschland. Die Adani Mine wird zu den größten der Welt gehören, unterstützt und gefördert von der Regierung.

Große Erfolge hat die australische Politik in Sachen Klima noch nie gefeiert, auch die Labor Partei nicht. Als Australiens erste weibliche Premierministerin Julia Gillard 2012 eine Klimasteuer eingeführt hatte, wurde sie aus dem Amt gemobbt. Zwei Jahre später wurde die Steuer unter der konservativen Regierung wieder abgeschafft. Wirklich kümmern musste sich Australien um die Weltpolitik bisher ja auch nicht. Zu klein, zu idyllisch und zu weit weg von allem. Nach dem australischen Motto „No worries, mate“.

Proteste gegen ScoMo

Doch etwas hat sich geändert unter den sonst so entspannten Aussies. Während die Politik noch immer wie gelähmt zwischen wirtschaftlichen und parteipolitischen Interessen strampelt, wächst der Zorn in der Bevölkerung spürbar. Millionenspenden kommen herein, jede Woche sind neue Demonstrationen geplant, Scott Morrisons Umfragewerte rasseln hinab, #NotMyPrimeMinister ist der neue Twittertrend. Auch der Unmut des moderaten Flügels der Liberal Party nimmt zu. Der Zusammenhang zwischen Dürre und Klimawandel scheint auf einmal kein Tabuthema mehr zu sein.

Scott Morrison

APA/AFP/POOL/James ROSS

Kehrtwende trotz Widerstände?

Und darin birgt sich jetzt die einmalige Chance: Kommentatoren sehen in der derzeitigen Krise die Möglichkeit für die Regierung, Klimaschutz ab sofort ernst zu nehmen, aller Widerstände zum Trotz. Scott Morrison könnte seine „Catastrophe as usual“-Strategie doch noch beenden. „You need to lead“, wird in sozialen Medien gefordert. Selbst wenn die Kohlelobby, die Medien und die Mehrheit der Australier erst überzeugt werden müssen. Für Australien kann es nicht länger ohne verstärkten Klimaschutz weitergehen. Nicht, wenn dieser Sommer nicht zur neuen Normalität werden soll.

Es überrascht immer wieder, wie schnell man sich an den neuen Alltag gewöhnen kann. Dass wir unsere Gesichtsmasken dabei haben wie unsere Hausschlüssel. Dass wir an manchen Tagen eben nicht joggen gehen, weil die Luft zu stickig ist. Dass Asche vom Himmel auf unsere Köpfe fällt. Dass Festivals abgesagt und Ferien an der Südküste gestrichen werden, weil die Straßen wegen der Feuer gesperrt sind. Optimistisch, dass aus Scott Morrison doch noch ein aufrichtiger Klimapoltiker wird, sind momentan nur wenige. Aber womöglich war so ein beispielloser Sommer notwendig, um zu erkennen, dass sich „no worries, mate“ nicht mehr ausgeht.

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