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Blumenaus 20er-Journal

Staatsoper, Klasse und Integration

Der neue Staatsopern-Direktor und was seine Antritts-Interviews über Klasse und Integration erzählen.

Von Martin Blumenau

Seit Jahresbeginn lese ich die Interviews mit dem neuen Staatstopern-Direktor. Nicht wegen der holden Kunst, sondern weil ich mit dem Mann einige Jahre teilweise intensiv zusammengearbeitet habe.

Ich lese die Boulevard-Interviews, die sich auf den (scheinbaren) Gegensatz seiner Ö3-Vergangenheit stürzen und so Sager rauskitzeln wollen ebenso wie die snobistischen Kulturmedien-Interviews, die ihn mit listigen Fragen auf Wissen und Distinktion abklopfen.
Bogdan Roščić pariert beides problemlos, er ist ein hochintelligenter Medienprofi und offenbar auch echt operninteressiert - für jemanden, der aus dem Umfeld des Linzer Punk/Alternative-Booms rund um 1980 sozialisiert wurde, durchaus unerwartbar.

Und das bietet Raum um hineinzugrätschen: der Ex-Ö3-Pop-Heini als Staatsoperndirektor? Was kommt als nächstes: Raf Camora als Staatssekretär oder Staatspreisträger?

Dass der Gegensatz zwischen der Mainstream-Popwelt, die er als Ö3-Chef und später als hiesiger Plattenfirmen-Filialleiter und Starmania-Juror mitdefinierte und der Welt der Klassik ein eben nur scheinbarer ist, erkennt man schnell, wenn man sich die aktuellen Starmaker-Systeme der Klassik-Welt bzw. der dort führenden Labels anschaut: Kampagnen, Marketing, Styling, Typecasting sind fast identisch; glatte und gefällige Oberfläche ist beim Pop-Sternchen ebenso wichtig wie beim nächsten Instrumental- oder Vokal-Star der Opernwelt. Nur professionelles Star-Management sichert der Branche (dem Tonträger-Markt, den Opern/Konzerthäusern) da wie dort das Überleben.

Die andere Unvereinbarkeits-Unterstellung hat Roščić schon damals in seiner Ö3-Phase (als er als Reibebaum für all jene, die mehr Airplay wollten, diente) hinter sich gebracht - den unterschwelligen Rassismus, den aktuell etwa die neue Justiz-Ministerin durchlebt.

Alma Zadić ist, witziger Zufall, im exakt selben Alter wie der Opernchef nach Österreich gekommen, mit 10, und hat nicht nur eine vergleichbare Bilderbuch-Karriere hinter sich gebracht, sondern das schwermütige Debatten-Schlagwort der Integration in etwas nebenbei mitlaufend Selbstverständliches transformiert. Hat vielleicht, wie auch im Fall von Raf Camora, etwas mit der Stoßrichtung zu tun: wenn man sich selber als globalen Menschen sieht, als jemanden, dessen Ziele international sind, entgeht man automatisch allen nationalistischen Fallen, die sich entweder in einem Rückzug in Blut-und-Boden-Denken der alten Heimat oder in einem entkräftenden Abwehrkampf gegen österreichelnde Kreuzritter manifestieren.

Dass Roščić oder auch Herr Ragucci diese Probleme in geringerem Umfang haben, hat auch damit zu tun, dass sie das wichtigste Kriterium für eine reibungslose Anpassung an eine neue Umgebung erfüllen: Klasse, bzw. ihre Oberschicht-Herkunft.

Dass die Kinder des armenischen Anwalts oder des persischen Arztes sich bildungs/ausbildungsmäßig und somit auch gesellschaftlich automatisch leichter tun als die Nachkommen von bereits in ihrer alten Heimat unterprivilegiert Gefrusteten liegt auf der Hand.
Letztlich ist jede gesellschaftliche Integration, sei es die von Auspendlern in die Ballungszentren, von Schulkindern aus großen und/oder armen Familien, in erster Linie eine Frage der Herkunft, der Klasse und deutlich weniger eine Frage von Nation oder Religion.

Es ist zutiefst absurd, dass dieser Fakt kaum Beachtung findet, spielt er doch jenen massiv in die Hände, die Nation und/oder Religion als Instrumentalisierungs-Basis ihrer politischen Agenda sehen. Und eigentlich müssten jene, die den Begriff der Leistung anbeten, als wäre er in den 10 Geboten verankert, sich hier am Massivsten einsetzen. Dass sie es - und an ihren Taten lässt es sich ermessen - gar nicht tun, lässt nur den Schluss zu, dass sie mit der bewusst immer weiter geöffneten Schere und der somit automatischen Segregation nicht nur zufrieden sind, sondern sie auch forcieren wollen.

Ob sich die neue Regierung in dieser Hinsicht tatsächlich anders positioniert als die alte, lässt sich noch nicht absehen.

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