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Moses Sumney

Alexander Black

Der Song zum Sonntag: Moses Sumney - „Polly“

„Performer | Poor Person“ steht auf Moses Sumneys Website. Sein neues Doppelalbum „græ“ erscheint in zwei Teilen, im Februar und im Mai.

Von Christoph Sepin

Es ist alles nicht so einfach in den zwischenmenschlichen Beziehungen und oft auch gar so einfach darüber zu reden. Wenn man Moses Sumney ist, kann man aber zumindest ein Lied über den internen Konflikt schreiben, über die Sucht und die Liebe und das gebrochene Herz.

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

„græ“ wird das neue, zweite Studioalbum des Kaliforniers Moses Sumney heißen, weil man Alben heutzutage eben gerade so betitelt. Veröffentlicht wird es in zwei Teilen, einmal im Februar, dann ein zweites Kapitel im Mai, einmal digital, einmal auf Platte. Weil auch das macht man heutzutage so. „A conceptual patchwork about grayness“, so beschreibt der Pressetext das Album. Diese Grauzonen werden auch schon in „Polly“ erforscht.

Polly, die besungene Person in dem bedächtigen Song, könnte einfach für einen Namen stehen, tut es aber vermutlich nicht (nur): Polly ist hier die Abkürzung für die Polyamorie und damit das Grundthema des Liedes. Eine unglückliche Beziehung wird hier umschrieben, zumindest für eine beteiligte Person. Die Komplexitäten der Liebe im 21. Jahrhundert in sanfter Verzweiflung in knappe dreieinhalb Minuten verpackt.

Sumney spricht über sich oder aus der Perspektive einer dritten Person und macht das mit emotionaler, berührender Tiefe. Nie zu konkret, aber doch ganz klar, was hier kommuniziert werden soll, welche Gedanken unbedingt als Lied neue Bedeutungen erhalten sollen: „You remain in motion, bottom of the ocean“ ist eine sehr schöne Eröffnungszeile und spiegelt die Widersprüche, die unterschiedlichen Hoffnungen und Emotionen der Protagonist*innen wider: du, dort drüben, unerreichbar und immer in Bewegung, und hier der Musiker, am Grunde des Ozeans, einsam und verloren.

Sumney erhofft sich hier eine Beziehung auf Augenhöhe und ohne Ungerechtigkeiten. Ein Wunsch, der wohl nicht in Erfüllung gehen wird, das scheint er zu wissen. Und findet wundervolle Worte für sein Dilemma: „Hollow as a hallway, your fist fits right through me. If I split my body into two men, would you then love me better?“ Wäre ich mehr als nur eine Person, so fragt er hoffnungsvoll, wäre ich dann genug für dich? Und folgt diesen Gedanken mit lyrischen Fragmenten, Metaphern, die ihm durch den Kopf gehen: „Saccharine and slick technicolor“, zum Beispiel, oder „Cornucopia of just-in-cases“.

Liebe kann so widersprüchlich sein, kann glücklich und traurig zugleich machen, einsam und gemeinsam, und mit ihren wilden Verwirrungen den Stoff für schönste Textzeilen bieten. Das ist auch die Stärke von „Polly“, nicht die ganz ruhige, beiläufige Instrumentierung, sondern die in Worte gefassten Emotionen von Sumney, die er mit den Hörenden teilt. Ein Liebeslied, das sich den Komplexitäten widmet und den komplizierten Gefühlen. Denn in der echten Welt, da fühlt sich Liebe eben oft so an.

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