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Mura Masa 2019

Universal Music

Artist of the Week

„R.Y.C.“, das zweite Album unseres FM4 Artist of the Weeks Mura Masa

Auf seinem neuen Album „R.Y.C.“ (Raw Youth Collage) vereint das britische Produzenten-Wunderkind Alex Crossan alias Mura Masa wieder glamouröse Gast-Vokalist*Innen von Clairo bis Slowthai und Tirzah. Durchwachsene Platte, selbstbewusstes Statement: Genregrenzen waren vorgestern. Unser FM4 Artist of the Week.

Von Katharina Seidler

„Mein Lieblingswort ist ‚Joy‘,“ verkündet Alex Crossan an einem heißen Sommertag im Backstage des Budapester Sziget Festivals. „Es ist kurz und angenehm auszusprechen. Und es bedeutet etwas Schönes. Man wird gleich froh, wenn man daran denkt.“ Der junge Brite sagt dies mit einem freundlichen Lächeln und deutet in der nächsten Sekunde auf das Viagra-Boys-T-Shirt der Interviewerin: „Ich liebe diese Band! Ihr Song ‚Sports‘ wird nun den Rest des Tages mein Ohrwurm sein.“

Sprach’s, schlenderte auf die Bühne und spielte gemeinsam mit seinem Co-Star, der Londoner Vokalistin Fliss, leichtfüßig das beste Set des Sziget-Wochenendes. Dass Alex Crossan aka Mura Masa sich mit dem schwedischen Post-Punk der Viagra Boys ebenso auskennt wie mit britischem Rap, mit karibischem Calypso wie mit Afrobeat, R’n’B, Mainstream-Pop und House, ist sein größter Vorteil, und die entspannte Art, in der sie alle für ihn gleichberechtigt miteinander existieren und verbunden werden können, sein auszeichnendes Alleinstellungsmerkmal als Produzent.

"R.Y.C." von Mura Masa Cover

Universal Music

„R.Y.C.“ von Mura Masa ist am 17.1.2020 via Universal Music erschienen

Als Mura Masa 2017 im Alter von gerade einmal 21 Jahren sein selbstbetiteltes Debütalbum herausbrachte, war es ein lautstarkes und selbstbewusstes Statement einer Generation, die für Musik-Expertise und Geschmacksbildung längst keinen Pop-Kanon und keine Plattensammlung der Eltern mehr braucht. Appreciaten statt appropriaten, so lautete in etwa das Credo, ein Ruf nach respektvoller Annäherung und nach dem Verstehen von Black Culture als Ursprung der wichtigsten Pop Culture von heute. Diesem Ruf des beinahe noch unbekannten Produzenten folgten bereits damals Größen wie Damon Albarn, Asap Rocky oder Christine & The Queens als prominente Gaststimmen.

Nun ist vor wenigen Tagen Mura Masas zweites Album erschienen. Es trägt den Titel „R.Y.C.“, eine Abkürzung für Raw Youth Collage, und ist nach einem ähnlichen Collage- bzw. Pastiche-Verfahren quer durch die Geschmacks- und Genrefelder gewirkt. Längst ist sein Name mittlerweile auf den Lineups der Festivals in Großbuchstaben geschrieben, selbst einen Grammy für den besten Remix hat er für seine Bearbeitung von „Walking Away“ von Haim gewonnen.

Mura Masa 2019

Universal Music

Das dadurch entstandene Selbstbewusstsein lässt Crossan für „R.Y.C.“ scheinbar mutige Entscheidungen treffen. Vorsichtig versucht er sich wie etwa beim Titeltrack und gleichzeitigen Album-Opener an einer Handvoll roherer Soundentwürfe, die das Schlafzimmer-mäßige seiner Anfangstage, wohl der „Raw Youth“ aus dem Albumtitel, betonen. Hip Hop spielt, im Gegensatz zu „Mura Masa“, dem Album, auf „R.Y.C.“ keine Rolle mehr, dafür holt Crossan vermehrt die Gitarre aus dem Kasten und stellt dahingezupfte Lo-Fi-Akkorde ohne Berührungsängste neben massentaugliche Megabeats. Auch in den Vocals bekommt das Unperfekte mehr Platz eingeräumt, wenn sich etwa Mura Masa selbst des Öfteren, wie in „No Hope Generation“, ans Mikro wagt.

Leider sind dies die schwächsten Momente auf einem, man muss es wohl sagen, an Schwächen nicht armen Album. Die uninspirierte - und einzige Melodien-Idee in „Teenage Headache Dreams“ rettet auch die coole Ellie Rowsell von Wolf Alice nicht, und selbst, wenn Songs wie etwa die Zusammenarbeit mit der Bedroom-Pop-Internetsensation Clairo zweifellos auf großen Festivalbühnen die Massen begeistern werden, sucht man auf „R.Y.C.“ einen Hit wie das mitreißende „Lovesick“ von Album Nummer 1 vergeblich. Ein simples Steeldrum-Motiv als monatelanger Sommer-Ohrwurm, da kommt auch die The Streets-Songkopie in Form von „Deal wiv it“ mit dem wundervollen Slowthai an den Vocals nicht heran.

Die Diversität und Wandelbarkeit, die Crossan in den vergangenen Jahren zu einem der leichtfüßigsten Pop-Zauberer der Gegenwart machten, stellt sich heute eher als unsichere Zerrissenheit dar. Zweifellos ist sie ein Abbild der turbulenten Zeiten, in denen wir leben, und in denen ein junger Künstler wie Mura Masa, noch dazu aus dem Brexit-gebeutelten Großbritannien, sich nicht mehr der puren Lebenslust und Tanz-Euphorie hingeben mag. Fair enough. Wenn auch bestimmt nicht als dezidierter Zeitkommentar gemeint, bleibt Album #2 gerade deshalb aber unangenehm unpolitisch. Als reiner Nostalgie-Safe-Space mit Anleihen an alles zwischen French House („Live like we’re dancing“) und Indie Rock („Vicarious Living“) funktioniert die Platte nur bedingt, sie ist aber vermutlich deshalb, als offenes Suchen und wackeliges Ausprobieren eines Grammygewinners, das Punkigste, was Mura Masa bisher gemacht hat. (Besser war allerdings dieser Punk-Moment.)

Auch wenn „R.Y.C.“ im direkten Vergleich zum Vorgänger-Album von Mura Masa verliert, ist es ein erfrischendes Statement eines Musikers, der Pop als kunterbunte und nach allen Enden offene Spielwiese begreift. Darauf austoben können sich Gast-Vokalist*Innen wie eben Clairo, Tirzah oder Georgia – und eben Alex Crossan selbst, als schüchterner Musik-Kurator in der Mitte, dessen Lieblingswort „Glück“ ist, und der die endlosen Möglichkeiten von Popmusik versteht und ausnützt wie nur wenige andere Produzenten.

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