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Kindermädchen aus "Servant" Serie

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SERIE

Psychologischer Schrecken: M. Night Shyamalans Mysteryserie „Servant“

Frei von jeglichen Splatter-Exzessen geht die großartige Streamingserie des Anbieters Apple TV+ dennoch unter die Haut.

Von Christian Fuchs

Horror ist auch im Streaming-Universum ein zentrales Thema, von „American Horror Story“ bis „The Walking Dead“. Es gibt Serien, die schocken mit verfaulten Leichen, diabolischen Serienmördern oder literweise Kunstblut. Und es gibt die beklemmende Grundstimmung in „Servant“, die einen bis in den Schlaf verfolgt, ganz ohne drastische visuelle Schockeffekte. Mysterymeister M. Night Shyamalan, der bei zwei Folgen auch Regie führt, setzt primär auf psychologischen Schrecken.

Ein Gourmetkoch und seine Fernsehreporter-Gattin leben in einem luxuriösen Haus in einem gediegenen Viertel in Philadelphia. Die Beziehung zwischen Sean und Dorothy ist schon etwas in Zynismus erstarrt, aber die Vorfreude auf das gemeinsame Baby eint das Paar. Als das Kind nach wenigen Monaten stirbt, verfällt die Frau in eine katatonische Starre.

Wie genau es zur verrücktesten Therapieform, die man sich vorstellen kann, gekommen ist, erfahren wir in „Servant“ erst in Rückblenden. Jedenfalls liegt bald nach der Katastrophe plötzlich eine realistische Gummipuppe in der leeren Wiege. Dorothy, beunruhigend gespielt von „Six Feet Under“ Star Lauren Ambrose, akzeptiert tatsächlich das befremdliche Ersatzkind. Sean und auch Dorothys Bruder scheinen hinter dem Experiment zu stehen.

Serie "Servant" Still

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Großes Kino für kleine Bildschirme

Die gruselige Idylle funktioniert aber nur bis zur Mitte der ersten Folge. Dann steht plötzlich ein seltsames junges Kindermädchen vor der Tür. Die naiv wirkende Leanne wurde schon vor dem Tod des kleinen Jericho angeheuert, spielt jetzt aber das gespenstische Spiel perfekt mit. Dass die Fremde aus der tiefsten Provinz auch mit der Gummipuppe spricht, wenn Dorothy nicht im Haus ist, zerrt gewaltig an den Nerven von Ehemann Sean. Und das alles ist erst der Anfang.

Hat man früher im Zusammenhang mit Serien das Wort „Kammerspiel“ gelesen, musste man bisweilen muffige Kulissen befürchten und die statische Atmosphäre eines Theaterstücks. In „Servant“ dagegen, wo wir in 10 halbstündigen Episoden kaum den edlen Wohnsitz des Bobo-Pärchens verlassen, wird das Haus zum unheimlichen Protagonisten. Wie die fantastische Kamera durch die diversen schummrig beleuchteten Räume gleitet, das ist großes Kino für kleine Bildschirme.

Überhaupt, vor allem im Kontrast zu anderen Horrorserien, erweist sich „Servant“ als ziemliches Wunderwerk. M. Night Shyamalan, der mit den weirden Superhelden-Hommagen „Split“ und „Glass“ zurecht ein Comeback feierte, orientiert sich zusammen mit Serienschöpfer Tony Basgallop an den besten Vorbildern. Die paranoiden Gruseldramen von Roman Polanski („Rosemary’s Baby“, „Repulsion“) kommen einem in den Sinn. Wenn Bilder und atonale Musik zusammen Gänsehaut evozieren, muss man auch an Ari Aster („Hereditary“) denken.

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Schlimmste Ängste und bissiger Humor

„Servant“ versteigt sich manchmal in vielen Sub-Plots, bedient die Furcht vor religiösen Spinnern ebenso wie die schlimmsten Ängste junger Familien. Aber bei aller Düsternis flackert auch ein bissiger Humor auf. Und zwar vor allem im Zusammenhang mit Seans Profession als Edel-Catering-Unternehmen. Das Kochen nimmt einen nicht geringen Teil der Serie ein, auf köstlich-eklige Weise parodieren Shyamalan und Basgallop dabei den Hype um Feinschmecker-Rezepte und Foodie-Wahn.

Toby Kebbell, unter anderem aus den „Planet of the Apes“ Filmen vertraut, könnte dabei als pseudo-philosophierender Hipster-Küchenchef nicht besser besetzt sein. Nell Tiger Free, die man vielleicht aus der bizarren NeoNoir-Serie „Too Old To Die Young“ kennt, verleiht dem Kindermädchen einen irritierenden Touch.

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Die größte schauspielerische Überraschung bietet aber Ron Wesley himself. Rupert Grint, eigentlich nach den Harry-Potter-Filmen abgehakt, überzeugt als Dorothys versoffener Bruder so sehr, dass man ihm passende Kinorollen wünscht. In einer weiteren „Servant“-Staffel wird er jedenfalls wieder dabei sein, die ist bereits in Auftrag gegeben. Dabei hallt auch das Ende nach Folge 10 nach. Am Schluss steht Verstörung, ein Ritual in einer nachtschwarzen Seitengasse, ein Blick in einen gähnenden Abgrund.

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