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KZ Gedenkstätte Gusen / Mauthausen

KZ-Gedenkstätte Mauthausen / Mauthausen Memorial

Warum das Erinnern an das KZ Gusen so schwerfällt

Wenn von Gedenkstätten in Österreich die Rede ist, steht das ehemalige KZ Mauthausen im Mittelpunkt. Bis heute erinnert nur wenig daran, dass unweit von dort ein weiteres KZ lag, das unter Überlebenden als „die Hölle aller Höllen“ galt.

Von Claudia Unterweger

Dass der Umgang mit der NS-Geschichte in Österreich immer noch umkämpft ist, zeigen die heftigen Auseinandersetzungen rund um einen Geschichteprofessor auf der Uni Wien. Studierende werfen ihm Nähe zu Rechtsextremismus und Holocaust-Leugnern sowie Verharmlosung der SS vor.

Das verschüttete Gedächtnis

Kaum öffentliche Beachtung findet das Gedenken bis heute an vielen Orten in Österreich, an denen massive NS-Verbrechen verübt wurden. Als Sinnbild einer Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus gilt üblicherweise das ehemalige KZ Mauthausen. Dabei befand sich nur wenige Kilometer von Mauthausen entfernt ab 1940 das NS-Lager Gusen, eine von mehr als vierzig(!) Außenstellen des KZ Mauthausen. Lange Zeit wurden im KZ Gusen mehr Menschen gefangen gehalten und getötet als im Hauptlager Mauthausen.

Zum internationalen Holocaust-Gedenktag erinnern Gedenkfeiern im ehemaligen KZ Auschwitz daran, dass heute vor 75 Jahren Soldaten der Roten Armee das NS-Vernichtungslager befreit haben.

In unterirdischen Stollen und im Steinbruch mussten die Gefangenen schwerste Zwangsarbeit verrichten: für den Flugzeughersteller Messerschmitt GmbH und für die Steyr-Daimler-Puch-AG, den größten Rüstungskonzern der „Ostmark“. Die Bedingungen in Gusen zählten zu den katastrophalsten aller Konzentrationslager. 36.000 Menschen überlebten hier die Qualen und ständigen Misshandlungen nicht.

Arbeit als Mittel der Vernichtung

Warum bis heute den in Gusen verübten NS-Verbrechen kaum öffentliches Interesse geschenkt wird, erklärt Historikerin Jutta Fuchshuber vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. „Nach der Befreiung durch die Alliierten 1945 wurde das Lager Gusen II fast vollständig geschliffen, die Holzbaracken wurden wegen Seuchengefahr durch US-Truppen niedergebrannt, unterirdische Stollen später von den Sowjets gesprengt.“

Bis heute gilt Gusen als „das unsichtbare Lager“. Nur wenige der Originalgebäude sind erhalten. Das Gelände wurde für den Bau einer Wohnsiedlung umgewidmet. Einige der noch vorhandenen ehemaligen SS-Gebäude und Häftlingsbaracken hat man zu Einfamilienhäusern umfunktioniert. Mit einem Audioguide lässt es sich heute durch die Wohnsiedlung gehen und erfahren, was auf diesem (doppelten) Boden geschehen ist. Aber braucht es für ein angemessenes Gedenken überhaupt die Erhaltung ehemaliger Konzentrationslager?

Überreste des KZ Gusen

APA/AFP/JOE KLAMAR

Nichts von dem damaligen Schrecken

Solche Orte könnten nichts von dem Schrecken und der Gewalt wiedergeben, die sie damals bedeutet hätten, meint die Schriftstellerin und Shoah-Überlebende Ruth Klüger. Beim Besuch im ehemaligen KZ gehe es oft um Sensationslust, Touristenneugier und sentimentale Selbstgerechtigkeit, warnt Klüger.

Für eine Erhaltung dieser Orte als Mahnmal spricht sich hingegen die Historikerin Jutta Fuchshuber aus. „Aber nur der Besuch eines ehemaligen KZs reicht nicht. Es braucht eine gute Vor- und Nachbereitung, vor allem für Schüler*innen. Die Gräueltaten werden bis zu einem gewissen Grad vermittelt. So etwas löst Emotionen aus.“

Offizielles Gedenken nur auf Nachdruck hin

Die Sache mit dem offiziellen Gedenken war selbst in Mauthausen nicht so einfach. Nur auf Druck der Sowjets richtete Österreich 1949 eine Gedenkstätte ein, sagt Fuchshuber: „Was, wenn es diesen Druck nicht gegeben hätte? Hätte Österreich das Mahnmal Mauthausen eingerichtet oder die noch vorhandenen Überreste des Lagers zerstört?“

In Gusen, einem der größten Außenlager, gab es den Druck der Alliierten nicht. Dort waren es Überlebende des KZ-Terrors, die selbst eine inoffizielle Gedenkstätte begründeten - und aus eigener Tasche bezahlten. „In Gusen haben ehemalige Opfer ein Denkmal rund um den verbliebenen Krematoriumsofen errichtet. Später haben die Überlebenden dann dieses Grundstück der Gemeinde geschenkt, mit der Auflage, dass das Denkmal bleiben muss. Erst 2004 wurde dort ein Besucherzentrum eingerichtet.“

Gusen Memorial

APA/AFP/JOE KLAMAR

Wohnen neben dem ehemaligen Krematoriumsofen

Aber es hat nicht nur etwas mit dem Verdrängen zu tun, dass ehemalige KZ-Außenlager einfach „verschwanden“, erklärt Jutta Fuchshuber. „Viele Lager sind demontiert und geplündert worden, weil die Bevölkerung die Rohstoffe gebraucht hat.“ In Gusen wurde das ehemalige KZ-Gelände als Baugrund für Wohnungen genutzt. „Es herrschte Wohnungsnot, das waren billige Grundstücke.“

Neben der Internationalen Befreiungsfeier in der Gedenkstätte Mauthausen am 5. Mai gibt es auch beim Memorial Gusen am 9. Mai eine Gedenkfeier des Mauthausen Komitees. Anfang Mai werden auch Führungen durch den Stollen angeboten.

Dass das KZ Gusen offiziell lange kaum Beachtung fand, hat auch damit zu tun, dass erst in den 1980er Jahren die Geschichte der KZ-Außenlager aufgearbeitet wurde, erklärt Fuchshuber. Und erst mit der Diskussion über die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter*innen in den 2000er-Jahren wurde Zwangsarbeit auch offiziell stärker zum Thema.

Seit kurzem kommt Bewegung in die Debatte über eine angemessene Gedenkstätte in Gusen. Im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen werden „Ankauf und Weiterentwicklung der Gedenkstätte KZ Mauthausen-Gusen“ angekündigt. Auch einige der Privateigentümer ehemaliger KZ-Gebäude in Gusen wollen nun die Objekte an die Republik verkaufen. Historikerin Fuchshuber begrüßt diese Entwicklung: „Die Regierung zeigt damit, dass ihr die Aufarbeitung der NS-Geschichte von Gusen wichtig ist. Wenn man solche Überreste in eine Gedenkstätte integrieren kann, finde ich das als Historikerin gut.“

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