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„Circles“ ist der emotionale Epilog von Mac Millers musikalischem Vermächtnis

Alben, die nach dem Tod von Künstler*innen veröffentlicht werden, stehen meist gespaltenen Meinungen gegenüber. Die jüngste posthume Platte des 2018 verstorbenen Mac Miller hat die heiße Diskussion wieder angefacht.

Von Alica Ouschan

Am 8. Januar taucht plötzlich völlig überraschen ein Post auf dem Instagram von Mac Millers auf, der erste Post seitdem er im September 2018 im Alter von nur 26 Jahren an einer Überdosis starb. Es ist seine Familie, die zu den Fans spricht und das erste und letzte posthume Mac Miller Album für 17. Jänner ankündigt.

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Circles. January 17.

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Diese Ankündigung ist für viele Fans Grund zur Freude, sie wirft aber gleichzeitig Fragen auf. Es sind jene Streitpunkte, die in der Diskussion rund um die Angemessenheit und den Sinn posthumer Releases auf der Hand liegen: Was ist die Absicht, ein Album unter dem Namen eines verstorbenen Künstlers zu veröffentlichen? Wird damit das plötzliche Ende seiner Musikgeschichte abgerundet? Ist es im Sinne der Person? Geht’s nur um den Profit? Und ist es überhaupt noch deren Musik?

Bisher erschienene posthume Alben – zuletzt von Lil Peep und XXXTentacion – zeigen, dass diese Bedenken nicht unbegründet sind. Darüber zu urteilen, ob Releases nach dem Tod per se etwas Gutes oder Schlechtes sind, funktioniert schlichtweg nicht – bei näherer Betrachtung kommt es immer auf den Kontext an, der sich mithilfe genau dieser Fragen abbilden lässt.

„Swimming in Circles“ als Konzept

Dass posthume Musik nämlich durchaus ihre Berechtigung hat und einen wunderschönen Abschluss eines künstlerischen Vermächtnisses sein kann, zeigt das jüngste Beispiel. „Circles“ wurde als Fortsetzung von Mac Millers fünften Album „Swimming“ fast zeitgleich aufgenommen und war zum Zeitpunkt seines Tods bereits so gut wie fertig. Beim Hören ist genau das zu erkennen, was seine Familie bereits in ihrem Statement schreibt: Die beiden Alben sind eine zweiteilige Geschichte, zwei unterschiedliche Stile, die sich ergänzen.

Es reicht schon, ein bisschen genauer hinzuhören, um diese Verbindung zu erkennen. Im letzten Track auf „Swimming“ heißt es: „My God, it go on and on, just like a circle I go back to where I‘m from” (So it goes/Swimming). Produzent Jon Bion, der an der Entstehung von „Swimming“ maßgeblich beteiligt war erzählt, dass „Circles“ beinahe zeitgleich entstanden ist und es kein ausgeklügeltes Konzept gab, die beiden Alben aber eine klar erkennbare Verbindung aufweisen sollten.

Höhenflüge und Tiefpunkte

Dabei ist „Circles“ der emotionalere, persönlichere Teil der Geschichte, die nachdenkliche Afterhour zu „Swimming“. Zuerst der glückliche Höhenflug, dann das ernüchternde Runterkommen. In einem Interview mit dem vulture Magazine, kurz vor seinem Tod sagte Mac Miller: „I really wouldn’t want just happiness. And I don’t want just sadness either. I don’t want to be depressed. I want to be able to have good days and bad days.“ Höhen und Tiefen, die sich gegenseitig ergänzen – Die Kombination aus „Swimming“ und „Circles“ ist Mac Millers Lebensgeschichte, musikalisch vertont.

Er zeigt sich auch auf diesem Album, wie schon oft von einer ganz neuen Seite: verletzlich, ein bisschen schwermütig und sehr melancholisch. Teilweise klingt es fast so, als hätte er eine Vorahnung gehabt, welchen Zweck „Circles“ erfüllen wird. Die erste Zeile auf dem Album lautet „Well, this is what it looks like right before the fall” (Circles) und ist ein erneutes Indiz dafür, dass Mac Miller sich seines risikoreichen Lebensstils und seiner Probleme durchaus bewusst war.

„I hopin‘ not to join the 27 Club”

Zu Lebzeiten zeigte er sich überraschend reflektiert. Oft gab es Anzeichen dafür, dass er den Entschluss gefasst hatte, den Umgang mit seinem Drogenkonsum – aus dem er nie ein Geheimnis gemacht hatte – zu ändern. In der 2016 erschienenen Dokumentation „Stopped Making Excuses“ und in vielen seiner Songs redet Mac Miller ganz offen darüber. „To everyone who sell me drugs, don’t mix it with that bullshit I hopin’ not to join the 27 club” lautet eine Zeile aus “Brand Name” vom etwas älteren Album „GO:OD AM“, unwissend, dass er kein Teil des Club 27 werden würde, weil er bereits mit 26 starb.

Damals war „Swimming“ gerade erst draußen, Mac Miller stand kurz vor einer Welttournee. Sein Tod war das plötzliche Ende einer Geschichte, die noch lange nicht zu Ende erzählt war. Jetzt haben seine Familie und sein Produzent sich dazu entschieden, den bereits geschriebenen Epilog mit der Öffentlichkeit zu teilen – weil Malcom es so gewollt hätte.

Es ist sein Werk, beinahe unverändert. Der gesamte Profit der Platte kommt einer Stiftung zugute, die Nachwuchsmusiker*innen fördert. Der Release war im Sinne seiner Familie, die Fertigstellung der Platte geschah durch Jon Bion, der Person, die Mac Miller musikalisch am nächsten stand.

Genau unter diesen Umständen können posthume Alben existieren, die das offene Ende einer unvollkommenen Musikgeschichte gebührend abschließen. „Circles“ ist ein bittersüßes Hörerlebnis für alle Mac Miller Fans, ein ungeplantes, aber hochklassiges Abschiedswerk.

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