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Okay Kaya: Von Geister-Penissen und anderen Körperlichkeiten

Vollgeblutete Pyjamas, ein Aufenthalt in der Psychiatrie und ein Barber-Shop-Quartett als klangliches Vorbild: Okay Kaya liefert mit ihrem zweiten Album den skandinavischen Soundtrack zum Winterblues.

von Michaela Pichler

Seit zwei Jahren gibt es in der skandinavischen Singer-Songwriter-Szene ein neues Gesicht: Okay Wilkins ist eigentlich Model und Schauspielerin, als Okay Kaya produziert die Norwegerin in Eigenregie Popsongs zwischen Mut zur Reduktion und großer Stimmen-Vielfalt.

Als Teenager hat sie in einer Black Metal Band gespielt, ihr Soloprojekt hört sich aber ganz anders an, wie sie letztes Jahr mit dem sehr zu empfehlenden Cher-Cover „Believe“ bewiesen hat. Schwebende Lo-Fi-Synthesizer untermalen darauf Okay Kayas Stimme, die minimalistisch vom Leben nach dem Lieben singt, was um einiges ehrlicher klingt als die 90er-Jahre-Interpretation der Pop-Ikone herself.

An dieses Klangkonzept knüpft die Norwegerin nun mit ihrem zweiten Album „Watch This Liquid Pour Itself“ an. Ein ziemlich poetischer Albumtitel, der sich auch auf die Entstehung der 15 Songs bezieht. Die seien der Künstlerin nämlich nur so aus ihrem Mund geflossen - quasi fast wie von selbst. Passend dazu ist Okay Kaya außerdem über ein Youtube-Video mit einem ganz ähnlichen Titel gestolpert: Im Video sieht man den chemischen Stoff Polyethylenglyco, der sich aufgrund seines hochmolekularen Gewichts selbst aus einem Glas gießt – er kriecht quasi ganz von allein heraus. „I really connected with this, with the thought of spilling the songs out”, erzählt Okay Kaya im Interview mit FM4-Redakteurin Susi Ondrušová.

Okay Kaya

Okay Kaya

„Watch this Liquid Pour Itself“ von Okay Kaya ist am 24. Januar 2020 auf dem Indie-Label Jagjaguwar erschienen.

Auf dem Album gibt es aber noch weitere Kuriositäten. Wie schält man zum Beispiel eine Orange in der Psychiatrie? Okay Kaya beantwortet diese Frage auf ihrem aktuellen Album. Grundbausteine für die Songs sind Alltags-Beobachtungen, clevere Wortspiele oder auch Erfahrungen, die die Wahl-New-Yorkerin in ihren bisherigen 30 Jahren selbst erlebt hat.

Wie im Indie-Pop induzierten „Psych Ward“, in dem Okay Kaya Eindrücke von ihrem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik schildert. „Everybody’s wearing those light blue scrubs / In the psych ward / Congregating up and down corridors / In the psych ward / Do the rounds“.

Passend dazu macht die Solokünstlerin im Musikvideo in Krankenhauskluft mit anderen Patient*innen Gymnastik. Regie geführt hat Adinah Dancyger, mit der Okay Kaya auch schon für ihr Debütalbum „Both“ 2018 zusammen gearbeitet hat.

Wenn die Künstlerin in ihren Songs nicht gerade Kreise in der Psychiatrie zieht, zieht es Okay Kaya ab und zu auch auf die Tanzfläche der 1970er Jahre: Der Track „Mother Natures Bitch“ klingt wie eine Hommage an Grace Jones. Den Ursprung hat der Song allerdings in einem wesentlich naturbelasseneren Umfeld als in einer vollgeschwitzten Disco: „I wrote it last October, when I was hiking up a mountain in Norway. I was really healthy at that time and was walking eight miles a day and when I reached the top of the mountain, my body was aching so much, but it felt so good!”, erzählt Okay Kaya im Interview. „And that’s like where ‚Mother Nature’s Bitch‘ came from!“

Von Geister-Penissen und anderen Körperlichkeiten

Auf dem Album hat auch die Muttersprache der Künstlerin Platz: Zum Beispiel auf „Helsevesen“ - auf Norwegisch heißt das zwar „Gesundheitsvorsorge“, Okay Kaya erzählt darin allerdings von etwas ganz anderem: Nämlich von diesen einen Alltags-Moment, wenn man in seinem Lieblingspyjama aufwacht und ihn dank seiner Periode in der Nacht voll geblutet hat. Nicht nur Körperflüssigkeiten spielen auf Okay Kayas Longplayer eine Rolle, auch andere Körperlichkeiten besingt sie, auch wenn sie eher surrealer Natur sind: wie zum Beispiel ihr Geister-Penis, den sie im Dance-Hit „Asexueal Wellbeing“ thematisiert: „Sometimes I rub my ghost dick, until I can almost see it.“

Okay Kaya nutzt ihre Stimme auf dem Album innerhalb eines breiten Spektrums. Sphärische Kopfstimmen-Chöre und eine dunkle Alt-Stimme werden mit Lo-Fi-Synthesizern und gezupfter E-Gitarre begleitet. Das Singen war für die Künstlerin als Teenager wie eine Therapie: „I had a little bit of a stutter when I was like 14 years old and someone told me that singing helps and that kind of saved me!“ Im letzten Track des Albums „Zero Interaction Ramen Bar“ kommt die Stimme dank klanglicher Manipulation á la Planningtorock und einem A-Capella-Chor besonders zum Einsatz. Eigentlich wollte Okay Kaya dafür ein eigenes Barber-Shop-Quartett anheuern, am Ende ging ihr während der Produktion allerdings das Geld aus und sie musste schließlich alle Stimmen selbst singen. Hört man sich das Album an, wird die Experimentierfreudigkeit mit der eigenen Stimme deutlich erkennbar, die Okay Kaya in ihrer Produktion an den Tag legt. Sie selbst definiert sich aber nicht primär als Sängerin: „I’m more a singer-songwriter than a singer. You don’t wanna hire me to sing in your wedding band!“ (lacht)

Introspektives Kopfhörer-Album

„Watch This Liquid Pour Itself“ lässt Raum für ruhige Momente – das schafft Zerbrechlichkeit und Intimität, für die Okay Kaya auch schon auf ihrem Debüt gefeiert wurde. Mit ihrem zweiten Album erschafft sie nun ein Poutpourri aus 15 skandinavischen Lullabys, die mal fragiler, mal tänzerischer den Soundtrack zum Winterblues liefern.

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