FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

SPÖ-Spitzenkanditat Hans-Peter Doskozil nach den Landtagswahlen im Burgenland am Sonntag, 26. Jänner 2020, im Landhaus im Burgenland

APA/HERBERT P. OCZERET

Blumenaus 20er-Journal

Dosko, lechts, rinks, Elite, Klasse...

Wie die österreichische Sozialdemokratie jetzt zu ihren (klassenbewussten) Ursprüngen zurückfinden kann.

Von Martin Blumenau

Es ist zwar nur das Burgenland, aber die SPÖ lebt. Und zwar, so sieht es das aktuelle Narrativ der Medien (das durchaus im Sinne der politischen Mitbewerber verfasst ist, eher im Gegensatz zum sonstigen Medienalltag, der gerne auch vorgegebenen Spins folgt) vor, weil der Doskozil-Kurs links um den Neusiedler-See herum ein rechter sei.

Das ist jedoch ein doppelter Unfug.

Zum einen, weil die mit zwar klaren, aber nie abwertenden oder gar rassistischen Sicherheits-Sprüchen angereicherte sozialpolitisch durchaus radikale Linie nicht rechts ist, sondern sich den alten sozialistischen Weg durch ein pragmatisches Mehrheitsgefühl der unteren Schichten bahnt, also dort daheim ist, wo das linke Herz ursprünglich schlug.

Zum anderen, weil dieser Kurs rein gar nichts Neues unter der sozialdemokratischen Sonne ist, ehe er als ein mit nationalistischen Untertönen angereicherter „Unser Geld für unsre Leut!“-Diktum (das sich mit der internationalen Solidarität mit den Unterjochten der Erde durchaus vereinen lässt) von rechten Populisten kopiert und zum Erfolgsmodell hochgejazzt wurde.

Mit dem Strich streicheln

Der Dosko-Kurs streichelt das Wahlvolk nicht gegen, sondern mit dem Strich; er ist keine Frage der Ideologie, sondern einer der Klasse.

In diesem Kontext sind auch die ständigen Sager gegen die Elite zu verstehen, wiewohl ja eigentlich so etwas wie eine linke Elite per se nicht (oder selten) existiert. Wer mit klaren Startvorteilen (ab Oberschicht-Herkunft) zur Welt kommt (in Österreich am besten als unbesteuerbarer Erbe) wird in den allerseltensten Fällen für das wesentliche sozialistische Prinzip der Umverteilung sein - es sei denn, es hat sich so etwas wie ein Partei-Adel gebildet. Klar (wie als Ärztin oder Manager) erkennbare soziale Aufsteiger wie Rendi-Wagner oder Kern als Elite zu benennen, ist zwar im Wortsinn/kern richtig, die mittransportierte Botschaft (Großkopferte, die sich’s richten) konkurrenziert jedoch mit einem ganz anderen klassischen SP-Narrativ, der Geschichte vom jeder/m möglichen Aufstieg.

In dieser Ambivalenz lebt die sozialistische/sozialdemokratische Partei seit Viktor Adler - und es wird nur dann ein Problem, wenn sich die zentralen Inhalte von der klassischen Klassen-Forderungen wegentwickeln und ins Diffuse diffundieren, wie es in diesem Jahrhundert schon allzu oft (und unter einigen Vorsitzenden auch ohne Lust am spürbaren Dementi) der Fall war. Eine Lücke, in die die neue Arbeiterpartei, als die sich die FPÖ demoskopisch (zumindest teilweise) durchaus zurecht sehen darf, hineinstoßen konnte.

Diese Lücke mit Eliten-Themen, also weicheren, gesellschaftspolitisch-kulturell relevanten Stimmungs- und Richtungs-Debatten, wieder zu schließen, ist und bleibt keine Idee, die der Sozialdemokratie nützt - das können Grüne oder Neos (und auch die ÖVP) deutlich glaubhafter. Die Rückkehr zu den harten Themen, einer sozial- und steuerpolitisch forschen Praxis, deren Vorteile die Menschen, die es angeht, schnell spüren - das geht schon besser. Vor allem dann, wenn man (wie im Burgenland) regiert; wovon auch die Wiener SPÖ profitiert (die, meine Einschätzung, weit weniger gefährdet ist als aktuell alle Meinungsmacher so vor sich hin meinen).

Die Bundes-SPÖ, die auf einen historischen Tiefststand gerutscht ist (der von dem der SPD nebenan gefährlich geechot wird), muss sich als Opposition im Konjunktiv, im Raum der Möglichkeiten, behaupten. Deutlich schwieriger, nur mit mehr Kante machbar, Stichworte: Mindestlohn, Erbschaftssteuer, Reichensteuer etc.

Wenn der Nebenschauplatz Sicherheitspolitik (im Burgenland, immerhin Grenzregion Nummer 1, war das wahlkampftechnisch kaum Thema oder Motiv) mit einer ausrechenbaren, restriktiv gehandhabten, aber im Tonfall sachlich bis bemühten Migrations-Politik und konstruktiven Integrations-Ansätzen daherkommt, dann kann sich die SPÖ wieder in eine Volkspartei zurückverwandeln. Auch auf die Gefahr hin, hier den lauten (aber zahlenmäßig schmalen) Teil des Bürgertums, das sich selber als eher links definiert, zu verlieren.

Die Frage wäre nämlich: An wen denn? Solange die Grünen das Regierungsprogramm mittragen müssen und die Neos keinen Schwenk machen, gibt es keine Alternative. Deswegen kann Doskozil, der Kanzler-Kandidat für 2024, diese Klientel so leichtfertig vor den Kopf stoßen. Solange die SPÖ tatsächlich klassenbewusste Politik für die unteren Schichten macht, die sich noch jenseits stramm nationaler Gesinnung aufhalten, werden auch die „Eliten“ weiter mitmüssen.

Das Stückchen des Weges, das ihnen 1970 von Bruno Kreisky abverlangt wurde, könnte so für immer dauern.

PS:
Um Werbung für einen großartigen Kollegen zu machen - die beste innenpolitische Analyse findet sich immer hier bei Stefan Kappacher, der auch das famose Ö1-Medien-Magazin doublecheck mitverantwortet.

Aktuell: