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Das Buch "Der Hund"

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In „Der Hund“ geht es vom Dönerstand ins Haubenlokal

Der Regisseur Akiz erzählt in seinem Debüt die Geschichte eines Außenseiters und Genies, das die Welt der Sterne-Restaurants durcheinanderbringt.

Von Felix Diewald

Es gibt fünf Geschmäcker. Süß, sauer, salzig, bitter und umami. Nicht aber für den Waisenjungen, den alle nur „der Hund“ nennen. Er kann ALLES schmecken. Denn der Hund ist angeblich in einem bosnischen Keller aufgewachsen. Seine einzige Verbindung zur Außenwelt: Das Essen, das ihm durch eine Luke gereicht wurde.

„Angeblich konnte er schmecken, ob die Kartoffeln in der Nähe einer Autobahn geerntet wurden, oder ob das Fleisch von einem Tier stammte, das schmerzlos oder qualvoll hingerichtet wurde. Oder wer das Essen gekocht hat. Ob es ein Mann oder eine Frau war. Ob sie sich vorher die Hände gewaschen hatte, ob sie ihre Tage oder vor Kurzem noch Sex gehabt hatte.“

Erzählt wird die Story von einem Typen, der gerade in einem Berliner Dönerstand arbeitet, aber definitiv schon höhere Küchen von innen gesehen hat. Bei ihm beginnt der Hund als Aushilfe. Als der Hund spontan ein Gericht aus angebratenem Tabak und halb verbrannten in Wodka getränkten Brotkrümeln zubereitet, ist es um den Erzähler geschehen, so gut ist die Kreation. Im Anschluss stehlen die beiden seltene Singvögel und bieten diese dem Chef des Edel-Restaurant El Cion gegenüber vom Dönerstand an - und werden in der Küche angeheuert.

An den besten Stellen stehst du selbst in der Küche

Das Buch bedient sich einer kräftigen, brutalen, sinnlichen, sehr beschreibenden Sprache. An den besten Stellen stehst du selbst in der Küche des El Cion. Und die vielen Metaphern und Vergleiche sind ein Taschenfeuerwerk voll kurzer Abbieger in starke Sprachbilder. Wenn es weniger gut funktioniert fühlst du dich, als wärst du in einem Drehbuch und auf einer langen Kamerafahrt, die möglichst viel einfangen will (Die Erstfassung des Buchs war auch ein Drehbuch, Anm.).

Der Autor von „Der Hund“, Akiz, mit bürgerlichem Namen Achim Bornhak, ist Künstler, Maler, Bilderhauer und bisher vor allem als Regisseur und Drehbuchautor (ua. „Das wilde Leben“, „Der Nachtmahr“) in Erscheinung getreten. „Der Hund“ ist sein erster Roman. Die Idee zu dem Buch kam ihm, als er in den 1990ern als Werbe- und Dokumentarfilmer in Los Angeles lebte und viel Zeit in der Küche eines Edelrestaurants verbrachte, in dem einer seiner Freunde arbeitete. Später jobbte Akiz selbst in einem Restaurant, um den Umgangston und die Handgriffe wirklich im Detail studieren zu können.

Fly wie Ikarus

Der Hund wird schnell zum Star im Restaurant und in ganz Berlin. Und hält mit immer minimalistischeren Kreationen der Restaurant-Welt den Spiegel und den Fakt vor, dass es dabei gar nicht um den Geschmack des Essens geht. Irgendwann übertrifft der Hund auch seinen Meister. Das das nicht gut gehen kann, ist klar. Alles gipfelt im allerletzten Gericht, das der Hund auftischt. Es ist gleichzeitig das Einfachste der Welt. Und alle reißen sich drum.

Die große Stärke von „Der Hund“: Wie das Leben der Menschen beschrieben wird, die sich diesen brutalen Job in den gehobenen Küchen geben. Der Alltag der Küchenbrigade zwischen Aufputschpulver am Klo, schnell am Gang reingewürgten Essensresten und von unruhigen Nächten zerriebenen Backenzähnen ist vor allem eines: Glaubhaft.

„Wir arbeiten, wir essen, wir trinken, und wir vögeln hier in der Küche. Hier leben wir. Hier ist unser Zuhause. Das andere Zuhause ist kein Zuhause. Das ist nur ein Zimmer, ein Verschlag, eine Ausnüchterungszelle mit einer fleckigen Matratze auf dem Boden, auf der wir versuchen zu schlafen oder nach einer Ohnmacht wieder zu Kräften zu kommen.“

Und abends wäscht der Geschirrspüler den langen Arbeitstag weg.

Authentisches Portrait

Regisseur und Drehbuchautor Akiz erzählt in „der Hund“ die Geschichte eines Außenseiters und Genies, das mit seinem außergewöhnlichem Geschmackssinn die Welt der Hauben-Restaurants aufmischt. „Der Hund“ ist ein authentisches Portrait. Es zeigt, wie es in der Küche eines sogenannten Gourmet-Tempels wirklich zugeht. Und, dass es immer ein neues, gehyptes Top-Restaurant in der Stadt geben wird, in dem grad alle Tische ausgebucht sind.

„Der Hund“ von Akiz (192 S.) ist am 27. Jänner 2020 bei hanserblau erschienen.

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