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Blumenaus 20er-Journal

Notwendige Richtigstellung

Warum man sein Mütchen auch nicht an Red Bull kühlen sollte; und wieso die Richtigstellung falscher Berichterstattung ein zentraler Teil von Journalismus sein muss.

Von Martin Blumenau

Ich mag Red Bull nicht. Schmeckt grauslich und pusht außerdem nicht einmal wirklich. Aber ich mag auch keine Gummibärli und Fizzers und Tuttifruttis. Ich hab auch meine Probleme mit Red Bull Media (wegen der politisch allzu radikalen Schlagseite) oder mit Red Bull Music (wiewohl sich da Partnerschaften oft nicht vermeiden lassen) und mit den Sport-Aktivitäten, die gern in bestehende Öko-Systeme hineinfahren wie der Borkenkäfer in den österreichischen Wald.

Ich habe also durchaus Verständnis für (teilweise drastische) Fan-Proteste gegen Red Bull, die sich weniger im Winter- oder Motorsport oder im Eishockey manifestieren, sondern fast ausschließlich im Fußball. Was viel über die Wehrhaftigkeit und moralische Integrität von Fußball-Fans bzw Ultra-Gruppen aussagt - und nebenbei eine Menge über bereits totgebrandete Sportbereiche. Und weil die Eingriffe, die RB da vornimmt, durchaus dramatisch-disruptive sind, müssen sie auch mit Kritik jenseits von diversen Gürtellinien leben, „das muss man aushalten“.

Trotzdem steht auch Red Bull sowohl die Unschuldsvermutung, als auch der Wahrheitsbeweis zu. Dass weder das eine noch das andere funktioniert, zeigte sich letzte Woche.

Da platzte die Meldung, dass Red Bull sein Fußball-Imperium nach Basen in Österreich (Salzburg), Deutschland (Leipzig, wo man gerne gut frisiert ist), USA (New York), Brasilien (zuletzt Bragantino) und einst Ghana jetzt auch nach Dänemark erweitern und den in Not geratenen Traditionsklub Brøndby Kopenhagen aufkaufen werde, in die timelines. Die darauf einsetzende Erregungs-Spirale durchzog die Fußball-Foren des Kontinents und kulminierte in wilden Protesten im Dortmunder Stadion.

Ende letzter Woche war dann nach Dänemark auch schon Russland (Spartak Moskau) dran, auch wenn die Geschichte dazu bereits den Hinweis auf eine Gegen-Recherche (Fazit: stimmt nicht) enthielt. Weil dann, wenn die Gerüchte-Schleusen offen sind, eh schon völlig egal ist.

Gestern nun ist auf der womöglich einzigen seriösen deutschen Fußball-site 11Freunde ein aufklärender Text erschienen, der erzählt, warum nach der „Wahnsinn! RB nimmt uns den Fußball weg!“-Aufregung der Woche davor plötzlich keine Meldungen mehr nachgekommen waren. Weil’s nicht gestimmt hatte.

Fakt ist, und das lässt sich durch ein kurzes Hineinscannen in dänische Medien (nein ich kann kein dänisch, aber ein Übersetzer ist schnell zu finden) verifizieren, dass der verzweifelte Bröndby-Chef Jan Bech Andersen nach einer (sofort per Schimmelbrief abgelehnten) Anfrage nach einer Minderheits-Beteilung des österreichischen Mega-Konzerns (Geld reinbuttern, nicht mitreden können - das macht RB nicht) die Tatsache des Kontakts durchsickern ließ und sich durch die (erwartbaren) Panik-Reaktionen die Aufmerksamkeit von Medien und Öffentlichkeit zu sichern um vielleicht so einen Retter (vor dem „Retter“) zu lukrieren.

Mit anderen Worten: er hat mit der Blödheit und Schlechtigkeit der Mainstream-Medien gerechnet und sie gnadenlos instrumenrätalisiert, indem er die Gerüchte lange nicht dementierte. Mitkalkuliert ist/war da auch die berüchtigt destruktive Medien-Arbeit des Konzerns, als bewusst träge und auskunftsmuffig bekannt. So konnte das Gerücht ordentlich hochkochen, ehe dann die nur noch in hinteren Nebensätzen bedachten Dementis kamen.

Bloß: waren die irgendwo zu lesen? Von derselben Größe und Grelligkeit der ursprünglichen Skandal-Stories gar nicht erst zu reden. Bis auf die verlässlichen 11Freunde nirgendwo.

Und das ist die nächste Absurdität: denn eigentlich ist dieses Knallchargen-Theater der perfekte Anlass für eine Medien-Geschichte, die gleich mehrere im Argen liegende Strukturen aufdeckt, sich also ideal für ein (im Zeitalter von fake news durchaus kritisches) interessiertes Publikum eignet. Noch dazu, wo man sich selber damit vom (agenturbasierten) Einheits-Brei der Konkurrenz absetzen könnte.

Leider berichten Medien immer noch ungern über Stories, in denen sie selber zum Spielball der Interessen wurden; aus einem falschen Selbstbild heraus, das Selbstkritik immer noch mit Scham besetzt, anstatt offensiv damit zuzugehen(same mit dem blödsinnigen Diktum von Objektivität). Die vorliegende Geschichte ist spannend wie ein Krimi und zeigt wie (nicht nur) in dieser Branche instrumentalisiert und gelogen wird, wie schnell Menschen auf einer Faktenbasis von zero aufzuhetzen sind und ist auch jenseits einer (meist eh ergebnislosen) Anfrage an die RB-Medienstelle recherchierbar.

Letztlich ein aufgelegter Elfer. Aber wahrscheinlich war die Geschichte auch überall geplant und ist nur wegen der Flitzerin beim Schladminger Nachtslalom rausgefallen...

PS:
Nur weil ich die Missverständnisse schon antizipiere: die sehr freundlichen Medienstellen von etwa RB Salzburg oder Liefering sind nicht mitgemeint. Getragen ist die Medien-Arbeit des Konzerns aber durch eine Stimmung der Angst, die nicht zuletzt durch die Gleichung des Chefs (ein Journalist = zwei Kniescheiben) selbst bei Menschen, die sich nicht einmal über Freunde äußern wollen, die bei RB in Beschäftigung stehen, greift.

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