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Wolf Parade

Astrid Lyre

Wolf Parade und ihr neues Album „Thin Mind“ treffen den Zeitgeist

Die kanadische Band Wolf Parade wurde vor fünfzehn Jahren mit einem starken Debütalbum bekannt. Es folgten weitere, solide Platten, die aber immer ein wenig im Schatten der ersten standen. Mit „Thin Mind“ trifft die Band jetzt wieder richtig den Nagel auf den Kopf.

Von Eva Umbauer

„‚Thin Mind‘ refers to the way that being around too much tech has made our focus thin“, so Wolf Parade über den Titel von ihrem neuen Album. Die neuen Songs von Wolf Parade gehen direkt in das Ohr, in das Herz und in das Hirn. Ein Song wie „Forest Green“ etwa, in dem es um das Überleben geht, nicht nur im sprichwörtlichen Sinn. Es geht um die Umwelt und den Verbau von Land - Land, das gestohlen wurde, wie Wolf Parade singen, nämlich den Ureinwohnern Kanadas.

„Forest Green“ - mit Zeilen wie „Farewell to Forest Green, no more oasis in the anthropocene“ ist ein feuriger Protestsong, ein Song zum gegenwärtigen Zeitalter, wo der Mensch zu einem der größten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Klimaerwärmung, Plastik im Meer, etc. - der Einfluss des Menschen auf den Planeten ist groß, dass unser gegenwärtiges Erdzeitalter nach dem Menschen benannt ist: Anthropozän - das menschgemachte Zeitalter.

Ein Song wie „Forest Green“ kommt scharf wie ein frisch geschliffenes Messer daher, und das tun auch die meisten weiteren Stücke auf „Thin Mind“. Dabei sah alles ein wenig mühsam aus, nachdem die Band nach fünfjähriger Pause schliesslich 2016 wieder zusammengekommen war, um erst ein Mini-Album zu machen und dann einen kompletten Longplayer namens „Cry Cry Cry“. Da passte noch alles, aber dann wurden Wolf Parade schon wieder zurückgeworfen. Dante DeCaro - früher bei der kanadischen Band Hot Hot Heat - stieg aus. Er war nach dem Debütalbum von Wolf Parade als zweiter Gitarrist zur Band dazugestoßen.

Wieder zurück zur Gang Of Three

Nachdem die Reunion von Wolf Parade also recht gut gelaufen war, war Dante DeCaro dann wieder weg, die Gitarre und den Bass nahm er mit, und alle Geräte für diverse musikalische Spielereien. Also gingen Wolf Parade back to basics, wieder zurück zum kompakten Trio, das sie früher waren, beim ersten Album, dem vielgeliebten „Apologies To The Queen Mary“, das Isaac Brock, der Sänger, Songschreiber und Gitarrist der US-Band Modest Mouse, produziert hatte.

„When Spencer and Arlen and I first got together, the first time we were in a room together, we just had this unspoken language where everybody sort of fell into their roles.“ - Dan Boeckner, Wolf Parade

Diesmal saß John Goodmanson wieder im Produzentensessel für Wolf Parade. Der Mann aus Seattle ist seit Mitte der 1990er Jahre aktiv und nahm mit von Punk-Rock inspirierten Bands wie Bikini Kill oder Sleater-Kinney Musik auf, aber auch den melodiösen Powerpop von Bands wie Nada Surf oder den komplexen Indierock von Death Cab For Cutie, aber auch ein Album für das Hip-Hop-Kollektiv Wu-Tang Clan findet sich in der Biografie von John Goodmanson.

Aufgenommen wurde auf Vancouver Island, an der kanadischen Westküste. Alle drei Bandmitglieder von Wolf Parade stammen von der Westküste, auch wenn die Band dann in Montreal ansässig war, im kanadischen Osten. Dort sind die Lebenshaltungskosten günstiger, und Dan Boeckner lebt nach wie vor in Montreal, wenn er nicht gerade auf Tour ist, während Spencer Krug - neben Boeckner der zweite Songschreiber und Sänger bei Wolf Parade - und Drummer Arlen Thompsen wieder an der Westküste von Kanada leben.

„Julia, Take Your Man Home“ ist ein new-waviger Song vom neuen Album von Wolf Parade. Im Text geht es um einen komplett unmöglichen Typen - toxische Männlichkeit ist das Thema. Das Video zu diesem Song kommt vom kanadischen Musiker Chad VanGaalen, der, so wie Wolf Parade, ebenfalls beim legendären Plattenlabel Sub Pop in Seattle veröffentlicht, und der weiters als Illustrator tätig ist und eben auch Videos macht.

Die aktuelle Zeit spielt Wolf Parade in die Hände. Die gewisse Paranoia, die der Musik der Band immer innewohnte, passt zu gegenwärtigen Themen wie Zukunftsangst oder übergroßer Abhängigkeit von Technologie. Wie geht es weiter mit der Menschheit? Dazu machen sich Wolf Parade Gedanken in ihren nachdenklichen und zum Nachdenken anregenden Texten. Der „social commentary“ von Wolf Parade ist hochaktuell.

Albumcover "Thin Mind" von Wolf Parade

Sub Pop

„Thin Mind“ ist - wie alle Platten von Wolf Parade - bei Sub Pop erschienen.

Dan Boeckner und Spencer Krug sind mit den neuen Songs von Wolf Parade aber nicht nur politisch. Diese Songs springen einen nicht nur direkt an, nein, sie können auch sinnlich und sexy sein, groovy, aber auch bittersüß und herzzerreißend.

Happiness?

„How do you maintain happiness? How do you keep your mind strong?“, fragen Wolf Parade auf ihrem neuen Album „Thin Mind“.

Die Stimme von Spencer Krug ist jetzt stärker, und der majestätische Bariton von Dan Boeckner hat einen wieder fest im Griff. Mal schreibt Spencer einen Song und singt ihn, dann wieder Dan, und manchmal singen sie einen Song miteinander, auf dem neuen Album ist das ein Stück mit dem Titel „Against The Day“. Es geht um tausend Jahre alte Vampire, die auf eine post-apokalyptische Erde zurückkehren: „We marked our path, but we can’t get back, and here on the beach the night believes it is endless, all is calm now, seconds fade, but the centuries remain.“

Wolf Parade waren immer und sind nach wie vor eine Rock-Band. Mal ist ihr Powerpop angetrieben von der klar gespielten Gitarre von Dan Boeckner, dann wieder von den Synthies von Spencer Krug. Drummer Arlen Thompson ist der ruhende Pol am Schlagzeug, der keine Angst hat, den Job zu verlieren, auch wenn Wolf Parade seine Arbeit bisweilen mit elektronischer Percussion paaren.

Mal wird man an David Bowie erinnert, dann wieder an die Cars - jene US-New-Wave-Pop-Band aus den 70er und 80er Jahren, dann wieder an Blondie, den Lärm von Sonic Youth, aber auch an die große britische Rockband The Who, oder an jüngere Musik wie etwa von der kanadischen Band The New Pornographers. Und da ist ein wunderbarer Sci-Fi-artiger, Blade-Runner-artiger Vibe in diesen neuen Songs von Wolf Parade, die eine dunkle Romantik haben, aber dennoch nicht „doom & gloom“ sind. Nein, so lässt uns Spencer Krug in „Town Square“ wissen: „All we are is reaching for the light.“

Zu Wolf Parade gibt es verschiedene musikalische Nebenprojekte. Sie heißen Operators, Moonface oder Anunnaki.

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