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Die Preisträger*innen beim Österreichischen Filmpreis 2020

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Green Film: Der 10. Österreichische Filmpreis

Am Donnerstag wurde in Grafenegg zum 10. Mal der Österreichische Filmpreis verliehen. „Joy“ von Sudabeh Mortezai ist der große Gewinner, während die Filmbranche ein nachhaltigeres Arbeiten einfordert.

Von Philipp Emberger

Gleich zu Beginn lässt die Akademie des Österreichischen Films keine Zweifel offen, in welche Richtung der Abend geht. Ausschnitte von Greta Thunbergs Rede vor der UN werden eingespielt und auf die Bühne kommen drei als Vögel verkleidete Jungdarsteller*innen. Im Hintergrund läuft währenddessen Vogelgezwitscher und auch das Bühnenbild ist mit mehreren Bäumen ausgestattet.

Markus Schleinzer, Moderator des Österreichischen Filmpreises 2020

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Markus Schleinzer moderierte die 10. Verleihung des Österreichischen Filmpreises in einem Kleid

Die Moderator*innen, Schauspielerin Salka Weber und Regisseur Markus Schleinzer, erklären, dass am heutigen Abend alles wiederverwertet wird. Aus dem Bühnenbild werden später Taschen, die Baumdeko geht zurück an den Tischler und selbst der Flyer mit den Nominierten ist so nachhaltig, dass er als Snack für die mehr als dreistündige Preisverleihung dienen kann.

Joy Anwulika Alphonsus, ausgezeichnet für die beste weibliche Hauptrolle in Joy, beim Filmpreis 2020

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Joy Anwulika Alphonsus gewinnt den Preis als beste Hauptdarstellerin in „Joy“

Turnusmäßig war dieses Jahr wieder Niederösterreich Austragungsort des Filmpreises und so wurden im Auditorium in Grafenegg zum mittlerweile 10. Mal die Österreichischen Filmpreise vergeben. Die meisten Preise, vier an der Zahl, konnte das Sexarbeiter*innen-Potrait „Joy“ von Regisseurin Sudabeh Mortezai gewinnen. In ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit gewann der Film die wichtigen Preise für beste Regie, bestes Drehbuch und bester Spielfilm. Joy Anwulika Alphonsus wird als beste weibliche Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Den Preis als bester männlicher Hauptdarsteller darf Tobias Moretti für seine Rolle in Gypsy Queen in den Händen halten.

Mit 10 Nominierungen und damit als Favorit ins Rennen ging der Film „Little Joe – Glück ist ein Geschäft“ von Jessica Hausner. Am Ende konnte der Film drei Preise mit nach Hause nehmen. Ausgezeichnet für die beste Maske, den besten Schnitt und das beste Szenenbild. Ebenfalls über drei Preise freuen darf sich der Coming-of-Age-Film „Nevrland“ von Gregor Schmidinger. Der Film gewinnt die Preise für beste Kamera und beste Tongestaltung, während Josef Hader den Preis als bester männlicher Nebendarsteller bekommt. Beste weibliche Nebendarstellerin wird Pia Hierzegger für ihren Auftritt im Film „Der Boden unter den Füßen“ von Marie Kreutzer. Mit 7 Nominierungen zu Beginn des Abends bleibt diese Auszeichnung die einzige für „Der Boden unter den Füßen“.

Eine kleine Überraschung gab es beim Preis für den besten Dokumentationsfilm. Hier wurden gleich zwei Filme ausgezeichnet. Einerseits gewann die Doku „Erde“ von Nikolaus Geyrhalter, der für den Film mit seinem Team in Minen, Steinbrüchen und Großbaustellen Menschen bei ihrem Kampf gegen Erdmassen begleitet hat. Die zweite Auszeichnung ging in dieser Kategorie an „Inland“ von Ulli Gladick. Durch den nicht enden wollenden Präsidentschaftswahlkampf kam ihr die Idee, FPÖ-Wähler*innen über einen längeren Zeitraum mit der Kamera zu begleiten. Der Preis für beste Musik geht an den Film „Die Kinder der Toten“ (Elfriede Jelinek, die die Romanvorlage für diesen Film schrieb, liefert für die Musik auch den passenden Begriff: Tosende Stille), der Preis für das beste Kostümbild geht an „Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein“.

Zum 10. Geburtstag schenkte sich der Filmpreis auch gleich zwei neue Kategorien. Als publikumsstärkster Kinofilm wurde der Film „LOVE MACHINE“ ausgezeichnet. Mehr als 140.000 Besucher*innen sahen diesen Film. Den Sonderpreis für Verdienste um die Akademie des Österreichischen Films erhält der Mitbegründer der Filmakademie Josef Aichholzer.

Kurdwin Ayub bei ihrer Rede beim Österreichischen Filmpreis 2020 in Grafenegg

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Filmemacherin Kurdwin Ayub bei ihrer Gastrede

Für einen der wohl lustigsten und besten Momente der Preisverleihung sorgt aber die Filmemacherin Kurdwin Ayub. Mit ihrem Film „Boomerang“ war sie in der Kategorie Kurzfilm nominiert (gewonnen hat Martin Winter mit „Freigang“). Als Nachwuchshoffnung gepriesen, durfte sie dennoch eine Rede halten und hat sich in unterhaltsamer und bissiger Art mit den Vorurteilen, die ihr als im Irak geborener Regisseurin entgegenschlagen, auseinandergesetzt. Außerdem nutzte sie ihre Rede gleich für einen kompletten Rundumschlag gegen die prekären Verhältnisse in der Filmlandschaft.

Politische Preisverleihung

Nicht nur die Frage der Nachhaltigkeit und wie die Filmbranche ressourcenschonender produzieren kann, war an diesem Abend Thema. Mehr als einmal wurde auf die „50/50“-Sticker, die einige Preisträger*innen tragen, hingewiesen. Die Redner*innen forderten ein, dass auch in der Filmbranche die Geschlechterungerechtigkeit zwischen Männer und Frauen beseitigt wird. Selbst der Fakt, dass in der 10-jährigen Preisgeschichte zum 3. Mal eine Frau den Preis als beste Regisseurin entgegen genommen hat (zum Vergleich: Bei den Oscars gab es in 91 Verleihungen mit Kathryn Bigelow bisher nur eine weibliche Preisträgerin), täuscht nicht darüber hinweg, dass 50/50 noch nicht die Realität ist. Von den 79 Nominierten sind 30 Frauen.

In Anwesenheit von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und der neuen Kultur-Staatssekretärin Ulrike Lunacek wurden auch politische Forderungen nach einer stärkeren Förderung für heimische Filme und Kinobetreiber*innen laut. Das Sterben der Programmkinos wird in mehreren Reden mahnend in Erinnerung gerufen. Karina Ressler (ausgezeichnet für den besten Schnitt für „Little Joe“) fordert etwa ein Kino-Abo nach Pariser Vorbild, um mehr Menschen in die heimischen Kinos zu locken. Gastgeberin und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) liefert in ihrer Rede dann auch das Bekenntnis für den österreichischen Film: „Die Filmförderung führt zu einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten, sie stärkt das Profil des österreichischen Films und fördert Talente.“

Ursula Strauss beim Österreichischen Filmpreis 2020

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Ursula Strauss, Präsidentin der Akademie des Österreichischen Films

Mit dem politischen Ton des Abends kann sich Ursula Strauss, Präsidentin der Akademie, anfreunden. Im FM4-Interview erzählt sie, dass zwar die Preisträgerinnen im Vordergrund stehen sollen, aber wenn Filmemacher*innen „ihre Haltung zu dieser Gesellschaft präsentieren“, findet sie das gut. „Das Leben ist politisch, also ist Filmemachen politisch“, so Ursula Strauss.

Wer die Gewinnerfilme bislang noch nicht gesehen hat, hat dieses Wochenende im Votivkino die Gelegenheit dazu. In Anwesenheit der Preisträgerinnen und Preisträger werden die Gewinnerfilme aus den Kategorien Bester Spielfilm, Bester Kurzfilm und Bester Dokumentationsfilm gezeigt. In diesem Sinne: Happy Birthday, liebe Filmakademie!

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