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Stills aus dem Game Through the Darkest of Times

Paintbucket Games

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Through the Darkest of Times

Im ersten Game eines motivierten Berliner Spieleentwicklerstudios koordinieren wir den Widerstand gegen das Naziregime. Die Chancen scheinen aussichtslos, doch unser Mut ist noch nicht gebrochen.

Von Robert Glashüttner

Erinnerungskultur in Games ist immer noch Neuland. Abseits kathartischer Gewaltexplosionen der Marke „Wolfenstein“ gibt es noch immer sehr wenige Computerspiele, die sich aufklärerisch mit der Nazizeit auseinandersetzen. Ein Hauptgrund dafür war, dass es in Deutschland bis Sommer 2018 nicht möglich war, in Games verfassungsfeindliche Symbole abzubilden - unabhängig des Kontextes. Auch die Frage „Darf man so ein Thema überhaupt in einem Computerspiel abbilden“ wird immer noch gestellt, gelten Games doch für viele weithin als reine Entertainmentprodukte, denen man keine künstlerisch-kritische Auseinandersetzung zutraut.

Umso erfreulicher war es, dass sich vor knapp zwei Jahren in Berlin das Indieentwicklerstudio Paintbucket Games begründet und seine Arbeit an „Through the Darkest of Times“ aufgenommen hat. Dabei erlebt man die Zeit des Zweiten Weltkriegs durch die Augen einer Widerstandsgruppe, die sich von kleinen Flugblattaktionen bis hin zum Brandanschlag durchkämpft. Am Aufstieg und den Gräuel der Nazidiktatur ändert das freilich wenig, doch ist es das Durchhalten in einer nahezu aussichtslosen Situation, aus der das Game seine Faszination zieht.

Um diese Aussichtslosigkeit möglichst gut spürbar zu machen, hat sich das Entwicklerteam bewusst nicht für eine rein interaktive Erzählung entschieden, sondern ein simples, aber effektives Strategiespiel gebastelt. Das Grundprinzip fügt sich hier gut in Setting und Erzählung ein: Man hat so gut wie immer zu wenig Ressourcen (Geld, Mitglieder, Moral), wird ständig vor schwere Entscheidungen gestellt und muss versuchen, das Unmögliche möglich zu machen. Mit so gut wie jeder nächsten Aktion begibt sich die maximal fünfköpfige Gruppe (mit potenziell mehreren Dutzend Anhänger*innen) in Lebensgefahr: Selbst beim Kauf von Papier oder Farbe kann man entdeckt oder gestellt werden, und auch, wenn Missionen gelingen, wird man möglicherweise kurz danach vor den Kopf gestoßen, weil jemand die Gruppe verlassen oder sie vielleicht sogar verraten hat.

Stills aus dem Game Through the Darkest of Times

Paintbucket Games

Jonglieren von Charakterwerten

So effektiv „Through the Darkest of Times“ aus dem Genre des Strategiespiels Elemente wie Ressourcenmangel oder das schwierige Abwägen von Entscheidungen für sich nutzen kann, so beschwerend ist hingegen das Jonglieren von Zahlen und Charakterwerten. Denn immer dann, wenn wir als Spielerinnen und Spieler mitreißende, beklemmende Szenen durchleben müssen und dort auch geringfügig eingreifen können, werden wir wenige Minuten später immer wieder zum Kernspiel zurückgeworfen. Hier geht es um das ständige Vergleichen von Werten und Statistiken. Hat Inka Euler genügend Geheimhaltungspunkte? Sollte man Bruno Maus trotz geringer Empathiewerte zum Sammeln von Spenden nach Kreuzberg schicken? Reichen die Propagandafähigkeiten von Käthe Frankfurter aus, um auf der Demo neue Unterstützer*innen zu rekrutieren? Ob eine Missionen dann klappt, hängt davon ab, wen man wann wohin schickt. Im Hintergrund wird das jeweilige Ergebnis dann vom Spiel ausgewürfelt.

Stills aus dem Game Through the Darkest of Times

Paintbucket Games

„Through the Darkest of Times“, entwickelt von Paintbucket Games, ist im Vertrieb von HandyGames für Windows und Steam erschienen.

Brettspiele kommen ohne diese Zahlenspielereien schwer aus, weil sie ein wesentlich geringeres erzählerisch-dramaturgisches Potenzial als Computerspiele haben. In einem Game, gerade bei so einem Setting, wirken die vielen Werte und Wahrscheinlichkeiten aber wie ein Klotz am Bein. Fairerweise muss gesagt werden, dass sich „Through the Darkest of Times“ Mühe gibt, die Strategiespielelemente möglichst intuitiv und visuell attraktiv zu halten. Oft lassen sich dadurch sogar historische bzw. politische Probleme erkennen - etwa, wenn trotz der immensen Gefahr, die vom Naziregime ausgeht, linke Gruppen wie Sozialdemokraten, Kommunisten oder Anarchisten es nicht schaffen, ihre Differenzen im Kampf gegen das Regime beiseite zu legen.

Vorzeigespiel für eine neue Generation an Games

Obwohl „Through the Darkest of Times“ spielerisch und dramaturgisch nicht überwältigend ist, handelt es sich dabei um ein wichtiges Spiel, das hoffentlich eine neue Ära an Games einleitet, deren Entwickler*innen - ebenso wie Paintbucket Games - sich behutsam, ehrlich und mit historischer Ernsthaftigkeit den dunklen Stellen der Menschheitsgeschichte widmen. Erinnerungskultur darf und wird an Games nicht vorübergehen - gerade deshalb sollte man „Through the Darkest of Times“ spielen. Und um zu spüren, wie selbstverständlich es sein kann, wenn Games nicht nur einfach Spaß machen. Manchmal soll es auch schmerzhaft sein.

Stills aus dem Game Through the Darkest of Times

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