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BoJack Horseman und Diane

BoJack Horseman

Farewell, BoJack

Nach sechs Jahren geht die Animationsserie „BoJack Horseman“ zu Ende. Sie wird fehlen. Achtung Spoiler!

Von Jan Hestmann

Back in the Nineties he was in a very famous TV show...

Sechs Staffeln, also sechs Jahre lang, hat er uns die dunkelsten Seiten der menschlichen, oder eben tierischen, Psyche vor Augen geführt. BoJack Horseman, das berühmteste Pferd Hollywoods. In den Neunzigern war er der Star der Sitcom „Horsin’ Around“, das ist lange her.

Seines Zeichens Narzisst, Alkoholiker, massiv unter Depressionen leidend. Und doch: Kaum eine Zeichentrickfigur ist mit einer solchen Sympathie ausgestattet wie er. Weil er uns fortwährend ganz tief in sich reinschauen lässt. Und darum ist man an seiner Seite, auch wenn das selten leicht fällt. Denn BoJack Horseman ist eben auch ein richtiges Arschloch. Wo er ist, ist Drama, ist moralisches Dilemma.

Das macht „BoJack Horseman“ zu einer der besten Animationsserien, ja überhaupt Serien, aller Zeiten. Aber es ist nicht nur der Charakter BoJack Horseman, sondern auch dessen Wegbegleiter*innen, allen voran Diane Nguyen, Autorin mit Minderwertigkeits- und Weltverbesserungskomplex, BoJacks Spirit Human - aber auch schrulligere, wenn auch nicht weniger komplexe Figuren wie die Filmproduzentin/Optimierungskünstlerin Princess Carolyn („Oh Fish!“), Mitbewohner/Erfinder Todd Chavez oder Schauspielkollege/Zwangsoptimist Mr. Peanutbutter.

„BoJack Horseman“ lebt von den Interaktionen dieser Charaktere, die nicht selten unschön aneinandergeraten. Und wäre das nicht genug, fallen immer wieder einzelne Folgen heraus, die locker als eigenständige Kurzkunstfilme durchgehen, etwa die sensationelle Unterwasser-Episode („Fish Out of Water“, Season 3, Ep. 4), die hervorragend ganz auf Dialog verzichtend funktioniert.

Die Meldung, dass mit der sechsten Staffel tatsächlich Schluss sein soll, hat die Fans dementsprechend schockiert. Die Staffel ist nun in zwei Teilen erschienen. Die letzten Folgen sind vergangenen Freitag auf Netflix erschienen.

Und wenn die letzten Staffeln im Vergleich zu den ersten drei auch ein ganz wenig an Schlagkraft verloren haben - am Ende ist die große BoJack-Magie dann plötzlich wieder in vollem Ausmaß da und erschlägt einen regelrecht mit seiner Wucht. Dabei sind es vor allem einfache Dialoge, die diese Wucht erzeugen.

!Achtung Spoiler coming up! Wer die letzten Staffeln noch nicht gesehen hat, soll jetzt besser nicht mehr weiterlesen!

BoJack und Diane auf Dach

Netflix

Nicht nur einmal treffen sich BoJack und Diane im Verlauf der Serie auf ein Gespräch auf einem Dach.

Die letzte Staffel

In der letzten Staffel spitzt sich der Fall um den Tod von Ex-Schauspielkollegin Sarah Lynn durch eine Heroin-Überdosis weiter zu. Das große Finale beginnt mit der vorletzten Folge („The View from Halfway Down“). Kurz zuvor ist BoJack durch einen unglücklichen TV-Auftritt zur unbeliebtesten Existenz Hollywoods abgestiegen, ist betrunken und auf Drogen in sein Haus, das er verkaufen musste, eingebrochen, und schließlich im Pool gelandet.

Während BoJack ohne Bewusstsein im Pool treibt, tauchen noch einmal alle Personen vor seinem inneren Auge auf, die im Lauf der Serie bereits gestorben sind; darunter Mutter Beatrice, „Horsin’ Around“-Erfinder Herb Kazzaz und auch Sarah Lynn. In der surrealen Episode, in der auch Schauspieler Zach Braff einen Gastauftritt als Butler hat, treten sie alle noch einmal auf eine Bühne, um zu BoJack zu sprechen, bevor sie von einem schwarzen Loch, in Form einer Tür, verschluckt werden.

BoJack überlebt den Sturz in den Pool. Zu Beginn der letzten Folge („Nice While It Lasted“) sehen wir Diane und ihn nebeneinander vor einem Nachthimmel sitzend. Es ist die erste und letzte Szene dieser Folge, die all den steten Wegbegleiter*innen BoJack Horsemans gewidmet ist, den Überlebenden: Mr. Peanutbutter, Todd Chavez, Princess Carolyn und natürlich Diane Nguyen. Sie kommen zusammen anlässlich Princess Carolyns Hochzeitsfeier (später stellt sich heraus, dass es gar keine Hochzeit gegeben hat, sondern es Princess Carolyn bloß darum gegangen war, einmal öfter Kontakte aus der Filmindustrie zusammenzutrommeln).

Glücklicherweise nimmt sich die Serie in dieser allerletzten Folge die Zeit, jeder dieser Figuren noch eine letzte Szene gemeinsam mit BoJack Horseman zu schenken. Jede dieser Szenen hat etwas betrübend Endgültiges, aber auch etwas Reinigendes, Versöhnliches, nicht nur für den gebeutelten Protagonisten BoJack Horseman, sondern für alle, die den Weg über sechs Staffeln mit ihm gegangen sind.

Am Ende am Dach

Am Ende steht die Szene mit Diane. Die trifft BoJack - wie sollte es anders sein - am Dach - da, wo beide sich immer wieder gerne zurückziehen, wenn es einmal wieder zuviel wird. Hier findet der letzte aller „BoJack Horseman“-Dialoge statt. Ganze 10 Minuten dauert er, und ist, wie so viele Dialoge im Verlauf dieser Serie, einer für die Ewigkeit. Dass ihr letzter Austausch dann doch nicht mit überbordender Dramatik endet, obwohl die der Konflikt dieser beiden Figuren in jedem Fall hergeben würde, sondern mit einem von BoJack vorgetragenen witzigen Anekdote über eine Belanglosigkeit aus seinem Alltag, ist die große Qualität dieser Serie und lässt BoJack und Diane dann tatsächlich noch einmal nah beieinander sein, trotz aller Missstände.

Ergreifender noch als diese letzten gesprochenen Worte ist die darauffolgende gemeinsame Stille. In diesen wenigen endlosen Sekunden, in denen sich lediglich Dianes und BoJacks Augen minimal bewegen, ihre Blicke sich aber nie treffen wollen, rast noch ein letztes Mal die ganze Reise, auf die uns diese Serie mitgenommen hat, an uns vorbei. Und man kann das Ende jetzt plötzlich akzeptieren.

Farewell, BoJack. Es war sehr schön.

BoJack und Diane

Netflix

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