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Der Große Garten

Hirofumi Abe

Buch

Lola Randl: Der Große Garten

Die Filmemacherin Lola Randl ist vor zehn Jahren aufs Land gezogen und hat dort einen großen Garten, in dem alle aufblühen: ihr Mann, der Liebhaber, die Mutter, diverse Pflanzen und Tiere und viele mehr. All das beschreibt Lola Randl in „Der Große Garten“.

Von Zita Bereuter

Viel Wald, viele Felder, viele sanfte Hügel und Seen - das zeichnet die Uckermark in der ehemaligen DDR, gut eine Autostunde von Berlin entfernt, aus. So schön, dass diese historische Gegend in den letzten Jahren wieder und wieder in der deutschsprachigen Literatur beschrieben wurde. Aber selten zuvor so lustig und genau beobachtet wie von Lola Randl. Die Filmemacherin hat vor zehn Jahren einen ruhigen Ort zum Schreiben gesucht und in Gerswalde ein riesiges historisches Gebäude gegenüber der Kirche gefunden. Die Blütezeit hatte das Anwesen längst hinter sich. Baufällig mit kaputtem Dach und rissigen Wänden war es Liebe auf den ersten Blick.

Buchcover "Der große Garten"

Matthes&Seiz Berlin

Lola Randl: Der Große Garten. Matthes & Seitz Berlin

Mutig zog sie dort mit ihrem Mann ein. Mittlerweile haben sie zwei Kinder, im Erdgeschoss lebt die Mutter, ums Eck der Liebhaber und nebenan Hermann und Irmi, die schon zu DDR-Zeiten hier waren. Hinzugezogen sind außerdem die Japanerinnen, die im Gewächshaus ein Café eröffnet haben. Das wiederum zieht Busse von Tourist*innen und Instagramer*innen an. Und dann gibt’s noch die Kreativen aus Berlin, die unterschiedlichste Workshops anbieten wollen:

„Der Kommunikationsdesigner möchte einen Workshop zum Thema Workshop anbieten. Ziel des Workshops ist es herauszufinden, welchen Workshop man anbieten könnte. Der Workshop war natürlich sofort ausgebucht.“

Gärtnersprache

Hilfe bietet da ein Therapeut, aber der will eigentlich nur Sex. Dazwischen Lola Randl, die sich voller Tatendrang ins Dorf integriert hat. Das klingt nach einer Utopie, die sich aber mehr so ergeben hat. „Also eigentlich ist es nur möglich, weil es kein fester Plan war, der jetzt sozusagen verwirklicht ist“ meint Lola Randl im Interview. Pläne würden bei ihr immer sehr schnell zerfallen, erklärt sie weiter und zieht einen etwas komplizierten Vergleich mit der Natur: „Aber das bedeutet auch, dass sämtliche andere Gewächse mit an meinem Gewächs auch wieder dranwachsen können. Also, dass ich gar nicht so eine einzelne Pflanze bin, sondern eher so ein Geflecht, das sich dahin ausbreitet, wo es wachsen kann und sich dann wieder mit anderen Geflechten zusammen tut.“ Dass sie sich in einer Art Gärtnersprache ausdrückt, fällt Lola Randl gar nicht auf: „So sprech ich erst seit dem Buch“, sagt sie. Es sei ihr schon klar, dass der Mensch keine Pflanze ist, aber diese Beobachtung der Natur auf so ganz naive Weise habe sie tatsächlich weiter gebracht.

dergrossegarten.de

Den Garten hat Lola Randl auch verfilmt in „Von Bienen und Blumen“

Leseprobe von „Der Große Garten“

„Naja, ich bin ja nicht so der tolle Gärtner“, glaubt Lola Randl. Ganz sicher ist sie eine hervorragende Beobachterin. Neugierig, ja fast naiv, aber mit sehr viel Selbstironie und gutem Witz beschreibt ganz simpel, was da in der Natur vor sich geht.

„Ein Garten ist immer ein Kampf zwischen den eigenen Vorstellungen und äußeren Gegebenheiten.“

In kurzen Abschnitten - wie in einer Enzyklopädie - erzählt sie in ihrem Buch „Der große Garten“ in einem Jahreskreis von der Pastinake bis zu den weißen Kranichen. Von Gott, dem Maulwurf oder dem Kompostieren (man erfährt auch sehr viel Praktisches). Von der Geschichte des Anwesens, der Zeit in der DDR und dem Dorfleben der Gegenwart. Und immer wieder Triebe - bei Pflanzen, Tieren und Menschen.

„Pflanzen und Tiere denken gar nicht daran, diesem Trieb etwas entgegenzusetzen, wohingegen der Mensch seine Triebe immer häufiger aufschiebt oder umwandelt.“

Mit Tieren tauschen möchte Lola Randl dann aber doch nicht. Schon gar nicht mit einer Bienenkönigin. „Weil die hats ja schon wirklich schwer. Also das denkt man ja nicht, die wird ja einmal von mehreren Drohnen hintereinander begattet und hat dann Sperma für ihr ganzes Leben lang und muss dann nur mehr Eier legen und noch mit ihrem Pheromon für gute Laune sorgen im Stock und wenn’s dann zu viel wird, muss sie noch ausschwärmen."So pragmatisch denkt und schreibt Lola Randl.

Pragmatisch und nahe an der Natur

Mit einfachen Beobachtungen der Natur erklärt die Ich-Erzählerin die Welt. Der Garten bietet die Erzählfläche für Gott und die Welt, für das Leben im Dorf. Für Ihr Leben? "Es ist natürlich autobiographisch“, gibt sie zu. Viele Leute würden jetzt mit dem Buch in das Dorf kommen und vergleichen, ob alles da ist: Etwa das Haus in der Kurve vom Liebhaber, der schiefe Baum vor dem Haus in der Dorfmitte und natürlich der Garten. Manche würden sehr viel finden, manche seien enttäuscht. Außerdem hätten die Instagramer*innen den Ort entdeckt und deren Fotos hätten wiederum andere Instagramer*innen entdeckt und kommen auch in das Dorf um das nach zu fotografieren. Das japanische Café war in vielen Magazinen und ist so bekannt, dass Busse anfahren: „Manchmal sitze ich in der Wohnung und kann kaum runtergehen.“ Aber jetzt ist Winter, das sei beruhigend. Das Café ist geschlossen. „Die Natur hilft einem. Dann ist erst Mal Ruhe.“

Der Große Garten

Hirofumi Abe

Empfehlung: Im Winter lesen

Der Winter, so liest man in „Der Große Garten“, ist für Gärtner und Gärtnerinnen die Zeit zum Lesen. „Samentütchen“ müssen sortiert und Pflanzenkataloge durchschaut werden. Analog, versteht sich: „Natürlich kann man das mittlerweile viel einfacher übers Internet bestellen und braucht gar keine Listen mehr, aber das ist nicht der Sinn der Sache. Pflanzenkataloge, die wieder und wieder durchblättert werden, und Listen, die man über Wochen verfeinert, kann das Internet nicht ersetzen.“

Später besucht man Saatgutbörsen. Auf so einer hat die Ich-Erzählerin auch ihren Liebhaber kennengelernt: „Ich hatte gar keine Samen zum Tauschen dabei, und er auch nicht. So haben wir uns gleich erkannt.“

Die Ich-Erzählerin fragt ihre Mutter, „ob der Same einer Pflanze das ist, was beim Menschen der Embryo ist.“ Die Mutter versteht nicht und hält das für eine Provokation und erklärt, „dass man nicht Samen, sondern Saatgut sagt. Ich schreibe das in mein Notizheft. Sie denkt, wenn so das Gartenbuch werden soll, kann das ja nichts werden.“ Aber sie täuscht sich. „Der Große Garten“ ist sehr wohl was geworden und der Winter bietet sich hervorragend an, diesen Roman zu lesen.

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