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Himmel mit Wolken

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Der Roman „Himmelwärts“ verbindet Poesie mit Aktivismus

Eine Füchsin als Erzählerin, die Folgen eines brasilianischen Staudamms und ein Menschenrechtsaktivist werden im dritten Roman der Wiener Autorin Elisabeth Klar auf surreale Weise in einer Geschichte miteinander verwoben.

von Michaela Pichler

Sylvia lebt in einem Bau – so nennt die Erzählerin in „Himmelwärts“ ihre Erdgeschoss-Wohnung in Wien. Denn die Protagonistin ist eigentlich gar kein Mensch, sondern eine Füchsin. Als ihr Lebensraum durch einen Straßenbau zerstört wird und ihr Lebensgefährte-Fuchs dabei umkommt, stiehlt die Füchsin eine Menschenhaut von einer Wäscheleine und verwandelt sich in eine Frau.

Buchcover "himmelwärts"

Residenz Verlag

Der Roman „Himmelwärts“ ist im Residenzverlag erschienen.

Was im Roman stark nach Märchen klingt, wird mit Sylvias bestem Freund Jonathan und seiner harten Realität immer wieder gebrochen: Er arbeitet als Menschenrechts-Aktivist in Brasilien, wo er sich in einer Organisation für queere Personen und Menschen engagiert, die aufgrund eines Staudamms ihren Lebensraum verloren haben. Als Jonathan nach Wien zurückkommt, kommt er mit dem Erlebten nicht mehr klar. Ihm wächst ein Tumor am Rücken, der mit der Zeit immer mehr die Form von Flügeln annimmt.

Sylvia pflegt ihren Freund Jonathan, der immer mehr unter der Last seiner Flügel leidet. „Nach Jonathans Flügeln muss man inzwischen nicht mehr tasten. Die erkennt man auch so ganz gut unter der Haut. Sind dicker geworden, aber auch länger. Als hätten sie das Gewebe aus der Hauttasche gesaugt, ist die jetzt schlabbrig, voller Falten. Und knapp unter den Rippen ist sie aufgerissen. Dort steht ein Teil des Flügels heraus, federlos, blutverschmiert und spitz. Als hätte er Jonathans Haut von innen nach außen durchstochen.“

Die Last so schwer

Jonathan wird mit seinen blau gefederten Flügeln zuerst noch von seinen Freund*innen als Engel bezeichnet. Was anfangs noch nach einer Metapher für Freiheit klingt, wird im Laufe der Erzählung aber immer schwerer und schmerzhafter: Jonathans Flügel stehen für all die Menschenrechtsverletzungen, die er während seiner NGO-Arbeit in Brasilien mit seinen eigenen Augen gesehen oder am eigenen Leib erfahren hat. Wie in der Gemeinde Altamira beispielsweise, die sich 40 km entfernt des fatalen Staudamm-Projekts befindet. Dort stehen Homophobie und Transphobie an der Tagesordnung – Jonathan wird als queere Person brutal auf offener Straße zusammengeschlagen. Zurück in Wien wird dem Aktivisten durch Gespräche mit Sylvia immer mehr bewusst, was seine Flügel eigentlich bedeuten.

„Aber ist es wirklich das, was ich lernen soll? Ich soll mir, ich weiß nicht, meine Gefühle einfach amputieren, weil sie mir zu schwer werden? Und ich schau weg von der ganzen Gewalt und der ganzen Scheiße, oder noch besser, ich erzähle mir selbst, die haben das alle verdient?!“

Elisabeth Klar

Werner Robitza

Elisabeth Klar präsentiert ihr neues Werk zum ersten Mal bei einer Lesung in der Österreichischen Gesellschaft für Literaturin Wien am 13. Februar.

Surrealismus vs Reality

Elisabeth Klar hat sich bereits 2014 mit ihrem Debütroman „Wie im Wald“ schwerwiegenden Themen wie Missbrauch und Mord angenommen. Auch in ihrem neuesten Werk wiegt der Inhalt zwischen den Zeilen schwer.

Die Recherchen für ihren dritten Roman „Himmelwärts“ führten die Autorin selbst bis nach Brasilien, wo sie vom real existierenden Belo-Monte-Wasserkraftwerk am Rio Xingu zu Jonathans Geschichte inspiriert wurde.

„Himmelwärts“ erzählt von der Hilflosigkeit eines Aktivisten, der mit jeder weiteren Ungerechtigkeit ohnmächtiger wird. Die zentrale Frage dabei ist: Wie umgehen mit dem Gefühl der Machtlosigkeit? Wenn einem innerhalb des gesellschaftlichen Systems auch trotz Solidarität und einem Netzwerk die Hände gebunden sind? Die Autorin verbildlicht Jonathans Trauma immer wieder mit surrealen und absurden Elementen, die an Fabeln und Märchen erinnern. Dadurch gelingt eine verzweigte Geschichte, die poetische Sprache und aktuelle, sozialpolitische Themen wie LGBTQIA-Rechte, Umweltsünden und Menschenrechtsaktivismus vereint.

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