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TikTok hat ein Datenschutz-Problem

TikTok ist die erfolgreichste chinesische App in Europa und hat ein junges Zielpublikum. Doch der Konzern sammelt Unmengen an Daten und verrät weder, wohin diese Daten geschickt werden, noch an wen sie verkauft werden.

Von David Riegler

Daten sind, wenn sie richtig eingesetzt werden, das vielleicht wertvollste Gut unserer Zeit. Der Run auf die Datensammlungen hat schon lange begonnen und wird vor allem von US-amerikanischen Technologiekonzernen im großen Stil betrieben. Das Thema Datenschutz spielt für die Konzerne oft nur eine untergeordnete Rolle, wie man an den Beispielen Facebook und Google schon erleben konnte.

Menschen, die TikTok nicht regelmäßig nutzen, kennen vor allem die Videos von jungen Menschen, die zu kurzen Songausschnitten lipsyncen, was manchmal zum Fremdschämen führt, manchmal aber auch kreativ und witzig sein kann. Das junge Zielpublikum kennt und schätzt TikTok, weil es ein Format ist, das direkt am Puls der Zeit liegt. TikTok hat Bewegtbild, Hits, eine starke KI-Technologie und viele Stars, die schon mit der App zusammengearbeitet haben, von Khloé Kardashian bis zu den Jonas Brothers.

Datensammler aus China

Bis jetzt waren es vor allem US-amerikanische Unternehmen, die Daten im großen Stil gesammelt haben, doch nun steht zum ersten Mal eine App aus China in den Top-Downloadlisten der Appstores: TikTok. Knapp eine Milliarde monatlich aktive Nutzer*innen kann TikTok mittlerweile verzeichnen - ein großer Teil davon stammt aus China, doch auch in Europa wächst die App rasant, wodurch auch die Bedenken steigen, was das Unternehmen mit all den Daten macht, die man über die App an das chinesische Unternehmen weitergibt – denn das sind nicht wenige.

Es beginnt mit einer Liste von Daten, die das Unternehmen innerhalb der App sammeln darf: Name, E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Fotos, Sprachauswahl muss man ab der Registrierung zur Verfügung stellen. Zusätzlich dazu wird das Nutzungsverhalten aufgezeichnet, unter anderem in Form von Likes, Kommentaren und sogar die Inhalte von privaten Nachrichten, die man auf TikTok versendet, dürfen gesammelt werden.

Schon innerhalb der App, könnte TikTok auf diese Art und Weise leicht ein Persönlichkeitsprofil über die User*innen erstellen, da bekannt ist wo man herkommt, wie man aussieht, wie man die App nutzt und mit wem man welche Nachrichten austauscht. Doch das Datensammeln geht noch viel weiter. In der offiziellen Privacy Policy steht, dass TikTok von ihren User*innen einige Informationen außerhalb der App sammeln darf, zum Beispiel den Browserverlauf, den Mobilfunkanbieter, Zeitzone und lokale Einstellungen sowie Daten, die man in anderen sozialen Netzwerken teilt, zum Beispiel Facebook. Je mehr Daten ein Unternehmen von einer Person hat, umso genauer kann sie ein Persönlichkeitsprofil über diese erstellen. Doch was genau geschieht mit all diesen Daten von einer Milliarde Nutzer*innen?

Was passiert mit den Daten?

„Als Überblick könnte man sagen, dass sie sehr ungenau sind mit den Informationen, die sie bieten dazu welche Daten wo verarbeitet werden und vor allem an wen sie weitergegeben werden“, sagt die Datenschutzaktivistin Hanna Prykhodzka vom Verein „epicenter.works – Plattform Grundrechtspolitik“ über TikTok.

Auf Laut
Was macht Tiktok anders? Wie ist es mit der Sicherheit und was passiert mit den unzähligen Videos und den Daten der User*innen? Auf Laut diskutiert darüber mit dem österreichischen TikTok-Star Andreas Brauneder und Social Media-Expertin Ingrid Brodnig.
Dienstag, 11.2.2020, 21 Uhr.

In der Tat ist es nicht möglich herauszufinden, wohin all die Daten geschickt werden. TikTok gibt nur an, dass die Daten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums verarbeitet werden, was allerdings keinen Rückschluss darüber gibt, in welchem Land die Daten konkret verarbeitet werden. Die Datenschutzgrundverordnung in Österreich schreibt vor, dass österreichische Daten nicht in einem Land verarbeitet werden dürfen, das niedrigere Datenschutzstandards hat. Ohne genauere Angaben lässt sich das jedoch nicht überprüfen.

Ähnlich schwierig ist es, herauszufinden an wen die Daten nach der Verarbeitung verkauft werden. TikTok gehört zum chinesischen Technologiekonzern „ByteDance“, der international agiert und mehrere Content-Plattformen besitzt. TikTok gibt an, dass Daten an Geschäftspartner, Service-Provider und innerhalb des Konzerns weitergegeben werden können. Doch bei einem derartig komplexen Unternehmen, mit verschiedensten internationalen Beteiligungen, könnten tausende Unternehmen weltweit an die Daten gelangen. Mehr als 4.500 Partnerunternehmen sind nach eigenen Angaben mit TikTok verbunden. Hauptziel der massiven Datensammlung ist es, möglichst viele Informationen über eine Person zu sammeln, um personalisierte Werbung zu verkaufen.

Ungenaue Angaben

Die ungenauen Angaben zu Datenschutz sind bei TikTok besonders heikel, da sich das Geschäftsmodell an ein junges Zielpublikum richtet und dadurch auch Daten von Minderjährigen gesammelt werden. Schon die Vorgänger-App musical.ly, die 2017 von „ByteDance“ übernommen wurde, musste im Vorjahr 5,7 Millionen US-Dollar Strafe zahlen, weil sie die Datenschutzrechte von Kindern in den USA missachtet hatte.

TikTok gibt an, dass sich die App nicht an „Menschen unter 13 Jahren“ richtet. Hanna Prykhodzka sieht darin einen Rechtsbruch, denn man könne laut Datenschutzgrundverordnung auch mit 13 Jahren noch keine Zustimmung zur Datenverarbeitung geben: „In Österreich kann man erst eine legitime Zustimmung ab 14 Jahren abgeben. Das heißt alleine nur nach dieser Formulierung, die Leute zwischen 13 und 14, die jungen Leute, die da auf TikTok gehen, können keine Zustimmung zu ihrer Datenverarbeitung abgeben, weil sie einfach noch nicht 14 Jahre alt sind.“

„Der Schutz der Daten unserer Nutzer*innen ist für uns von entscheidender Bedeutung und wir nehmen unsere Verantwortung sehr ernst. Welche Daten wir erheben und wie wir diese Daten verarbeiten, ist in unserer Datenschutzerklärung erläutert, welche die Vorgaben der DSGVO einhält“, heißt es dazu von TikTok.

Zensur

TikTok nutzt die gesammelten Daten jedoch nicht nur um gezielt Werbung zu verkaufen, sondern auch um bestimmte Inhalte zu zensieren, das ergibt eine Recherche von netzpolitik.org. TikTok hat die Vorwürfe dementiert und gibt an „nicht von einer fremden Regierung gesteuert zu sein“. Doch Recherchen von netzpolitik.org und die Welt am Sonntag haben untersucht, dass beispielsweise nur wenige bis gar keine Beiträge zu den Hong-Kong-Protesten zu finden sind. Außerdem wurde ein kritisches Video der Influencerin „Feroza Aziz“ gelöscht, in dem sie ein Schmink-Tutorial nutzt, um auf Menschenrechtsverletzungen Chinas gegenüber den Uiguren hinzuweisen. TikTok gibt an, das Video nur versehentlich gelöscht zu haben durch einen Fehler eines Mitarbeiters.

„Wir moderieren keine Inhalte aufgrund ihrer politischen Ausrichtung. Unsere Moderationsentscheidungen werden von keiner Regierung beeinflusst, auch nicht von der chinesischen. Die Grundlage unserer Moderation sind die Community-Richtlinien“, sagt Gudrun Hermann, der Pressesprecherin von TikTok in Deutschland und Österreich im Interview mit FM4.

Beim Thema TikTok und Datenschutz bleiben am Ende viele offene Fragen, was für User*innen bedeutet, dass sie mit der Nutzung von TikTok das Risiko eingehen, dass ihre persönlichen Daten in einem uns nicht bekannten Land verarbeitet werden und an nicht genau definierte Unternehmen verkauft werden.

Als wäre das nicht genug, hat TikTok auch noch eine Klausel eingebaut, mit der das Unternehmen laut Hanna jegliche Verantwortung an die User*innen abgibt: „Any transmission at your own risk. Das ist eigentlich der Punkt wo man sagen muss: Das steht in ihrer Privacy Policy drin. Da steht, dass wir alle Daten auf eigene Gefahr übermitteln. Wohin, was gesammelt wird - man kann diesen ganzen Punkten nicht zustimmen, wenn man nicht genaue Angaben dazu hat. Und dann trägt man auch noch die Verantwortung dafür, obwohl man keine Infos dazu hat.“

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