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Sabine Derflinger

Gersin Livia Paya

Die Dohnal - ein Film, der radikalisiert

1990 wurde Johanna Dohnal die erste Frauenministerin in der österreichischen Geschichte. 2020 braucht Österreich die gesellschaftspolitischen Errungenschaften dieser Politikerin auf der Kinoleinwand. Wir haben mit der Regisseurin Sabine Derflinger über das Filmportrait gesprochen.

Von Gersin Livia Paya

Sabine Derflinger hat 2011 als erste Frau beim österreichischen Tatort Regie geführt. Jetzt hat sie die wichtigste Frau der österreichischen Politik auf die Kinoleinwand gebracht. Der Arbeitstitel für den Film war „Wir wollen die Hälfte vom Kuchen“, heute „gehört uns die Hälfte vom Kuchen“, meint Derflinger, aber der Film hätte damals keine Finanzierung unter dem Titel bekommen, mit dem er heute in den Kinos ist: „Die Dohnal“. Johanna Dohnal, die erste Feministin der österreichischen Politik, die erste Frauenministerin und die Politikerin, der Männer und Frauen sehr viel zu verdanken haben, bis heute.

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Wieso sagst du in vielen Interviews, dass dieser Film keinen besseren Zeitpunkt haben könnte?

Weil Frauenpolitik nur im Kino stattfindet und nicht in der österreichischen Wirklichkeit. Wenn man eine Frauenministerin hat, deren Ministerium man erst suchen muss, weil sie unter dem Integrationsministerium steht. Und weil wir eine Frauenministerin haben, die sagt, sie ist keine Feministin. Was eigentlich heißt, sie hat ihren Beruf verfehlt.

Ich war etwas traurig am Ende des Films: darüber, dass jemand wie die Dohnal fehlt. Wie ging es dir gefühlsmäßig?

Ich freue mich sehr über den Film natürlich und darüber, dass dieses Material gesichtet wurde und dass man ihr zusehen kann, wie sie gesprochen hat und wie ihr politisches Vermächtnis so greifbar ist. Es geht zwar traurig aus und ich weiß, es fehlen Frauen wie Johanna Dohnal. Aber bei mir herrscht die Wut vor und das Bedürfnis, mich noch mehr zu radikalisieren. Bei den ersten Vorführungen gab es viele im Publikum, die gesagt haben, „Jetzt bin ich wieder aufgewacht, ich gehe wieder auf die Straße!“. Wir haben das Gefühl, es hat ein Erweckungspotenzial.

Jetzt, nachdem du die Vergangenheit aufgearbeitet hast und im Film auch mit jungen Feministinnen die Gegenwart zeigst: Wie siehst du den Feminismus heute?

Der Feminismus steht eigentlich gut da, wenn ich die jungen Feministinnen ansehe. Nachdem ich aber selbst die große Phase miterlebt habe, hat mich eigentlich überrascht, dass der Feminismus sich in den Elfenbeinturm zurückgezogen hat und dass sehr viel theoretisch erforscht wurde und die Menschen eigentlich in ihrer eigenen Blase waren. Dann habe ich plötzlich wieder Frauen gesehen, die Feminismus und gesellschaftliche Relevanz zusammenbringen und sehr wohl der Lücke, die vor ihnen entstanden ist, nachforschen. Und das hat mich total positiv überrascht, weil ich mir gedacht habe: ‚Ah da passiert jetzt wieder was!‘

Wie politisch bist du selbst aufgewachsen?

Man war total politisiert. Viel auch durch das Fernsehen. Man konnte bis Mitternacht politische Talkshows ansehen, weil damals hat das niemand kontrolliert, ob man schaut oder nicht.

Was können sich Frauen und Männer von „Die Dohnal“ mitnehmen?

Dass man wieder auf die Straße geht und wieder um den Feminismus kämpft. Die Männer können auch mitnehmen, dass sie auch dafür kämpfen, dass sie nicht in den alten Rollenklischees festgehalten werden. Und was die Frauen betrifft, würde ich ganz dringend einen österreichweiten Frauenstreik empfehlen à la Island. So eine Aktion kann wirklich schnell ganz viel bewegen.

Johanna Dohnal wurde als Frauenministerin abserviert. Wieso hat sich damals niemand bewegt und versucht, etwas dagegen zu tun?

Es gab schon Frauen, die auf der Straße waren, und eine Plakat-Aktion am Ring. Das Profil hat auch geschrieben: „Wir hätten viel mehr tun müssen“. Die Luft war vielleicht auch einfach draußen, einerseits der Kampf von Johanna Dohnal drinnen und der Kampf draußen, das war vielleicht anstrengend. Für den Feminismus und für die Frauen ist es tragisch, aus der Sicht der Politik war es okay. Da es attraktiv war für die Koalitionsbildung, diejenigen loszuwerden, die nicht gut angekommen sind. Aber die Konsequenz, die es bis heute für die Frauenpolitik hatte, ist krass. Das beweist nur, dass es dafür kein Bewusstsein oder keine Wichtigkeit gab.

Wieso war das Ende der Dohnal der Anfang des Dokumentarfilms?

Ich habe mit so wahnsinnig vielen Leuten über sie gesprochen und mir ist aufgefallen, dass immer der Satz gekommen ist, wie man sie abserviert hat. Und hier hat man eine Heldin und gleichzeitig ein Drama. Sie hat mir den Eindruck vermittelt, dass dieser Abgang sie sehr geprägt hat. Sie hat viele Tagebücher und Notizen geschrieben, die sie unter Verschluss gehalten hat. Aber die Notizen dazu hat sie dem Dohnal-Archiv überlassen. Ihr war es wichtig, dass die Nachwelt weiß, wie das passiert ist und was sie am letzten Tag gefühlt hat. Wesentlicher Punkt ist auch, dass man sie abserviert hat, dass sie nicht ordentlich übergeben konnte, sie keinen Frauenbericht machen konnte und deswegen ein Teil ihrer Arbeit kaputt gemacht wurde.

An ihrem 70. Geburtstag hat Frau Dohnal ein Interview gegeben. Darin erzählt sie, „Es zu bereuen, bei manchen Fragen nicht unbequemer aufgetreten zu sein“. Du hast so viel Archivmaterial gesichtet, siehst du das auch so?

Ich finde, sie war sehr unbequem. Das Interessante war ihre Höflichkeit, Freundlichkeit und Eloquenz dabei. Sie ist wirklich liebevoll mit ihrem Gegenüber umgegangen, das war sehr schön.

Wirst du zu diesem Film eigentlich mehr von weiblichen Journalistinnen interviewt?

Ja, und ich finde das sehr angenehm.

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