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CC BY 2.0 | Matt Brown | Radio FM4

Mehrere Hundert unbegleitete Flüchtlinge sind letztes Jahr verschwunden

Rund die Hälfte der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Österreich verschwindet, kurz nachdem sie den Asylantrag stellen. Es gibt keine Stelle, die von der Antragstellung bis zur Zulassung zum Asylverfahren die Obsorge dieser Minderjährigen übernimmt.

Von Lena Raffetseder

Bildquelle, CC BY 2.0, Änderungen durch Radio FM4

Insgesamt haben von Jänner bis Oktober 2019 845 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einen Asylantrag in Österreich gestellt. Bei 471 Kindern und Jugendlichen wurde das Asylverfahren eingestellt. Aus dem Innenministerium (BMI) heißt es, dass ein Verfahren dann eingestellt wird, wenn die Person für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) „nicht greifbar“ ist, sprich der Aufenthaltsort nicht bekannt ist. „Der Prozentsatz war uns natürlich nicht bewusst. Da waren wir doch negativ überrascht, dass das so viele sind, die hier verschwinden“, sagt Herbert Langthaler von der Asylkoordination Österreich.

NEOS hat im vergangenen Jahr eine parlamentarische Anfrage mit dem Titel „Asylverfahren minderjähriger Asylsuchender in Österreich“ an das Innenministerium gestellt.

„Es kann alles Mögliche passieren“

Das BMI geht davon aus, dass die meisten Jugendlichen in ein anderes europäisches Land weitergereist sind. Auch Langthaler glaubt nicht, dass alle Opfer von Gewalt wurden, aber man wisse es eben nicht: „Es wär unseriös zu sagen, die werden alle Opfer von Verbrechen, das glaub ich nicht, aber es ist eine Gruppe, die besonders vulnerabel ist. Das sind Kinder, mit denen kann alles Mögliche passieren und wir wissen, was es für Gefahren gibt.“

Der Großteil der unbegleiteten Minderjährigen kommt aus Afghanistan. Langthaler vermutet, dass sie vielleicht nicht in Österreich bleiben wollen: „Es gibt eine sehr negative öffentliche Wahrnehmung von afghanischen Flüchtlingen. Das bekommen die Jugendlichen mit. Das könnte ein Grund sein, dass sie in andere Länder weitergehen.“

Stellen die Minderjährigen einen Asylantrag, kommen sie in die Bundesbetreuung - meist in die Erstaufnahmestelle Traiskirchen. Dort bleiben sie, bis klar ist, ob sie zum Asylverfahren zugelassen werden. Die Asylkoordination kritisiert, dass die Jugendlichen bis dahin keine Obsorgeberechtigten haben. „Es gibt sehr viele, die in Traiskirchen sind, um die sich niemand wirklich kümmert abseits des Asylverfahrens und die sind dann plötzlich verschwunden“, sagt Herbert Langthaler.

Suche nach Obsorgeträgern

Langthaler sieht die Kinder- und Jugendhilfe des Bezirks Baden in der Pflicht, die Obsorge für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Traiskirchen vom ersten Tag an zu beantragen. Auch das BMI vertritt die Rechtsansicht, dass „eine Zuständigkeit der jeweiligen Kinder- und Jugendhilfe als Obsorgeträger bereits dann gegeben ist, sobald ein Minderjähriger im Inland unbegleitet aufgegriffen wird“.

Das Land Niederösterreich teilt aber auf Anfrage mit, dass erst nach Zulassung zum Asylverfahren die zuständige Kinder- und Jugendhilfe die Obsorge vor Gericht beantragt. Begründet wird das Vorgehen mit aktueller Judikatur des Obersten Gerichtshofs: Bei einer Obsorgeübertragung an eine Kinder- und Jugendhilfe wird den Eltern die Obsorge entzogen. Sie sind deshalb in ein Verfahren einzubinden. Dabei wäre eine Obsorge gerade dann notwendig, wenn Minderjährige allein in Österreich sind, sagt Langthaler von der Asylkoordination.

Er fordert eine neue Regelung: Das BMI und das BFA müssten gemeinsam mit der Bezirkshauptmannschaft Baden eine Lösung finden, damit für alle unbegleiteten Jugendlichen schon ab dem Tag der Antragstellung jemand zuständig ist.

Nächste Schritte

Im Regierungsübereinkommen wird eine „schnelle Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge durch die Kinder- und Jugendhilfe und Berücksichtigung des Kindeswohls im Asylverfahren“ angekündigt. Ob eine Obsorge vom ersten Tag an kommen wird, ist noch nicht klar, sagt ein Sprecher des Bundesministeriums für Arbeit, Familie und Jugend. Für Herbert Langthaler wäre es ein erster Schritt festzulegen, wer zuständig ist, und diese Behörde mit den notwendigen Ressourcen auszustatten.

Im Justizministerium soll eine Arbeitsgruppe nächste Schritte erarbeiten. Klar ist und das wird aus einem Ministerium bestätigt: Es ist ein sehr komplexes Thema. Wer letztlich zuständig ist, bleibt unklar. Es scheint, dass sich keine Stelle so richtig verantwortlich fühlt für diese Jugendlichen, die noch nicht zum Asylverfahren zugelassen sind.

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