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Hans Peter Doskozil und Lebensgefährtin Julia Jurtschak

APA/ROBERT JAEGER

Blumenaus 20er-Journal

Nepotismus und Moral: Personalpolitik auf österreichisch

Der eine verschafft seiner künftigen Frau einen Job in seinem Stab, der andere vererbt seinen Job an seinen Sohn. Und es fällt nur auf, weil es die SPÖ oder Rapid betrifft, also stark aufs Gemeinwohl bedachte Institutionen.

Von Martin Blumenau

Als „trauriges Sittengemälde“ bezeichnet der burgenländische Landeshauptmann nicht die Tatsache, dass er seine Lebensgefährtin in seinem Büro anstellen wollte, sondern die darüber entbrannte Debatte um Nepotismus und Moral in Vorzeige-Zonen (wie der Politik).

Immerhin hat er nach einer Schrecksekunde reagiert und die unangemessene Jobvergabe von 24 Stunden zurückgezogen. Und immerhin haben die innenpolitischen Watchdogs diese Debatte losgetreten: Wenn etwa bei Rapid Wien wichtige Jobs einfach an den Sohn vererbt werden, wird die Unanständigkeit dieser Handlung weder extern noch intern überhaupt als solche erkannt. Auch, weil Nachwuchs-Pflege und Personalpolitik in Österreich weitgehend mit selbstverständlichem Nepotismus gleichgesetzt werden.

Ja, in kleineren Ländern mit entsprechend kleineren Fach-Szenen, wo jede*r jede*n kennt, ist es schwerer nach irgendwie objektivierbaren Kriterien auszusuchen. Und, ja, ein politisches Büro, ein persönlicher Stab braucht Vertrauensleute. Aber muss es die eigene Frau, das eigene Kind sein? Sind diese Rechtfertigungen stark genug, um sie in Bereichen anzuwenden, die sich durch ihren gesellschaftspolitischen Anspruch höhere moralische Standards geben als andere? Wie im Fall der SPÖ, wie im Fall des selbsternannten Arbeitervereins Rapid.

Die Weitergabe, ja das Vererben von Privilegien ist eigentlich Teil des Selbstverständnisses jener, die sich gegen höhere Besteuerung Reicher und gegen Erbschaftsteuern einsetzen, jener neuen Geld-Eliten mit Cum-Ex-Moral. Das passt besser zur CSU, die vor wenigen Jahren mit solchen Nepotismus-Fällen auffällig wurde, oder zu Pfeffersack-Vereinen, bei denen Gutsherren und Oligarchen das Sagen haben; und es ist die ganz normale Trump-Denke.

Und ja, wenn die Elite Verwandte geschickt unterbringen will, dann nützt sie die Kontakte und schafft das ganz ohne öffentliches Aufsehen. Erst heute früh hab’ ich in einer ganz alltäglichen Recherche gecheckt, dass im Büro des mächtigen X die Tochter der früher wichtigen Y arbeitet - das ist Teil des Vorzugs-Geflechts jener, die privilegierten Verhältnissen entstammen und es trotzdem meist auch ethisch-moralisch nicht verstehen wollen und können, dass es genau diese Vorteile sind, die sie eigentlich moralisch zu höheren Steuer-Quoten und einer ordentlichen Erbschaftssteuer verpflichten. Weil sie durch ihre Herkunft auf so vielen verschiedenen Ebenen profitieren, dass sie all die ihnen offenstehenden Pfründe gar nicht mehr als solche erkennen.

Dass nun auch Doskozil oder die Rapid-Verantwortlichen in genau dieselbe Falle des blinden Flecks tappen, ist umso erstaunlicher, weil sie ja die Gegenposition dazu vertreten (sollten). Doskozil spricht hier in seiner Antrittsrede ab Minute 5 von einem „Denkfehler“, nicht in ein Ausschreibungsverfahren gegangen zu sein, weil es gesetzlich korrekt sei.
Tags zuvor sprach der Hoffnungsträger der Sozialdemokratie noch von einem traurigen Sittengemälde, war über viele Reaktionen und veröffentlichte Meinungen enttäuscht und schockiert, der offensichtliche Beigeschmack war für ihn noch unsichtbar. Auch die künftige Gattin war verstört, „dass es viele Menschen gibt, die nun glauben, ich hätte diesen Job nur erhalten, weil ich die Verlobte des Landeshauptmanns bin“. Dass es genau so und nicht anders sein könnte - denkunmöglich.

Während man im Burgenland sich zumindest konfrontiert, ist im Fall des Rapid-Stadionsprecher-Jobs, der von Andy Marek direkt und nahtlos an den Dauphin, also seinen Sohn übergeht, diskursiv gesehen tote Hose. Ich habe nix außer einem Tweet einer ehemaligen Mitarbeiterin gefunden, die sich öffentlich gewundert hat - für die Branche ist so ein offensichtlich peinlicher Fall von Nepotismus kein Thema. Sondern gelebte Normalität, seit jeher, seit Edi Fingers Zeiten. Und im Fall von Rapid Wien wohl auch ein missverstandener „Familien“-Begriff.

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