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Der CEO von Facebook, Mark Zuckerberg und BK Sebastian Kurz, bei einem Treffen anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz am 15.2.2020

APA/BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC

Blumenaus 20er-Journal

Für blöd verkaufen oder konfrontieren

Was die Welten-Lenker uns bei der Münchner Sicherheits-Konferenz so an Strategien mitgegeben haben. Hashtags Zuckerberg, Trudeau, Kurz.

Von Martin Blumenau

Mittlerweile ist sie bedeutender als Davos: die Münchner Sicherheitskonferenz, wo jedes Jahr im Februar aufs Neue tatsächlich Definitionsmächtige des Welt-Gefüges recht ungeschützt ihre Ansichten darlegen, vielleicht verführt durch den konservativeren Rahmen und weil das Besprechen internationaler Krisen (durch die merkliche Relation) dazu verleitet, in nicht-militärischen Fragen offener zu sprechen.

Österreichische Medien finden den Weg an die Isar trotzdem recht schwer, auch die vielen Online-Clips diverser Diskussions-Runden oder Keynotes werden nicht genutzt. Deshalb sind zwei sehr interessante Beiträge hierzulande ziemlich untergegangen; wiewohl sie beide starken Österreich-Bezug haben - im zweiten Beispiel etwa in Person des Kanzlers, der sich mit dem kanadischen Premier auseinandersetzen musste.

Das erste Beispiel featuret Mark Zuckerberg, den Alien, der Facebook gegründet hat und immer noch führt. In seiner Keynote gab es zwei mehr als bemerkenswerte Zugeständnisse; die bei genauer Betrachtung natürlich gar keine sind.

Zunächst gestand Zuckerberg, Facebook wäre
slow darin gewesen, die russische Desinformations-Kampagne bei der letzten US-Präsidentschaftswahl als solche zu erkennen. Das ist zum einen eine Übertreibung, weil Facebook ja nicht langsam, sondern gar nicht reagiert hat, und zum anderen ein schlechter Scherz, weil in Expertenkreisen ja schon vor den Wahlen warnende Stimmen laut geworden waren. Mit anderen Worten: Hier will uns jemand für blöd verkaufen und glaubt, mit der seit den legendären Senats-Anhörungen aufgesetzten Buster-Keaton-Miene mit dem Schwindel durchzukommen.

Die zweite wichtige Passage hat einen noch schlaueren Spin: Zuckerberg ersucht, ja bettelt (an die Europäer gewandt) um mehr Regulierung. Facebook wolle nicht, dass Privat-Firmen Entscheidungen in gesellschaftspolitischen Fragen treffen müssten, sondern sucht nach Leitung und Regulierung durch die Staaten, welche Diskurse erlaubt sein sollen. Und er definiert die Position von Social Media neu (wenn auch schwammig) als Mittelding zwischen der Medien-Industrie (mit ihrer inhaltlichen Verantwortung für alle Beiträge) und dem Telekommunikationsanbieter (the data just flows through you). Social Media sollte „somewhere in between“ stehen.

Das klingt aufs Erste erstaunlich konstruktiv. Aber letztlich verkauft der große Tycoon uns auch hier für blöd. Er putzt sich ab, er überlässt die wirklich heikle Frage (wie nämlich diese „in between“-Position aussehen soll) und die Verantwortung für den Diskurs-Rahmen anderen. Er geht also tempotechnisch von „slow“ zu „Stillstand“ über. Facebook selber hat keine Idee zu/über sich selber, das alte labbrige Credo des Social Networks, wo dann eben doch alles just flows through you.

Noch konstruktiver klingt eine weitere „Bitte“: die nach gerechterer Besteuerung. Dass sich Facebook wie auch die anderen Silicon Valley-Riesen dann, wenn sich die EU intern mit den von der Steuerschonung profitierenden Iren einmal geeinigt hat (was ein Zeiterl dauern kann), schon etwas einfallen lassen wird, um gut davonzukommen, ist auszugehen. Der in seinen Entscheidungsstrukturen schlanke Riese ist der supranationalen Behörde immer überlegen/einen Schritt voraus. Die aktuellen Schalmeien-Töne sind also reines Marketing-Bling-Bling.

Dass es auch anders geht, dass man auch konfrontieren kann, soll oder gar muss, wenn andere in der Debatte nur message-control-gerechtes Marketingsprech absondern, zeigte der kanadische Premier-Minister Justin Trudeau; ja, auch kein Heiliger - und dass er Kanzler Kurz nicht mag, hat er schon anlässlich dessen erster Regierung mit dem bösen Satz, dass er von Kurz inhaltlich noch weiter entfernt sei als von Donald Trump, schon bestätigt.

Sebastian Kurz mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau, am Freitag, 14. Februar 2020, anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz

APA/BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC

Trotzdem (denn diese Untertöne sind immer noch herauszuhören) ist das Ping-Pong (im Video ab etwa Minute 49:50 bis 55 zu sehen und hören) zwischen Kurz und Trudeau auch als Schlagabtausch der Argumente bemerkenswert. Kurz eröffnet mit der von ihm auch in den Wahlkämpfen immer wieder gern erzählten Geschichte über den Unterschied zwischen dem klassischen Einwanderungsland Kanada und dem Leider-Ja-Einwanderungsland Österreich: dass sich nämlich die Kanadier durch strenge Selektion die besser Ausgebildeten sichern würde und für Österreich eher nur die Unterprivilegierten/Ungebildeten übrigbleiben würden.

Trudeau kontert mit der fünfstelligen Zahl von Syrien-Flüchtlingen, die in seinem Land Aufnahme fanden und weist auf den seiner Meinung nach zentralen Unterschied hin: Kanada würde massiv in die Integration der Asyl-Werber/Migranten investieren - auch weil sich das ökonomisch in weiterer Folge eh rechnet. Subtext: Kurz/Österreich seien in diesem Feld säumig -> selber schuld. Kurz antwortet mit der Tatsache, dass Österreich sowohl absolut als auch natürlich relativ deutlich mehr an Kriegs-Flüchtlingen aufgenommen habe. Trudeau antwortet, dass er nix für den Atlantik könne und weist final darauf hin, dass Länder wie Jordanien, Libanon oder die Türkei siebenstellige Flüchtlingszahlen aufgenommen hätten und auch ohne eurozentristisches Gesuder auskommen würden. Applaus, nächstes Thema.

Von dieser Episode habe ich bei Kappacher und im Standard gelesen. Anderswo: kein Thema. Vielleicht weil es nicht bei einem Hintergrundgespräch lanciert wurde. Was wiederum eine Menge über den politischen Spin des heimischen Journalismus erzählt.

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