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2 Waschbären SEHR SÜß

Pixabay / CC0

In „Die Verwandelten“ werden zwei Teenager zu Waschbären

Die Teenager Aram und Fibi essen eine Beeren-Mischung, stellen sich in eine Autowaschanlage und drücken auf „Start“. Ein paar Minuten später sind sie Waschbären. Das passiert im Roman „Die Verwandelten“ von Thomas Brussig.

Von Felix Diewald

Was für eine Story! Das denken sich die Medien, die sofort in Reporter-Scharen anreisen. Und das denkt sich auch der Bürgermeister des ostdeutschen Kaffs Bräsenfelde, wo das Ganze passiert ist. Bräsenfelde – bald Tourismushochburg. Immer mehr Menschen kommen aus aller Welt, um sich die beiden Waschbären Aram und Fibi anzuschauen.

„Aram?“, fragte sie. „Warum bist du ein Waschbär geworden?"
"Warum bist DU ein Waschbär geworden?“, fragte Aram. „Guck dich mal an!"
"Ach du Scheiße“, sagte Fibi. „So kannst du nicht zum Probetraining.“
„Scheißegal“, sagte Aram. „Waschbär sein ist rabiat cool.“

„Waschbärendorf Bräsenfelde“

Fibi wird schnell zum Waschbären-Star. Aram kann im Gegensatz zu Fibi bald nach seiner Waschbären-Verwandlung nicht mehr sprechen und bleibt ein einfacher Waschbär - Autor Thomas Brussig zeigt mit diesem traurigen Antihelden, was passiert, wenn ein Phänomen nicht vermarktbar ist. Die sprechende Fibi hingegen wird ständig gefilmt wie im Dschungelcamp und bekommt eine eigene, tägliche TV-Show, die in einem Festivalzelt im Dorf aufgezeichnet wird. Triple-A-Promis wie Selena Gomez, David Beckham oder Lady Gaga kommen nach Bräsenfelde in Mecklenburg Vorpommern, das mittlerweile offiziell „Waschbärendorf Bräsenfelde“ heißt.

„Wow“, sagte Ed Sheeran.

Toll sind die erfundenen Backstage-Dialoge, die der Autor Brussig die Waschbärin Fibi mit Stars haben lässt. Zum Beispiel, als der Musiker Ed Sheeran zu Gast in der Sendung ist. Er fragt Fibi:

„Angenommen, du wärst jetzt wieder die Fibi. Es macht Bäng - und vor mir sitzt jetzt die, die du zuvor warst. Was hätte sich bei dir verändert durch deine Waschbärenphase?"
(...)
"Ich würde sagen: Du lebst nur einmal. Und dass jede Minute deines Lebens weg ist, wenn sie vorbei ist. Und dass Menschen wichtig sind, die dich verstehen und die an dich glauben, sonst gehst du ein wie ne Primel.“

"Die Verwandelten" von Thomas Brussig

Wallstein Verlag / Radio Fm4

„Die Verwandelten“ von Thomas Brussig (328 S.) ist am 3. Februar im Wallstein Verlag erschienen.

Absurder Plot, gut erzählt

Thomas Brussig wurde mit seinem ersten Roman „Helden wie wir“ bekannt. Es war ein satirischer Bestseller über die deutsche Wiedervereinigung. (Erwähnt sei hier auch das Drehbuch zu „Sonnenallee“ und der Roman „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“).

Und wie aktuell in „Die Verwandelten“ ging es auch in „Helden wie wir“ um eine fantastische Story: Einen Typen der behauptet, ganz allein für den Fall der Berliner Mauer verantwortlich zu sein. Absurde Plots gut erzählen, das kann der Autor also. Nur wirkt die Story in „Die Verwandelten“ stellenweise etwas gar konstruiert. Weil man oft schon vorausahnen kann, was als Nächstes passiert. So kommen die handelnden Personen mitunter einfältig rüber.

Nebenbei zeichnet Thomas Brussig, selbst in der ehemaligen DDR geboren, im Buch ein trostloses Bild von ostdeutschen Dörfern in der Jetztzeit. Über die Region rund um das erfundene Ort Bräsenfelde schreibt er: „Vor allem war der Landstrich rechtsradikal, und er hatte Gewohnheit darin, diese seine Eigenschaft zu ‚verdrängen‘“.

„Rabiat cool“

Brussigs Stärke sind die verrückten Dialoge, die Umgangssprache, und der Sound, den er verwendet. Da schreibt einer sehr direkt und mit einem Gespür für Echtheit. Ständig finden die Teenager etwas „rabiat cool“, und wenn Protagonistin Fibi nicht weiter weiß, sagt sie gerne: „Ich glaub ich krieg nen Eisprung.“

Wo ist die Message dieses Tier-Märchens?

„Die Verwandelten“ ist eine märchenhafte Tierfabel in der Gegenwart. Nur ist man sich am Ende nicht sicher, was jetzt die größere Lehre daraus sein soll. Ist das Buch eine Mediensatire? Geht es um Tierrechte? Um Ostdeutschland und das Erbe der DDR? Aber absurd, unterhaltsam und voll Sprachwitz, das ist das Buch mit Sicherheit. Und Tankstellen sieht man nach „Die Verwandelten“ für immer mit anderen Augen.

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