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Deichkind live in der Stadthalle

Christian Stipkovits/ radio fm4

Die große Party mit Deichkind in der Wiener Stadthalle

Deichkind 2020 live ist wie ein experimentelles Theaterstück - mit hunderttausend Akten, dramatischen Höhepunkten und einer fetten Abschlussparty.

Von Alica Ouschan

Deichkind kündigen sich selbst mit einem Video an, das schon ganz gut einleitet, worauf sich das Publikum an diesem Abend einlassen muss: Schauspieler Lars Eidinger, der zuletzt in den Musikvideos der Album-Singles (z.B. „Richtig gutes Zeug“) zu sehen war, liegt nackt auf dem Boden. An seinen Füßen hängt ein Seil. Er wird hochgezogen und in einen Topf voll blauer Farbe getaucht - sein Körper ist ein Pinsel, der Boden die Leinwand.

Es blitzt hinter dem Vorhang - er öffnet sich und gibt den Blick auf ein, für Deichkind untypisches, schlichtes Bühnenbild frei: Die blau bemalte Leinwand aus dem Video. Der Abend wird mit „Keine Party“ eröffnet: „Party haben wir jetzt gemacht - können wir ja wieder nachhause gehn, oder? Oder wollt ihr die ganze Deichkind-Sause?“

Mehr über das neue Deichkind-Album „Wer Sagt Denn Das?“ und den gelebten Widerspruch als Erfolgsformel gibt es hier.

Keine Party? Von wegen!

Der Jubel des Publikums bringt die Hamburger Band dazu, es sich nochmal anders zu überlegen - dann wohl doch Party. Sofort wird „Richtig gutes Zeug“ aus einem überdimensional großen Rucksack geholt. Die Kostüme der Deichkinder kommen heute ohne LED-Leuchten aus und sind genau so weiß-blau wie die Leinwand hinter ihnen.

Bereits nach dem zweiten Song gibt es einen Bühnenbild- und Kostümwechsel - nicht der letzte an diesem Abend. Plötzlich sind Leinwände und Kostüme rosa. Im Vergleich zu bisherigen Deichkindshows wirkt alles sehr minimalistisch und gleichzeitig extrem durchdacht.

Experimentelles Tanztheater und Schattenspiele

Statt fetten Lichtshows gibt es experimentelles Tanztheater mit verrückten Schattenspielen. Aber wer sagt denn, dass Deichkindshows nicht auch mal anders sein können?

Das neue Album ist gerade mal zur Hälfte durchgespielt, da ändern sich Bühnenbild und Kostüme bereits zum fünften Mal. Ob es am ungewohnten Bühnenbild liegt, oder daran, dass zu Beginn des Konzerts nur neue Songs gespielt werden - die Stimmung kommt vorerst nicht so richtig auf.

„Endlich spür ich was! Das Ticket, das ihr gekauft habt fängt an zu wirken!“

Deichkind lassen sich davon nicht beirren und sind gewohnt sozialkritisch. Vor dem Song „Die Welt ist fertig“ sagen sie: „Die Welt ist noch nicht fertig! Ihr müsst die alten Säcke abwählen - lasst uns das Ding gemeinsam aus dem Dreck ziehen!“ Jetzt haben sie endlich ihre Landebahn-Leuchtstäbe in den Händen und lotsen das Publikum in Richtung Partystimmung.

„Wer sagt denn das“ ist der Song, wo die Stadthalle endlich, aber dafür endgültig aufzuwachen beginnt. Das Bühnenbild besteht nun aus Schriftzügen des Songtexts, die Kostüme ebenso. Nach einer weiteren Tanztheatereinlage kommen die Deichkinder als Riesenköpfe mit Beinen auf die Bühne, deren Augen plötzlich gruselig rot leuchten.

Die Show geht abstrakt weiter - bei „Geist“ wird unter silbernen Decken getanzt, Kostüme aus Geldscheinen gibt’s bei „Gewinne Gewinne“.

Jetzt geht’s erst so richtig los

„Niemand hat hier die Absicht eine Wall of Death zu errichten!“ heißt es, während die Fans den ersten Moshpit des Abends anreißen. „Keiner will sich spalten! Keine Spaltung der Gesellschaft!“ - sehr wohl aber eine Spaltung des Publikums zu Party-Zwecken. „Illegale Fans“ erklingt, Luftschlangen fliegen durch die Halle.

Der Vorhang schließt sich - zum gefühlt zwanzigsten Mal an diesem Abend, um gleich darauf wieder den Blick auf ein neues Bühnenbild freizugeben. Echte Deichkind Fans wissen, dass es noch lange nicht vorbei ist und die Show gerade erst so richtig losgeht. Ein Video kündigt den zweiten Akt des Abends an: Verschwommene Bilder von einem Fass, einem Boot, Federn, bunten Lichtern, ein feierndes Festivalpublikum. Das kann nur eines heißen: Es ist Zeit für die ultimativen Party-Hits.

Bei „Bück dich hoch“ springen dann alle in der Halle. Wer gedacht hat, dass das vorhin schon Partystimmung war, muss sich jetzt warm anziehen. Mit „Leider geil“ und „Bon Voyage“ wird die Stimmung auf ein neues Level befördert.

Deichkind live in der Stadthalle

Christian Stipkovits/ radio fm4

Deichkind sorgen an diesem Abend für eine Überraschung nach der anderen. Ob vollkommen synchrone Trampolin-Choreografie, einem Riesen-Elektroscooter oder dem 10. Bühnenbild mit passenden Outfits.

Die Band, die die Party rockt

Die LED-Outfits inklusive den leuchtenden Pyramiden-Köpfen feiern zu „Arbeit nervt“ endlich ihr lang ersehntes Comeback. Auch das riesige Fass, das durchs Publikum gerollt wird, ist mittlerweile aus keiner Deichkind-Show mehr wegzudenken. Eine Fahne verkündet „Kein Bier für Nazis“ - die „Bude voll People“ eskaliert.

Als das Fass auf der Bühne ankommt ist es Zeit, die Saufsignale auszusenden. Die größte Hausparty Wiens scheint sich ihrem Höhepunkt zu nähern: „Wollt ihr mit uns ans Limit gehen?“ - auf diese Frage gibt’s nur eine richtige Antwort.

Die Party-Hymne Remmidemmi ist nicht überraschend die Zugabe und wie immer ein eigenes Spektakel für sich: ein riesiges Kackhaufen-Emoji auf der Bühne, Federn überall, ein Trampolin-Boot im Publikum. Selbst nach dem Ende der Show, geht die Show noch weiter - der Abgang ist ein absolut synchrones von-der-Bühne-Tanzen. Nach über zwei Stunden voll Ekstase, wünschen Deichkind „Gute Nacht, Kinder“ - mit dem Versprechen, dass sie wiederkommen.

Seit über zwanzig Jahren Musik zu machen, die so viele Leute anspricht und ihnen dabei hilft, einfach mal loszulassen, ist schon beeindruckend genug. Dass Deichkind es aber nach all dieser Zeit immer noch schaffen, sich live selbst neu zu erfinden, macht sie endgültig zu absoluten Party-Ikonen.

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