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King Krule abends auf einer Straße

XL Recordings

Lebenszeichen von King Krule: „Man Alive!“

Mit „Man Alive!“ meldet sich der Weirdo-Pop-Künstler King Krule nach dreijähriger Release-Pause zurück.

Von Michaela Pichler

Drei Monate ist es nun her, dass sich King Krule mit einem sechzehnminütigen Youtube-Video einer viralen Öffentlichkeit zeigt: Er betitelt den Clip mit „Hey World!“, ein Lebenszeichen, das seine Hörer*innenschaft mit offenen Armen empfängt. „When the world needed him the most, he appeared“, wird unter das Video kommentiert. Die Erwartungshaltung ist vor allem aufgrund King Krules letzter Veröffentlichung groß.

King Krule Plattencover von "Man Alive!"

XL Recordings Reuben Bastienne-Lewis

„Man Alive!“ von King Krule ist via XL Recordings Ltd. erschienen. Im März 2020 geht er auf Europa-Tournee und macht u.a. in Berlin, Amsterdam und Paris halt.

2017 gelang dem Musiker und Producer mit „The Ooz“ ein gefeiertes Album, das von Pitchfork auf Platz 3 der besten Alben des Jahres platziert wurde. Gleichzeitig war King Krule damit für den Mercury Price nominiert. Nach drei Jahren Release-Pause ist jetzt das dritte Album erschienen. Es heißt „Man Alive!“ - mit Ausrufezeichen - und soll auch genau das vermitteln: Hier ist jemand immer noch da, immer noch am Leben.

King Krule hat seine gewohnte Umgebung verlassen: Er ist von den verschwitzten Jazzkellern in Südlondon in die ländlichen Pubs in den Nordwesten des Landes umgesiedelt. Während Archy Marshall nämlich an seinem dritten Album gewerkelt hat, ist er zum ersten Mal Vater geworden und dem eigenen, kleinen Glück aufs Land gefolgt. Wer denkt, King Krule singt ab jetzt kindertaugliche Schlaflieder, der irrt. Auf „Man Alive!“ arbeitet sich King Krule wie gewohnt schroff und kantig an den weniger schönen Dingen des Lebens ab. Angst, Einsamkeit und Depression, ein Drogenrausch, der sich wie ein Albtraum anfühlt. Alles Zustände, die King Krule aus erster Erfahrung kennt.

Ein Album wie ein Fiebertraum

In dem Song „(Don’t let the dragon) Draag on“ vertont er das lähmende Gefühl von Desillusionierung - wie klingt es, wenn man morgens nicht mehr aus dem Bett komm? Bei King Krule vor allem langsam – künstlich verlangsamt, wie die eigene Stimme, die über einen humpelnden Beat und eine gelangweilte Gitarre wabert.

I self-medicate
„And how did you get this low?“
That’s what the illness spoke
For every word they had to say
Better off just leaving me this way.

Depression als Stimme im Kopf, die einen tiefer in den dunklen Sog negativer Gedankenspiralen hineinziehen will. Auch im Musikvideo zum Song fehlen jegliche bunten Lichtblicke, King Krule ist an einen Pfahl gebunden, über ihm der Mond und unter ihm ein gefährlich loderndes Feuer.

Hauptbestandteil des neuen Albums ist dunkler Jazz, den Kring Krule seit jeher verehrt - gepaart mit Spoken Word, Trap Hop und irgendetwas, das nach betrunkenen Sleaford Mods klingt. Dazwischen sampelt der verschrobene Solokünstler seine Musiker-Kollegin Nilüfer Yanya - allerdings fast bis zur Unkenntlichkeit und wieder in reduzierter Geschwindigkeit wie in „Airport Antenalal Aorplane“.

King Krule in einem verspiegelten Raum

Reuben Bastienne-Lewis

Auch das Saxofon ist am neuen Album wieder dabei. Es röhrt und kämpft im Nebel des Klangteppichs, der sich hartnäckig durch „Man Alive!“ zieht. Ignacio “Galgo” Salvadores, der Mann mit dem Saxofon, begleitet King Krule mittlerweile seit 2016 - damals hat er dem Solo-Künstler via Facebook ein Video seiner Sax-Künste geschickt. Der Song „Stoned Again“ ist so zum Beispiel schon vor vier Jahren gemeinsam mit Salvadores entstanden. Am deutlichsten tritt das Saxofon allerdings im Titel „Theme for the Cross“ hervor, eine schräge Nummer, die mit soften Disharmonien spielt und in der Klavier-Geklimpere in Geräusche von vorbeifahrenden Autos übergeht. Ein Sound, der das Risiko birgt, den Kopf zu verlieren. Irgendwo verträumt, aber doch zu nah dran am Fieber-Albtraum.

Außerhalb der Komfortzone

Archy Marshall hat als King Krule schon immer seine geschundene, alte Seele in seine Musik gelegt - das hat sich auch früher schon nach sperrigem Weirdo-Pop angehört. Mit Songs wie „Easy Easy“, „Baby Blue“, „Border Line“ oder „Dum Surfer“ konnte er allerdings immer noch Pop-Hörer*innen abholen. Doch auf „Man Alive!“ geht King Krule noch einige Schritte weiter und pfeift auf gewohnte Songstrukturen, kontinuierliche Harmonien und Ohrwurm-Tauglichkeit. Daraus entsteht ein diffuses Werk, in dem man sich erst zurechtfinden muss.

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