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Sucht und Drogen - Beratung, Entzug & Prävention

Etwa zwei Millionen Menschen in Österreich sind von Abhängigkeit betroffen. Sucht ist eine Krankheit, die behandelt werden kann. Wir haben uns die verschiedenen Möglichkeiten von individueller Suchthilfe bis zum klinischen Entzug angeschaut.

Von Alica Ouschan und Ambra Schuster

Du und deine Drogen

Themenschwerpunkt rund um Suchtmittel und Drogenkonsum

Von Montag bis Mittwoch, 24.-26.2.2020, auf Radio FM4

Seit der Jahrtausendwende, hat sich im gesellschaftlichen und gesetzlichen Umgang mit Suchtmittelkonsum einiges getan. Wo früher bestraft wurde, wird heute geholfen. Es gibt immer mehr anonyme und kostenlose Anlaufstellen, wo Betroffene Hilfeleistungen in allen Lebenslagen geboten bekommen.

In der Suchtberatung wird beispielsweise kein Abstinezanspruch mehr gestellt, sagt Lisa Wessely, die Leiterin vom Verein Dialog, einer Suchtberatungsstelle in Wien. Vielmehr ist das Ziel, dass Betroffene ihren Konsum reflektieren und individuelle Möglichkeiten gefunden werden, ihn zu reduzieren oder auch, wenn gewünscht, ganz aufzuhören.

So läuft ein Beratungsgespräch ab

FM4 Auf Laut
Heute Abend diskutiert Claudia Unterweger in FM4 Auf Laut zum Themenschwerpunkt „Du und deine Drogen“ mit Ayahuasca-Nutzerin Susanne und Bettina Hölblinger von CheckIt! Wien. Ruf an und diskutier mit unter 0800 226 996, ab 21.00 Uhr am 25.2.2020.

Bei Institutionen wie dem Verein Dialog können Menschen anonym und kostenlos den Weg aus ihrer Sucht bestreiten. Nachdem ein Termin vereinbart wurde, findet zuerst ein psychotherapeutisches Gespräch statt. Hier wird ermittelt, wie lange die Sucht besteht, wodurch sie entstanden ist und was die strukturellen Bedingungen und Hintergründe im Leben der einzelnen Klient*innen sind.

Dabei ist eine personenbezogene Vorgangsweise enorm wichtig. Sucht ist eine sehr individuelle Geschichte, nun muss der optimale Umgang für jede einzelne Person gefunden werden. Beim Verein Dialog darf man als Klient*in entscheiden, ob man das Therapiegespräch lieber mit einer männlichen oder weiblichen Person* führen möchte.

Anschließend gibt es ein ärztliches Gespräch, wo die körperliche Komponente der Sucht besprochen wird. Dann wird je nach Substanz und Ausprägung der Sucht das weitere Vorgehen entschieden. Die häufigsten Substanzen sind Heroin und Alkohol, aber auch Cannabis und Mischformen, beispielsweise in Kombination mit Medikamenten.

Suchtbehandlung in der Klinik

Im Gespräch mit Dr. Shird-Schindler, dem Leiter des Zentrums für Suchtkranke im Otto-Wagner Spital, und Psychiaterin Dr. Iris Zachenhofer hat sich ergeben, dass hier vor allem jene Personen betreut werden, bei denen die körperliche Begleiterkrankungen der Sucht so stark sind, dass sie in einem vollausgerüsteten Spital behandelt werden müssen. Im Gegensatz zu einer Drogenberatungsinstitution, die ambulant funktioniert, wird man im Zentrum für Suchtkranke auch kurzfristig stationär behandelt.

Das Zentrum für Suchtkranke arbeitet eng mit dem Wiener Sucht- und Drogenhilfsnetzwerk zusammen. Wenn jemand in das Otto-Wagner Spital kommt, wird zuerst geschaut, ob es der momentan ideale Behandlungsplatz ist, oder eine andere ambulante Einrichtung doch geeigneter wäre.

Behandlungen im Zentrum für Suchtkranke sind meist stationäre Aufnahmen zur Entzugsbehandlung von Alkohol und anderen Substanzen des Beikonsums. Um den Weg zurück in den Alltag zu erleichtern, kommen die Klient*innen anschließend in eine Tagesklinik. Hier bekommen sie untertags Therapien wie Psychotherapie und Ergotherapie, um dann am Wochenende und Abends wieder Fuß im „echten“ Leben zu fassen.

Gemein haben Spital und Beratungseinrichtung, dass die meisten Menschen von selbst zu ihnen kommen oder von einer anderen Stelle überwiesen werden, in manchen Fällen auch durch eine gerichtliche Verordnung. Außerdem muss sich niemand, der sich freiwillig in Behandlung begibt, vor rechtlichen Konsequenzen fürchten. Drogenberater*innen halten sich sehr streng an ihre Schweigepflicht, die Polizei wird nicht informiert. Die Behandlung der Menschen steht im Vordergrund. Es wird jedoch niemand zu einer Reduktion des Konsums oder zur Abstinenz gezwungen. Die Behandlung muss zu 100% freiwillig passieren.

Rauchende Person von hinten im Dunkeln

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Substitution statt Entzug

Die Erfahrung zeigt, dass besonders bei schweren Fällen von Opiatabhängigkeit ein Entzug oft weniger Erfolgschancen hat, da stark Abhängige zur Rückfälligkeit neigen. „Wirkliche Opiatentzüge machen wir in der Regel nicht. Wenn Leute gut auf eine Substitution eingestellt sind, dann ist das sehr stabilisierend und es macht wenig Sinn, damit aufzuhören. In der Regel geht es eher um den Zusatzkonsum von Dingen wie etwa Kokain oder Benzodiazepine“, sagt Dr. Shird-Schindler. Ein Entzug ist unglaublich belastend und strapazierend für den Körper, weshalb sich mittlerweile andere Wege etabliert haben, mit der eigenen Sucht umzugehen.

Die Möglichkeit der Substitution hat hierbei große Fortschritte gebracht. Hier wird dem Körper der Stoff über Substitute, also klinisch getestete Medikamente zugeführt. So wird nicht nur ein körperlicher Schaden vermieden, der Körper wird auch keinem Entzug ausgesetzt. Die Hälfte der Menschen, die substituiert sind, kann ganz normal leben und arbeiten, die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zur echten Droge sinkt.

Sucht ist strukturell bedingt

Abhängigkeiten sind selten rein körperlich. Dass Sucht strukturell bedingt ist, sagt nicht nur Lisa Wessely, sondern auch der Leiter der Drogenberatungsstelle CheckIt!, Karl Schubert-Kociper. Prinzipiell hat jeder Mensch ein Belohnungssystem im Gehirn, ein Suchtzentrum, und dementsprechend ist auch jeder Mensch suchtgefährdet.

Natürlich gibt es auch Menschen, die im Leben stehen und trotzdem in eine Sucht abrutschen. Es gibt jedoch Faktoren, die eine Suchtentwicklung stark begünstigen können. Und die gilt es, aus den gesellschaftlichen Strukturen rauszubekommen. Menschen die ein stabiles Umfeld haben, finanziell abgesichert sind und Unterstützung von Familie und Freundeskreis bekommen, sowie einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, die ihnen Freude bereitet, neigen weniger dazu, in eine Sucht abzurutschen.

Psychiaterin Dr. Iris Zachenhofer stellt fest, dass Drogen oft die Funktion zukommt, einen leeren Platz im Leben der Menschen zu füllen. Der Weg aus der Sucht ist deshalb auch so schwer, weil die Drogen eine Zeit lang den kompletten Lebensinhalt dargestellt haben. Wenn sie weg sind, kommt die Leere zurück und mit ihr all die Belastungen, die während der Abhängigkeit ignoriert werden konnten: Geldprobleme, Einsamkeit, Arbeitslosigkeit.

Wenn die Sucht das Leben bestimmt hat, gilt es nach erfolgreicher Behandlung, Schritt für Schritt neu Fuß zu fassen. Auch dabei garantieren Drogenberatungsstellen wie der Verein Dialog oder CheckIt! und auch die Tagesklinik im Otto-Wagner Spital die nötige Unterstützung.

Präventionsarbeit ist ein Bildungsauftrag

Nicht nur die Betreuung von Suchtkranken steht bei diesen Institutionen im Vordergrund. Auch die Prävention bildet einen wichtigen Aspekt ihrer Arbeit. Information, Bildung und Kommunikation spielen eine große Rolle in der Prävention.

Sucht ist nach wie vor ein Thema, über das eher hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird, obwohl eine offene Konversation über Sucht und Drogen vor allem junge Menschen davor schützen könnte. Laut den befragten Expert*innen ist vor allem die Schule ein Umfeld, wo mehr über die Auswirkungen von Drogen gesprochen werden sollte.

Eine Person, die ebenfalls mit uns gesprochen hat, ist Günter. Günter ist 52 Jahre alt und seit 2001 Klient beim Verein Dialog. Heute arbeitet er bei Shades Tours Wien. Dort erzählt er Schulklassen von seiner Vergangenheit, wie er in die Sucht reingekippt ist und wie er es herausgeschafft hat. Als Betroffener ist er der Meinung, Information sei die beste Prävention und eine Beschäftigung zu finden, die einem Spaß macht. Tourguide bei Shades Tours ist der erste Beruf, den er mit Freude ausübt.

Heute Abend diskutiert Claudia Unterweger in FM4 Auf Laut zum Themenschwerpunkt „Du und deine Drogen“ mit Ayahuasca-Nutzerin Susanne und Bettina Hölblinger von CheckIt! Wien. Ruf an und diskutier mit unter 0800 226 996, ab 21.00 Uhr am 25.2.2020.

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