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MARC CARNAL

Ich leide unter dem brandneuen Gefühl Alien-Scham

Es wäre mir sehr peinlich, wenn Aliens ausgerechnet in Situationen bei uns landen würden, die einen besonders schlechten ersten Eindruck von der Menschheit vermitteln.

Eine Kolumne von Marc Carnal

Ich glaube, ich habe ein Gefühl erfunden. Umfragen im Bekanntenkreis sowie Google-Recherchen legen das zumindest nahe. Niemand außer mir scheint unter dem Gedankenspiel zu leiden, dass Außerirdische im völlig falschen Moment auf Erden landen und dadurch einen schlechten ersten Eindruck von der Menschheit bekommen könnten.

Um dieses Gefühl überhaupt verspüren zu können, muss man natürlich ernsthaft in Betracht ziehen, dass im Rahmen des eigenen Lebens noch Außerirdische bei uns landen werden. Dass sie bereits gelandet sind, die Menschheit unterwandert und diverse Würdenträger durch Reptiloide ersetzt haben (z.B. Papst Pius XII., George Bush, Harald Mahrer uvm.), glaube ich ehrlich gesagt nicht. Aber ich gehe insgeheim davon aus, dass ich die Ankunft der Außerirdischen erleben und so Zeuge des wohl größten Ereignisses der Menschheitsgeschichte werde. Wenn schon nicht vor Ort am Landeplatz, dann hoffentlich wenigstens über einen Livestream in der TVthek.
Und genau der Landeplatz ist es, der meine vorauseilende Alien-Scham verursacht.

Ich weiß ja nicht, ob sich die feinen Herrschaften aus dem All so genau überlegen, wann und wo sie landen, oder ob sie einfach aufs Geratewohl herdüsen und ratlos im Orbit herumschwirren, bis einer von ihnen sagt (der Kommandant, falls es einen gibt): “Wurscht, fliegen wir doch einfach in die Mitte von dem kleinen Land da mit der komischen Form, ok?” Und dann beamen sie sich z.B. nach Hollabrunn.

Invasoren oder nette Typen?

Wäre es nicht ur scheiße, wenn die Aliens in eine Situation reinplatzen, die ihnen einen viel zu schlechten ersten Eindruck von der Menschheit vermittelt? Klar, wenn sie uns eh nur vernichten oder versklaven wollen, kann uns das egal sein. Wenn die Außerirdischen allerdings nette Spezln sind, aber ausgerechnet bei einem Open Air vom Nockalm Quintett landen, wäre das doch überhaupt nicht repräsentativ und ein bisschen peinlich. Dann denken sich die grünen Männchen wohl “Aha” und fliegen unverrichteter Dinge wieder auf den Heimatplaneten zurück.

Buchcover "Die sieben Säulen des Glücks"

Milena Verlag

Ich schaue ja regelmäßig im FM4-Shop vorbei, um zu runden Geburtstagen oder goldenen Hochzeiten die FM4 Badematte zu verschenken. Wer keine Badematte braucht, kann dort aber auch meine Textsammlung Die 7 Säulen des Glücks bestellen!

Die vorauseilende Alien-Scham ist schon so selbstverständlich für mich, dass ich mir regelmäßig denke: “Bitte nicht jetzt kommen, liebe Aliens, bitte NICHT JETZT!” Ich fände es eben nicht ideal, wenn sie aus Versehen in einer Bundesheer-Kaserne landen und mit ansehen müssen, wie betrunkene Rekruten reihum auf einen ausgestopften Marder ejakulieren. Was für ein misslungenes Entree! Oder das erste, was die Aliens zu Gesicht bekommen, sind drei keuchende Mittvierziger, die in einem Escape Room mit Taschenlampen in ihren Mündern hektisch ein Kork-Puzzle zu lösen versuchen, um eine fiktive Zombie-Invasion zu überleben. Da kennen sich die Armen doch überhaupt nicht aus!

WG-Party, Schispringen, Nordkorea

Ich fände es sehr unangenehm, wenn die Aliens plötzlich um drei Uhr Früh bei einer WG-Party mit Hippie-Dresscode auf der Matte stehen, auf der die Gäste gerade wie Indianer zu Cotton Eye Joe tanzen. Sie würden wohl auch reichlich deppert schauen, wenn in Berchtesgaden bei Minusgraden zehntausende Menschen kreischend Fahnen schwenken, weil über ihren Köpfen ein anorektischer Zwerg in hautenger Kleidung mit drei Meter langen Brettern auf den Füßen einen Berg hinabsegelt. Und es wäre äußerst rufschädigend für die Menschheit, wenn sich die Außerirdischen justament in den Darkroom am Gamsleder-Fetischabend auf der Andreas-Gabalier-Kreuzfahrt beamen.

Am Hauptplatz von Pjöngjang singen tausende Frauen in schwindelerregenden Oktaven zu einer militärisch genauen Choreographie ein Loblied auf ihren fetten Führer? Bitte woanders landen, liebe Aliens! Dutzende Irre lassen sich auf Geheiß eines Energy-Drink-Herstellers freiwillig in flugunfähigen, selbstgebauten Flugzeugen von einer Rampe in einen See fallen und ernten für ihre Verletzungen Applaus? Schlechter Ersteindruck der Menschheit! Betrunkene in Teufelskostümen prügeln bei klirrender Kälte andere Betrunkene ohne Teufelskostüme? Bleibt besser zu Hause, Marsianer!

Meine ausgeprägte Alien-Scham darf selbstverständlich belächelt werden. Es ist ein idiotisches und nutzloses Gefühl, das mich da regelmäßig heimsucht. Es gibt gute Gründe dafür, dass Alien-Scham kein massentaugliches Phänomen zu werden droht. Aber man könnte es auch so sehen: Dem einen oder anderen Vollpfosten, der gerade dabei ist, Grässliches zu tun, Schändliches zu planen oder Übles zu veranstalten, würde das Gedankenspiel gar nicht so schlecht tun.

Hey du! Ja genau, DU! Vielleicht solltest auch du dich öfter mal fragen, was die Außerirdischen wohl denken würden, wenn sie dich gerade sehen müssten!

Womöglich wäre die Welt ein etwas besserer Fleck im Universum, wenn wir alle ein bisschen mehr Alien-Scham hätten.

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