„Blue Moon Rising“: Der Cosmic-Pop des Noel Gallagher

Ex-Oasis-Mastermind Noel Gallagher veröffentlichte mit seinen High Flying Birds den letzten Teil einer EP-Trilogie: „Blue Moon Rising“ folgt auf „This Is The Place“ und „Black Star Dancing“. Noch nie zuvor ging Noel Gallagher vom Sound von Oasis so weit weg wie jetzt.

Von Eva Umbauer

Da ist diese wunderschöne Melancholie in „Blue Moon Rising“. Alles ist zart melancholisch - die Beats, die Stimme von Noel Gallagher und der Songtext: „There’s a storm out on the horizon, and it’s coming our way, by the light of the blue moon rising. Shall we just run away? Will I meet you down on the corner?“

Der Mond und die Sterne am Nachthimmel. Der Himmel im Nordwesten von England, wo Noel Gallagher aufwuchs, muss ein ganz besonderer sein. Schon ein anderer großer Britpop-Sohn aus dieser Gegend, Richard Ashcroft von The Verve, schwärmte vom nächtlichen Firmament seiner Heimat, das er so liebt, seit er als Kind mit seinem Großvater auf kleine Wanderungen im Dunkeln ging und dabei nicht genug bekommen konnte vom Mond und den Sternen. Am Nachthimmel von Noel Gallagher sehen wir gar einen Kometen, einen „Wandering Star“, auf der EP „Blue Moon Rising“.

Noel Gallagher durch Remixe besser kennen lernen

„Blue Moon Rising“ ist die letzte EP in der Trilogie, die Noel Gallagher letztes Jahr zu veröffentlichen begann. Jede dieser EPs, also Mini-Alben oder erweiterte Singles, umfasst fünf Songs. Drei Songs und zwei Remixes. Letztere fertigte der in London lebende französische DJ und Producer Nicolas Laugier aka The Reflex an. Das tolle daran: Sie verdeutlichen beim Hören, was in den Songs des Noel Gallagher steckt. Nicolas Laugier arbeitet das genau heraus und zeigt es einem. Seine Remixes atmen und lassen einen den Musiker Noel Gallagher genauer kennenlernen.

Nicolas Augier arbeitet ausschließlich mit den originalen Mastertapes eines Musikstücks und bereitet sie komplex auf. Kein anderer Remixer scheint so viel Zeit und Liebe zum Detail in diese Arbeit zu stecken als The Reflex. Noel G. ist schon länger ein Fan des Franzosen, der selbst einmal Songs schrieb und in einer Gitarrenpopband spielte, und so remixte The Reflex etwa schon vor ein paar Jahren Songs von Noel Gallagher’s High Flying Birds, nämlich „The Mexican“ oder auch „She Taught Me How To Fly“.

Noel Gallagher und der Dancefloor, diese Beziehung ist nicht ganz neu, wenn man bedenkt, dass Noel einmal einen Song zusammen mit den Chemical Brothers machte und einen mit Goldie, jenem englischen Jungle/Breakbeat/Drum-And-Bass-Künstler. Noel spielte bei „Temper Temper“ von Goldie damals, Ende der 90er, die Gitarre, während er 1996 bei „Setting Son“ von den Chemical Brothers sang. Aber jetzt hat Noel den Groove so richtig gefunden.

Weit weg und trotzdem nah

Noel Gallagher geht mit „Blue Moon Rising“ also weit weg von Oasis, dennoch erkennt man ihn sofort wieder. Sein Songwriting ist einfach richtig gut, mit tollen Arrangements. Der Song beginnt mit einem Synth-Rhythmus, der die ganze Zeit über bleibt und dem Song die elektronische Charakteristik gibt, die Gitarre kommt erst nach zwei Minuten. Auf der Stimme von Noel liegt ein Hall, der seine Stimme weicher macht, dem Song erst etwas Ätherisches gibt, zusammen mit der beinahe engelhaften Melodie. Und dann baut sich das Stück auf, mit weiteren Synths, und erreicht diese große Energie.

Noel Gallagher: „The track ‚Blue Moon Rising‘ started off by accident. It was just a groove in the Studio, and a bassline - I was trying to play something else and it didn’t work, I couldn’t play it on the keyboard. The song came out of nothing. I had the groove for ages, and then a song appears.“

Mit Noel im Club

Im Video zum Titelsong der neuen „Blue Moon Rising"-EP tauchen wir ein in einen Club in London, einen, den es wirklich gibt, er heißt Scala. Im Neonlicht und in den dunkelroten und blauen Fluren des Clubs tanzen der „Unbroken“-Schauspieler Jack O’Connell und die Schauspielerin Gala Gordon aus „Bulletproof“ oder „Abigail Falls“. Noel Gallagher selbst ist auch zu sehen.

Wem dieser Cosmic-Pop des Noel Gallagher zu weit von Oasis entfernt ist, nun, Bruder Liam Gallagher hält den Oasis-Sound ja am Leben, mit seinem aktuellen Solo-Album und den Oasis-Songs, die er bei seinen Konzerten in nicht gerade kleiner Zahl spielt. Aber das ist ok, für die „alten“ Fans und auch die jüngeren, die Oasis nie live erleben konnten, aber das Phänomen Oasis dennoch erfahren möchten.

Noel Gallagher hingegen widmet sich heute Songs wie „Black Star Dancing“ - von der ersten EP seiner Trilogie, vom letzten Sommer -, samt Disco-Remix, wieder von The Reflex. Der Beat von „Black Star Dancing“ ist „four-to-the-flour“, die Synthies schimmern und das Gitarrensolo ist wohl eine Ehrerweisung an David Bowie und den Song „Fashion“ aus seinem 1980er Album „Scary Monsters“.

Ungewohnte Orte mit bekanntem Führer

Die EP-Trilogie von Noel Gallagher bietet aber durchaus auch Traditionelleres. Space-Rock, akustische Gitarren, beseelter Indie-Folk und soulige Grooves. Manchmal erinnert das ja ein wenig an die Doves, eine Girarrenpopband aus dem englischen Norden, und deren frühe Songs, oder auch an andere musikalische „Helden“ des englischen Nordwestens - an die Stone Roses, Happy Mondays oder die Smiths, aber auch Primal Scream hört man manchmal raus.

Mit der EP-Trilogie der High Flying Birds ist Noel Gallagher noch immer Noel Gallagher, aber manchmal sucht er eben ungewohnte Orte auf. Das macht diese drei EPs so interessant.

Gehen wir jetzt noch Sterne gucken mit Noel Gallagher. Einen Kometen sehen wir dabei, einen Stern mit leuchtendem Schweif: „Let me be the star to guide you home“, singt Noel. Der Song heißt „Wandering Star“ und kommt von der brandneuen „Blue Moon Rising“-EP von Noel Gallagher’s High Flying Birds. Noel und der Stern weisen uns den Weg nachhause, bevor uns alles zu viel wird - der Dancefloor, der ungelöste Liam-Noel-Konflikt und eine noch immer nicht mögliche Oasis-Reunion,... Danke, Noel!