Gender im Festival-Check: So (un)ausgewogen sind elektronische Festivals
Von Michaela Pichler
Insgesamt 675 Festival-Editionen in 46 unterschiedlichen Ländern bilden die Datengrundlage für female:pressure und ihre FACTS 2020. Zum bereits vierten Mal hat das Netzwerk es sich zur Aufgabe gemacht, elektronische Festivals und deren Line-Ups aus der ganzen Welt genau unter die Lupe zu nehmen. 2013 sprachen die Zahlen der ersten Studie in punkto Unausgewogenheit deutlich für sich: Mit einem Durchschnitt von nur 10% stellten weibliche* Artists hinter Plattentellern und Mischpulten nicht die Norm, sondern vor allem die Ausnahme in der globalen Festivallandschaft dar. Auch zwei Jahre später schien sich dahingehend fast nichts geändert zu haben. Erst die aktuellsten Zahlen des FACTS-Survey lassen in den letzten drei Jahren einen Anstieg weiblicher* Artists erkennen. Im Durchschnitt ist dieser auf 25% gestiegen.
Female:Pressure
female:pressure wurde 1998 gegründet und ist ein internationales Netzwerk und eine Datenbank zur Sichtbarmachung von weiblichen*, transgender und non-binary Artists in der elektronischen Musikszene.
Vorbilder und Nachholbedarf
Am besten schnitt in den letzten drei Jahren das Heroines of Sound in Berlin ab, ein kleineres Festival mit rund 20 performenden Artists. Heroines of Sound hat sich dasselbe Ziel gesetzt wie female:pressure, nämlich weiblichen* Acts eine Bühne zu liefern und sie sichtbar zu machen.
Female:Pressure
Auch ein österreichisches Festival ist im vergangenen Jahr unter den Top 10 der Gender-ausgeglichensten Festivals dabei: das Hyperreality ist mit 63,3% weiblichen* Acts auf Platz 2 im Gender-Ranking. Seit 2017 macht sich das Clubkultur-Festival in Wien unter der Leitung von Marlene Engel für Diversität stark, zuerst noch im Rahmen der Wiener Festwochen, seit 2019 unabhängig davon. Aber auch in der Liste der Festivals mit den höchsten männlichen* Anteilen ist Österreich mit dem springfestival 2019 in Graz dabei: Im letzten Jahr waren 86,6% der performenden Artists männlich* und nur 11,7% weiblich*.
Female:Pressure
Erstmals wurden neben den Gender-Verhältnissen in den Line-Ups auch die Zusammensetzung der Kurator*innen-Teams der Festivals untersucht und hinterfragt, ob die Festivals mit öffentlichen Mitteln finanziert worden sind. Wenig überraschend stellt female:pressure fest: Waren ausschließlich Frauen für das Line-Up auf elektronischen Festivals verantwortlich, wurde auch das Line-Up ausgeglichener. Waren die Veranstaltungen zum Beispiel mithilfe von staatlichen Subventionen finanziert, waren sie auch gendertechnisch diverser.
Fazit der female:pressure-Studie: 25% sind besser als noch die kargen 10% vor acht Jahren – 25% sind aber noch lange nicht gut genug. Es gibt immer noch Luft nach oben, denn von 50:50 ist das Ergebnis des aktuellen FACTS-Survey leider noch weit weg, auch was die Repräsentation von non-binary Artists und People of Colour angeht dürfen wir uns von Festivalmacher*innen in Zukunft mehr wünschen.
Informieren & Mitdiskutieren
Die Studie FACTS 2020 wird heute im Rahmen des Internationalen Frauen*tages um 18:00 im Colab in der Schweglerstraße 46 in Wien präsentiert: Es diskutieren Susanne Kirchmayr aka Electric Indigo (female:pressure), Marlene Engel (Hyperreality), Gerald VDH (Meat Market), Elisabeth Bakambamba Tambwe (Chateau Rouge) und Grace Schella (female:pressure, Electropia).
Alle Infos zu female:pressure und FACTS 2020 gibt es hier!
Publiziert am 08.03.2020