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Kontrollen wegen des Corona-Virus

APA/EXPA/ JOHANN GRODER

Blumenaus 20er-Journal

Corona, Klima und wir

Um einen unberechenbaren Virus einzudämmen, nehmen wir Einschränkungen unseres gewohnten Lebensstils hin. Um die berechenbare Klima-Katastrophe aufzuhalten, tun wir das nicht.

Von Martin Blumenau

Bisher wurde mir die langjährige (gibt’s dieses Wort auch in Jahrzehnte-Dimensionen?) und weitgehende Tatenlosigkeit, was ernsthafte politisch-regulative Maßnahmen gegen die drohende (und mittlerweile nur noch von gekauften Lobbyisten und echten Idioten geleugnete) Klima-Katastrophe betrifft, immer mit der hohen Abstraktion der Szenarios erklärt. Die etwa auch verhindern würde, dass Menschen entsprechenden Druck an ihre Verwaltungen weitergeben. Nicht weil die Auswirkungen zeitlich zu weit entfernt wären, sondern vor allem gedanklich.

Ich hab das nie ganz verstanden. Weil, nur zum Beispiel: Landschaftliche Verödung durch Bodenversiegelung oder tropische Hitze in vormals gemäßigten Klimazonen, Wegfall von Lebensraum durch den steigenden Meeresspiegel, daraus resultierende Fluchtbewegungen - viel konkreter geht’s doch gar nicht.

Umgekehrt bin ich eher Skeptiker was die sofort in Ausrottungs-Szenarien mündende Angst vor im Ansatz pandemischen Krankheiten betrifft. Und zwar weil die Verläufe von globalen Krankheiten (und seit Erfindung von Fortbewegungsmitteln wie etwa dem Schiff ist jeder große Ausbruch letztlich global) einander ähneln, weshalb es klare Notfall-Pläne gibt (die österreichweit größte Expertin ist übrigens eine Frau, die zuletzt politisch Karriere gemacht hat - man hört dieser Tage aber nichts von ihr, seltsam...), die in allen Fällen auch gegriffen haben. Für den Umgang mit der Klima-Krise gibt’s es diese relativen Sicherheiten nicht.

Nun ist es beruhigend anzusehen, wie unproblematisch und letztlich widerspruchsfrei die Beschränkungen der individuellen Freiheiten (wie das Recht auf Versammlung oder das absurde Recht toxischer Männlichkeit sich nach dem Stehpinkeln nicht die Pfoten waschen zu müssen) angenommen werden, um einer höheren Sache dienlich zu sein: dem Wohl der Mitmenschen, dieser Tage in erster Linie der Alten.
Reduktion als Rücksichtnahme. Das nicht Notwendige runterschrauben, mehr Vorsicht und Achtsamkeit im Umgang miteinander. Es geht drum unser Leben, unseren Lebensstil, unsere Lebenskultur (Zitat Anschober) zu ändern.

Man merkt vielleicht, ich interpretiere die Maßnahmen nicht in dem negativen Licht dessen Beachtung demokratiepolitisch auch durchaus angebracht ist - Stichwort: Generalprobe für die komplette Stilllegung einer Gesellschaft.

Und obwohl es für einige existenzbedrohende Folgen haben wird - etwa für Freiberufler*innen, die in den nächsten Wochen Aufträge oder Auftritte nicht annehmen oder durchführen können, die fallen durch die Absicherungsnetze und werden Probleme haben ihre Miete zu bezahlen - zweifelt niemand am Prinzip des Handelns. Irgendwie wird es sich für die Einzelnen schon ausgehen, mit der Verlagerung oder dem Aussetzen von Arbeit oder der Kinderversorgung, falls Schule und Kindergärten auch noch sperren, die Wirtschaft hat sowieso ihre direkten Verbindungen um die Ausfälle (zumindest indirekt) ersetzt zu kriegen. Es ist also mehr als nur eine Frage des Stils und der Kultur: es ist eine Frage von ökonomischem Verzicht, ein drastischer Griff ins Geldbörsl. Und es wird sicher noch Gezeter und Gezerre um Einzelheiten geben und sicher auch ekelige Geschichten um gruselige Beispiele, wo Menschen oder ganze Gruppen nicht mitgedacht und/oder im Stich gelassen wurden.

Aber: der Wille zu diesen Opfern in Lebensstil und Finanzeinschnitt, der ist da. Und es sind wahrscheinlich weniger die Mitmenschen, sondern es ist in erster Linie die Angst ums eigene Leben, der diese Opfer gebracht sind.

Nun ist die Gefahr an einem unbekannten Virus zu versterben deutlich geringer als die Gefahr in einer künftigen, nicht rechtzeitig klimageschützten und kaputtgegangenen Welt nicht zu überleben. Sehr deutlich sogar. Denn die Folgen treffen uns alle (außer vielleicht dem obersten Prozent, das es sich richten wird können).
Die Opferbereitschaft aber geht ins zwergenhafte. Kein SVU, kein Fleisch, keine Fliegerei - das ist doch echt zu viel Tugendterror, Die Angst vor Corona hat die Flugtätigkeit der Österreicher*innen innerhalb weniger Tage auf ein Minimum reduziert - die Angst vorm Welten-Kollaps hat nichts dergleichen zusammengebracht.

Dabei sind die Folgen für alle deutlich dramatischer; und zwar die Folgen des Nichtstuns. Der durch die Corona-Ängste problemlos durchgebrachte Quasi-Shutdown führt jetzt zwar zufällig und en passant dazu, dass Vielfliegerei und unnötiges klimabelastendes Reisen zurückgeht, er zeigt aber auch wie leicht effektive Maßnahmen dann durchzubringen sind, wenn sich eine Mehrheit der Menschen bedroht fühlt. Warum das beim anderen, größeren, bedeutsameren, nachhaltiger wirkenden Thema nicht so ist, geht über meine Vorstellungskraft.

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