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Mit Akzent

Die Beichte eines Hypochonders

Das Coronavirus hat alles überrascht, außer den gelernten Hypochonder Todor.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Ich wusste schon immer, dass das passieren wird. Ich stelle mir immer vor, dass die Katastrophen aus den Filmen Wirklichkeit werden, und ich habe Recht. Es gibt so viele Filme über globale Viruspandemien.

Ich diagnostiziere mich selbst immer mit mehreren Krankheiten. Niemand hat mir geglaubt, da ich oft widersprüchliche Symptome hatte, also musste ich alle Medizinlehrbücher durchlesen. Ich kann hören, wie jeder Nerv zu mir spricht. Und sie sprechen die ganze Zeit zu mir. Denkt nicht, ich bin verrückt, ich denke nur voraus.

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Mit Akzent: Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov. Alle Folgen der Kolumne gibt es hier als Podcast.

Deshalb bin ich schon längst vorbereitet. Ich habe einen Atombunker in meinem Keller gebaut. Ich musste davor alle Bücher über Bauingenieurwesen studieren. Seit mehr als zehn Jahren gieße ich den Beton. Der Bunker hat zwei Ausgänge – der eine befindet sich ungefähr 200 Meter von meiner Wohnung entfernt. Der zweite ist 1,5 Kilometer weiter weg. Ich habe ein System zur Luftreinigung nach doppelten Standards gebaut – nach amerikanischem und nach russischem, da ich nicht weiß von woher die Gefahr kommen wird. Ich traue niemandem. Ich habe einen Elektrogenerator und genug Diesel für die nächsten zwei Jahre. Wenn der Sprit ausgeht, habe ich einen zweiten Generator, der pedalbetrieben ist. Das ist gut für die Gesundheit. Ich habe an alles gedacht.

Der Coronavirus hat alle überrascht, aber mich nicht. Ich trage sowieso schon immer eine Maske. Ich kann mich an mein Gesicht ohne Maske gar nicht mehr erinnern. Das letzte Mal habe ich die Maske weggenommen, als ich Passfotos machen musste. Mein Nachbar nennt mich hinter meinem Rücken „Darth Vader“ und glaubt, ich sei „exzentrisch“.

Aber vor zwei Monaten ging alles schief. Ich traf auf der Straße auf ein Mädchen, das auch eine Darth Vader Maske trug. Endlich eine verwandte Seele. Sie sah wie jemand aus, mit dem ich meinen Bunker teilen könnte. Wenn wir gewisse sanitärer Vorsichtsmaßnahmen einhalten, könnten wir auch Kinder haben. Ich wollte sie ansprechen. Bis ich ihr nähern konnte, verschwand sie. Sie ging im Park neben an und tauchte unter. Wahrscheinlich hatte sie dort einen geheimen Eingang zu ihrem Bunker. Ich suchte lange danach, ich fasste jede Parkbank an, ich drehte jeden Mülleimer um und schaute sogar in den Brunnen rein. Vergebens. Ich habe sie fast zwei Stunden lang gesucht. Das war das erste mal in meinem Leben, dass ich ganze zwei Stunden in einem Park verbrachte.

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