Fernsehnachrichten zum Selberbasteln
Von Rainer Sigl
Wer die Fernsehbilder kontrolliert, hat ganz schön viel Macht in der Hand - sagt man. Im britischen Videospiel „Not For Broadcast“ bin das ich: Hier bin ich für die Bildregie einer Nachrichtensendung verantwortlich, also dafür, dass die Nachrichten gut aussehen.
Zu Beginn ist das ganz banale technische Handwerk des Fernsehmachens besonders schwer, denn eigentlich komme ich ja nur ins TV-Studio, um sauberzumachen - weil aber der frühere Technikchef einfach nach Mallorca an den Strand geflüchtet ist, bin plötzlich ich dafür verantwortlich, dass die Fernsehnachrichten live und ohne gröbere Schnitzer ausgestrahlt werden. Klingt stressig - ist es auch. Gut, dass in diesem fiktiven Großbritannien der Achtzigerjahre nach dem Erdrutschsieg einer populistischen Partei sowieso gerade Ausnahmezustand herrscht.
Alles Handwerk
„Not For Broadcast“ ist ein Spiel übers Fernsehmachen, und dementsprechend gibt es viel echtes Videomaterial mit richtigen Schauspielern darin zu sehen. Im Gegensatz zu den anderen großen jüngeren FMV-Spielen wie „Her Story“ und „Telling Lies“ geht es hier aber spielmechanisch recht handfest zu, denn der Workflow steht im Vordergrund - darin ähnelt das Spiel dann wieder eher „Papers Please“ & Co.
Am wichtigsten ist, dass ich bei den Live-Sendungen aus den vorhandenen vier Kameras die sinnvollste aussuche, abwechslungsreiche Schnitte veranlasse und hin und wieder böse Schimpfwörter aus Interviews rauspiepse. Manchmal darf ich aber auch aussuchen, welche Bilder ich senden will: Wenn es um ein neues Polizeigesetz geht, habe ich zum Beispiel die Wahl, entweder bedrohlich dreinblickende Spezialeinheiten oder aber randalierende Punks zu zeigen. Diese Wahl soll sich später im Spielverlauf noch auswirken - sagen die Entwickler. Fertig ist „Not For Broadcast“ nämlich noch lange nicht, im Moment darf man im Early Access nur seinen Anfang spielen.

NotGames
Klamauk und Propaganda
Wie manipulativ sind die Bilder im TV? Welche politischen und gesellschaftlichen Mechanismen sind hier verknüpft? Wer hat die Kontrolle über Meinung, Politik, Atmosphäre? „Not For Broadcast“ stellt spannende Fragen, bislang gibt der Early-Access-Appetithappen aber keine befriedigenden Antworten. Die fiktive Regierungspartei ist ein bizarres Hybrid aus rechtspopulistischem Law-and-Order-Klischee und bilderbuch-bösem Enteignungskommunismus, das sichtbar dem Wunsch entspringt, besonders im Brexit-gespaltenen UK nur ja keinen potenziellen Käufer durch eindeutige Positionierung abzuschrecken. Das mag für viele Spiele legitim sein, bei einer Politsatire kommt das bemühte Nur-ja-nicht-eindeutig-Werden aber eher komisch rüber.
„Not For Broadcast“ ist im Early Access für Windows erhältlich.
Apropos komisch: Auch die schauspielerischen Leistungen der Darsteller von „Not For Broadcast“ schwanken noch sehr. Während man manchen durchaus abnimmt, dass sie später im Spiel die versprochene Wende vom Klamauk zur politischen Satire schaffen könnten, rangiert die Leistung bei anderen eher irgendwo zwischen Laientheater und Fremdschämen. Statt böser Satire ist das momentan oft noch eher nur albern - wer sich hintersinnigen britischen Humor der Marke Monty Python, Black Adder oder Little Britain erwartet, wird enttäuscht sein.
Aber zum Glück ist noch Zeit. In seinen Ansätzen ist „Not For Broadcast“ absolut originell und voller Potenzial. Bleibt zu hoffen, dass das bis zur Veröffentlichung auch ausgeschöpft wird.
Publiziert am 13.03.2020