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Themenbild Gewalt gegen Frauen

dpa/Maurizio Gambarini

„Das eigene Zuhause ist nicht für alle Menschen ein sicherer Ort.“

Die derzeitigen Ausgangsbeschränkungen sind besonders schlimm für die Opfer von häuslicher Gewalt. Durch die Isolation fallen Gewalttaten, vor allem gegen Frauen und Kinder, oft nicht auf. Warum das so ist und was man dagegen tun kann, erklärt die Soziologin Laura Wiesböck im Interview.

Häusliche Gewalt macht die eigenen vier Wände ohnehin schon zu einem gefährlichen Ort, doch durch die Ausgangsbeschränkungen, kann sich die Situation drastisch verschlimmern. In China gab es schon vor mehreren Wochen rigorose Ausgangsbeschränkungen, was dazu geführt hat, dass sich die Fälle von häuslicher Gewalt vervielfacht haben.

Expert*innen und Opferschutzorganisationen befürchten, dass es auch in Österreich zu mehr häuslicher Gewalt und mehr Frauenmorden kommen könnte. Für eine Einschätzung der Situation und Tipps, was man dagegen unternehmen kann, hat Conny Lee die Soziologin Laura Wiesböck von der Universität Wien im Interview gefragt.

Frauenhelpline gegen Gewalt:
0800 222 555

Nummer der Polizei: 133 oder 112

SMS an Polizei: 0800 133 133 (auch Notruf für Gehörlose)

Rat auf Draht für Kinder und Jugendliche: 147

Conny Lee: Wie wirken sich die derzeitig notwendigen Quarantänemaßnahmen auf Familiensituationen aus, was für Probleme entstehen dadurch?

Laura Wiesböck: Das eigene Zuhause ist nicht für alle Menschen ein sicherer Ort und aus vorangegangen Studien können wir sagen, dass häusliche Gewalt bei Naturkatastrophen zunimmt. Warum? Weil ein verstärkter Kontakt zur Familie vorherrscht, aber auch weil es dadurch weniger Unterstützungssysteme für Opfer gibt und die Gewalttäter das auch wissen.

Aus vorangegangen Studien können wir sagen, dass häusliche Gewalt bei Naturkatastrophen zunimmt

Beim Hurricane Harvey 2007 in Houston zum Beispiel, konnte man deutlich sehen, dass häusliche Gewalt, aber auch Frauenmorde innerhalb des Haushalts gestiegen sind. In dieser Situation, in der wir uns aktuell befinden, herrscht ein allgemeines Klima der Angst und Unsicherheit. Es herrscht eine sehr angespannte gesellschaftliche Atmosphäre. Man macht sich vielleicht auch Sorgen um das Leben der Eltern, Großeltern oder anderen Risikogruppen im eigenen Umfeld.

Dann kommt hinzu, dass ein starker ökonomischer Druck damit einhergeht: Armutsrisiko, Leute werden gekündigt, es herrscht finanzielle Unsicherheit, man weiß nicht wie man als Selbstständiger nächstes Monat die Miete zahlen soll, Verdienstausfälle. All das sind existenzielle Fragen, die ein großer Druck und eine nervliche Belastung für viele Menschen sind und zusätzlich dazu führen, dass es schwieriger ist, seinen Partner zu verlassen.

Außerdem gibt es durch diese Maßnahmen ein verstärktes Zusammensein auf begrenztem Raum und das ist auch außerhalb einer Pandemie ein Risikofaktor. Allein zu Weihnachten oder zu Feiertagen wissen wir, dass es ein höheres Potential für Konflikte gibt, aber auch Gewalt.

Frauen, die von Gewalt betroffen sind, können gerade nicht mehr einfach bei Verwandten oder Bekannten Schutz suchen. Woher bekommen die Betroffenen jetzt trotzdem Hilfe und Schutz? Haben zum Beispiel Frauenhäuser und Opferschutzeinrichtungen weiter geöffnet?

Auf jeden Fall. Es ist wichtig zu betonen, dass das Strafrecht nicht ausfällt, nur weil wir uns in einer Krisenzeit befinden. Frauen und alle Personengruppen haben das Recht auf Schutz vor Gewalt und sollten es auch in Anspruch nehmen. Wir wissen, dass Gewalttäter besonders darauf erpicht sind Isolation hervorzurufen, um Frauen in die Abhängigkeit zu bringen, um Kontakte nach Außen zu reduzieren und so ein größeres Machtgefälle zu erzeugen. Das ist natürlich eine sehr brenzlige Situation, wenn die Isolation von Haus aus gegeben ist.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Strafrecht nicht ausfällt, nur weil wir uns in einer Krisenzeit befinden.

Deshalb ist es wichtig, dass man, wenn man selbst oder seine Kinder in akuter Bedrohung sind, die Polizei ruft: 133. Das geht auch ohne Guthaben. Das sollte auf jeden Fall gemacht werden bei akuter Bedrohung, ohne zu zögern.

Wenn man Gewalttaten im Bekanntenkreis erlebt oder erzählt bekommt und selbst nicht genau weiß, was man machen soll oder wenn beim Nachbarn herumgeschrien wird, kann man auch die Frauenhelpline gegen Gewalt anrufen: 0800 222 555. Man kann sich Tipps holen, sich beraten lassen und es ist auf jeden Fall eine wichtige Maßnahme.

Wenn man in der Nachbarschaft akut Gewalt mithören kann, sollte man auch die Polizei rufen. Es gilt der Apell an alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen, dass man wachsam und hellhörig ist und Zivilcourage zeigt.

Oft ist man sich nicht sicher oder möchte sich nicht einmischen. Soll man anklopfen und nachfragen: „Ist alles ok bei euch?“ Oder soll man direkt die Polizei rufen?

Das ist natürlich auch eine Möglichkeit aber in erster Linie gilt es, sich selbst zu schützen. Man kann jedoch auch anklopfen und nach Salz fragen, oder etwas Ähnliches und versuchen die Lage abzuchecken, aber die Telefonhotlines stehen dafür zur Verfügung. Das sind geschulte Expertinnen und Experten, die einem in so einer Situation Tipps geben können, was zu machen ist. Lieber übervorsichtig sein als zu wenig vorsichtig, wäre der Tipp, weil es hier teilweise um Menschenleben geht.

In China wurden in Wohnhäusern Infozettel aufgehängt, auf denen Dinge stehen wie: „Wir kämpfen gegen das Virus gemeinsam. Benutzen Sie keine Gewalt.“ Bringt eine öffentliche Kampagne etwas? Bräuchte es so etwas jetzt bei uns?

Es ist schwer abzuschätzen ob es was bringt, aber ich denke es ist ein gutes Signal, bei dem den Opfern und Tätern gleichermaßen gezeigt wird, dass in dem Wohnhaus, in dem sie sich befinden ein Bewusstsein darüber herrscht, dass Gewalt eine Straftat ist und, dass die Opfer Recht auf Schutz haben. Es ist für beide gleichermaßen eine wichtige Signalwirkung. Inwieweit das direkt linear Effekte zeigt, das kann man nicht sagen. Aber ein erhöhtes Bewusstsein, auch bei der Exekutive aber bei allen, wäre auf jeden Fall nicht nachträglich.

FM4 Auf Laut: Covid-19: Solidarisch sein heißt soziale Kontakte minimieren – wie geht es mir dabei?

Flatten The Curve ist das Gebot der Stunde. Wie ergeht es den Menschen in Österreich damit, soziale Kontakte stark einzuschränken? Das ist die Strategie, damit sich die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Menschen weniger schnell erhöht. Es geht darum, Zeit zu gewinnen, damit die medizinische Versorgung nicht mit zu vielen schwerkranken Patient*innen überfordert wird. Wie verändert sich in diesen Tagen der Alltag der Menschen in Österreich? Wie erlebst du die drastischen Maßnahmen der Bundesregierung, um den Corona Virus einzudämmen?

FM4 Auf Laut, am 17. März ab 21 Uhr auf FM4 und im FM4 Player. Zu Gast bei Claus Pirschner sind Expert*innen, darunter der Arbeitsrechtsexperte von der Arbeiterkammer Wien, Philipp Brokes. Ruf an und diskutier mit: 0800 226 996

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