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Plot Against America

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Philip Roths „The Plot Against America“ als Mini-Serie

Was wäre gewesen, wenn die USA im Zweiten Weltkrieg nicht mit Großbritannien und der Sowjetunion die so genannte Anti-Hitler-Koalition eingegangen wären? „The Plot Against America“ stellt sich ein anderes, ein beängstigendes Amerika vor

Von Anna Katharina Laggner

Was, wenn die USA nicht in den Krieg gegen Nazideutschland gezogen wären, in diesen „Fight for Freedom“? Was hätte das für die jüdische Bevölkerung in den USA bedeutet? Eine mögliche Antwort darauf hat der Autor Philip Roth 2004 in seinem Roman „The Plot Against America“ gegeben. David Simon („The Wire“) hat den Roman als sechsteilige Serie verfilmt.

Charles Lindbergh war ein Pilot. Er war der Erste, der im Jahr 1927 allein von New York nach Paris geflogen ist. Später sympathisierte er mit den Nationalsozialisten, erhielt 1938 sogar im Auftrag von Adolf Hitler eine Medaille von Herman Göring verliehen. Amerika solle, so schrieb er für den Reader’s Digest, das Erbe des europäischen Blutes bewahren und sich gegen fremde Armeen und eine Vermischung mit fremden Rassen schützen. Charles Lindbergh war ein Star in den Vereinigten Staaten.

America First

In „The Plot Against America“ tritt der gut aussehende Lindbergh mit dem Slogan America First in den Präsidentschaftswahlen gegen Franklin D. Roosevelt an. Und wird zum Präsidenten gewählt. In diesem erfundenen Amerika beginnt, ähnlich wie in Europa, zunächst subtil, dann immer brutaler eine antisemitische Hetze. Philip Roth erzählt die Geschichte anhand seiner eigenen Familie und aus der Perspektive des etwa siebenjährigen Philip, was auch dem Alter des Autors zu jener Zeit entspricht. Die HBO-Serie wählt einen multiperspektivischen Zugang und die Familie Roth heißt Levin.

Plot Against America

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Episode Eins beginnt mit Philip. Philip wohnt mit seinen Eltern, seinem älteren Bruder und seinem halbwüchsigen Cousin in einer gemütlichen Wohnstraße in Newark. Die Kinder spielen auf der Straße, der Nachbarsjunge hätte Philip gern zum besten Freund, aber Philip findet den kleinen Buben mit der großen Brille blöd und einfältig und spielt nur widerwillig gelegentlich eine Partie Schach mit ihm.

Diese einseitige Zuneigung wird eine verhängnisvolle Wendung nehmen. Philips Vater ist erfolgreicher Versicherungsvertreter, er fährt ein Auto und wird bis zuletzt an die Versprechungen des land of the free glauben. Philips Mutter ist schon bald beunruhigt und möchte nach Kanada auswandern. Ihre Schwester, noch unverheiratet, sucht blindlings einen Ehemann und findet ihn in einem Rabbi aus dem Süden, der mit dem antisemitischen Establishment kooperiert. Aber in Episode eins ist alles eitel Wonne, da werden sogar ein paar junge Nazis verprügelt.

Philip Roth hat „The Plot Against America“ im Jahr 2004 geschrieben. Einem Journalisten der New York Times hat der Autor kurz vor seinem Tod im Jahr 2018 gesagt, er hätte mit dem Roman keine politischen Intentionen verfolgt. Und dennoch sind die Analogien zu heute frappierend, nicht nur in Bezug auf Donald Trump. Denn auch in Europa ist es politisch wieder salonfähig, einzelne Volksgruppen zu diffamieren.

Plot Against America

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Regisseur David Simon hat unter anderem die Krimiserie „The Wire“ geschrieben. Schon da hat er eine Serienstil entwickelt, der sich stark an der politischen und sozialen Realität orientiert, dabei aber emotional erzählt.

Zwar wird in „The Plot Against America“ auffällig wenig geraucht (die Serie erlaubt sich zumindest die Freiheit, dass der Vater sich im Kino während der Wochenschau eine Zigarette anzündet, die aber weder glüht noch raucht). Sonst erscheint die Ausstattung akkurat, zumindest für uns, die wir den Zweiten Weltkrieg lediglich vom Bewegtbild kennen. Die Serie ist aufwändig produziert und versammelt fantastische Schauspieler*innen: John Turturro als schmieriger Rabbi, Winona Ryder als dessen Geliebte und Ehefrau, Zoe Kazan als besorgte Familienmutter.

Mit dieser Mini-Serie, sechs Episoden sind es, erzählt David Simon die weithin gültige Geschichte von einer Familie, die in der eigenen Heimat zum verfolgten Feind wird. Es geht ihnen wie dem Frosch, der ins kalte Wasser geworfen und langsam zu Tode erhitzt wird: sie können einfach nicht fassen, was da mit ihnen geschieht.

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