Wir sind zurück im Mittelalter

Unser Leben ist wie eine Zeitmaschine. Wir sind zurück im Mittelalter.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Jedes Haus ist eine Festung und die Bewohner schauen aus den Fenstern raus, um nachzusehen, wer sich nähert. Und wie im Mittelalter erwarten wir lauter Feinde. Wir glauben, dass die Welt von einer höheren Macht geleitet wird und dass wir für unsere Sünden büßen müssen. Nur kommt diese Sünde nicht von Adam und Eva, sondern von diesem Unbekannten, der gerne Fledermaussuppe isst.

Wie im Mittelalter versuchen wir alles, was wir brauchen, selbst für uns zu erledigen. Selbst die schrecklichsten Köche unter uns sind werden zu Gordon Ramsey. Wir erzählen unseren Kindern Märchen aus der Zeit „vor dem Virus“. Davor war das goldene Zeitalter, das nie wiederkehren wird.

Wie im Mittelalter werden neue mythische Helden geboren: Ärzte, Spekulanten, Soldaten. Wir leben in Isolation und haben Kontakt nur zu unseren nächsten Menschen. So haben wir Zeit, mehr über sie zu erfahren.

Nach der Quarantäne wird ein neues „Dekameron“ geboren, voll mit lustigen und lustvollen, traurigen und weinerlichen Geschichten. Man braucht sie nur aufzuschreiben. Im Mittelalter waren die Infoquellen die wandernden Barden. Oft erzählten sie Unsinn über ferne Länder und Völker. Jetzt gibt es Fernsehen und Internet. Wenn man im Mittelalter herausfand, dass einer der Barden gelogen hatte, wurde er gehängt. Jetzt würden wir gerne Menschen bestrafen, die Fake News verbreiten, können es aber nicht. Deshalb leben wir alleine mit unserem Ärger. Wir müssen lernen, auch zu vergeben.

Es gibt aber Hoffnung, liebe Leserinnen und Leser! Denn nach dem Mittelalter kommt die Renaissance. Und die Renaissance ist voller Schönheit und Menschenfreundlichkeit. Das Mittelalter wird vorbei sein! Haltet durch und stay at home, baby!