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Blur - No Distance Left To Run

Pulse Films

Die Heimkino-Notizen: Musikfilme bringen Konzertflair ins Wohnzimmer

Von Dave Grohl und Jack White bis zu LCD Soundsystem, Blur und Pulp: Streamingtipps fürs Konzertflair zuhause.

Von Christian Fuchs

Das Netz ist derzeit ja voll mit Musiker*innen, die aus ihren Wohnzimmern oder auf Balkonen via Stream musizieren. Das ist eine sehr schöne Sache, aber leider kein Ersatz für richtige Konzerte, ob in kleinen Clubs oder Open Air. Für meinen Geschmack kommen aber auch komplette, professionell gefilmte Auftrittsmitschnitte auf Youtube nicht an den Live-Flair heran.

Eine lässige und sehr eigene Mischform sind aber ambitionierte Dokumenationen, die mit Bühnenszenen gespickt sind. Da findet sich in der Filmgeschichte etliches Sehenswertes, von Hippie-Klassikern wie „Woodstock“ bis zum Hip-Hop-Spektakel „Dave Chappelle’s Block Party“. Die folgenden Empfehlungen sind sehr persönlich, funktionieren aber sowohl auf musikalisch euphorisierende wie auch rein filmische Weise.

My studio is my castle: „Sound City“

OK, dieser Film ist hemmungslos nostalgisch. Denn er feiert das legendäre Aufnahmestudio Sound City in Los Angeles, das 2011 für immer schließen musste. Ikonische Alben von Fleetwood Mac, Santana, Metallica, aber auch Nirvana oder Nine Inch Nails wurden darin eingespielt. Dave Grohl, den man auch als Nichtfan der Foo Fighters mögen muss, erinnert sich in der von ihm gedrehten Doku nicht nur an die Zeiten von „Nevermind“. Er hat auch eine richtige Heiligsprechung für das Sound City Studio und den Rock’n’Roll inszeniert.

Grohl erzählt von legendären Aufnahmeabenteuern und lässt mit Bands von Neil Young bis Queens Of The Stoneage die Musikgeschichte aufleben. Es wird viel geplaudert in und über Sound City. Aber die flott geschnittene Doku begeistert auch mit Livesessions, inklusive Trent Reznor und, ja, Paul McCartney.

Drei Rock’n’Roll-Generationen: „It Might Get Loud“

Luftgitarre spielen zuhause kann man vor allem auch bei dieser Doku. In „It Might Get Loud“ erklären Jack White, The Edge von U2 und Led Zeppelin-Mastermind Jimmy Page den Mythos der E-Gitarre. Unabhängig voneinander und auch gemeinsam. Ein Film, der gründlich schiefgehen hätte können, denn kaum eine Spezies von Musikern hat nervtötenderes Potential als selbstverliebte Gitarristen.

Aber keine Angst, die drei Rock’n’Roller unterschiedlicher Generationen kriegen das hin. In dem rasanten Mix aus Archivaufnahmen, Interviews und Livesessions ist wenig Platz für öde Rockistenklischees. Unerwartetes Highlight: Alle Passagen mit dem lakonischen The Edge, der den Stadionbombast seiner Band auf bodenständige Weise konterkariert.

Erinnerungen an die Nullerjahre: „Shut Up & Play The Hits“

Um eine musikalisch ganz andere Baustelle geht es in meinem allerliebsten Musikfilm der eben vergangenen Dekade. Mit zwei ausverkauften Shows im New Yorker Madison Square Garden hat sich 2011 das geniale LCD Soundsystem verabschiedet. Zumindest vorübergehend, denn inzwischen ist das Discopunk-Projekt des Produzenten James Murphy wieder reanimiert. Der Film „Shut Up & Play The Hits“ zeigt LCD Soundsystem aber am Höhepunkt ihrer Kunst.

Herausgekommen ist auch ein Dokument über eine ungemein kreative Popära. Das LCD Soundsystem präsentiert sich in den Nullerjahren als Alternative zu den immergleichen BummBumm-Beats in damaligen Houseclubs. Und auch als Gegenstück zum austauschbaren Gitarrenrock der Indieszene. Im Film verlassen Murphy & Co. das sinkende Schiff der Musikindustrie voller Euphorie und Ekstase, Energie und Melancholie. Da muss man auch in den eigenen vier Heimkino-Wänden dazu tanzen.

Berauschendes Comeback: „Blur – No distance left to run“

Schon länger sind sie wieder in der Versenkung verschwunden, die Musiker von Blur. Die Bandköpfe Damon Albarn und Graham Coxon basteln unabhängig voneinander an neuer Musik, letzterer betörte unlängst mit umwerfenden Soundtracks zu Serien wie „The End Of The F*ing World.“

2008 war auch so ein Zeitpunkt, wo die Band im kollektiven Koma schien. Dann gab es zarte Anzeichen einer Reunion. Das britische Regieduo Dylan Southern und Will Lovelace, die auch „Shut Up & Play The Hits“ gedreht haben, hat sich damals auf die Fersen der Bandmitglieder geheftet. „Blur – No distance left to run“ ist eine grandiose Doku auch für Menschen, die keine eingefleischten Britpop-Fans sind.

So offen für verschiedene (Welt-)Musik, wie der Film die Band darstellt, passt die beengende Schublade ohnehin nicht. Am Ende stehen zwei berauschende Comeback-Konzerte im Hyde Park, bei denen man zuhause im Wohnzimmer mitsingt. Woo-hooo!

Lass die common people sprechen: „Pulp – A film about life, death and supermarkets“

Auch die andere beste Band des Britpop, abseits aller Britpop-Klischees, hat 2014 einen tollen Film gemacht. „Pulp – A film about life, death and supermarkets“ zeigt die Musiker rund um Jarvis Cocker in ihrer Heimatstadt, in den Pubs und Hinterhöfen von Sheffield. Dort lässt Regisseur Florian Habicht neben den Bandmitglieder auch Menschen von der Straße zu Wort kommen. Die common people eben, um die es in den charmant-bissigen Pulp-Songs geht.

Apropos Bands aus Großbritannien: Kurz vor dem Ausbruch des Corona-Virus hat die Musikerin Jenny Beth ihre erste Fernsehshow präsentiert. Die fantastische Sängerin von Savages ist seit geraumer Zeit auf Solopfaden unterwegs, sie bleibt ein modernes Postpunk Rolemodel. „Echoes“ heißt ihre Show auf ARTE mit superen Gästen wie Primal Scream und Idles. Weitere Ausgaben sind jetzt auf irgendwann verschieben, aber wer wilden Rock’n’Roll liebt, sollte die Debütausgabe online anschauen. Aber Kopfhörer auf, den Nachbarn zuliebe. It might get loud.

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