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Alles über das Corona Virus: Frag die Science Busters! - Teil 3

Alles über das Corona Virus und den ganzen Rest.

Das Echo auf die ersten beiden Ausgaben dieser Fragestunde auf FM4 war enorm, höchste Zeit für eine Fortsetzung.

Dringende Fragen werden beantwortet, wissenschaftliche Erkenntnisse unterhaltsam vermittelt. Martin Puntigam steht euch diesmal mit dem Molekularbiologen Martin Moder und der Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher für Fragen zur Verfügung.

Martin Puntigam: Wir fangen gleich mal damit an: Es wird grad viel von einer „Neuen Normalität“ gesprochen, aber man hat das Gefühl, eine alte Realität kommt zurück. In der Politik gibt es wieder Regierung und Opposition, Verschwörungstheoretiker*innen tauschen „Weltuntergang“ mit „Virus“ aus und auch die Populisten in Kunst und Kultur kommen zurück. Elisabeth Oberzaucher, für die Verhaltensbiologie ist der Tisch zur Zeit reich gedeckt oder?

Elisabeth Oberzaucher: Das stimmt tatsächlich. Es gibt gerade mehrere Studien die sich mit den Verhaltensänderungen, die vom Coronavirus ausgelöst worden sind, beschäftigen. Da geht es zum Beispiel dann darum, wie sich Mangelsituationen auf das Konsumverhalten auswirken. Stichwort: Klopapier und Hefe. Wenn es das dann im Supermarkt nicht mehr gibt, verändert das nicht nur unser Verhalten, wie wir mit Klopapier umgehen, sondern vielleicht auch überhaupt unser Essverhalten.

Martin Puntigam: Jetzt ist die Sehnsucht nach einfacher Erklärungen ja schon immer groß gewesen, deshalb sind ja auch Religionen erfunden worden. Heutzutage ist der Zugang zu Fakten ja so einfach wie nie zuvor. Warum ist diese Sehnsucht immer noch so groß?

Elisabeth Oberzaucher: Wir haben es gerade mit einer Informationsflut zu tun. Auf allen Medien wird über Corona berichtet und es werden uns auch ganz viele Daten, Zahlen und Grafiken zur Verfügung gestellt. Man bekommt dann leicht das Gefühl, dass man ein Studium in Corona absolviert hat, weil man so viel Expertise und auch Pseudo-Expertise gehört hat. Da bekommt man dann das Gefühl, dass wir sozusagen auf Augenhöhe mit den echten Expert*innen mitreden können, also mit Infektologen und Epidemiologen. Was aber nun einmal einfach nicht stimmt.

Dazu kommt, dass in den Medien eben auch nicht nur faktenbasiert kommuniziert wird, sondern auch viele Fake News und Halbwahrheiten unterwegs sind. Das hat auch damit zu tun, dass manche Medien einfach davon leben und darauf stehen, dass sie etwas kontroversiell unterwegs sind und gegenteilige Meinungen kundtun. Das ist aber nicht unbedingt förderlich, weil dann eben auch seriöse Wissenschaftler in Frage gestellt werden. Diejenigen, die Fakten verdrehen oder sogar erfinden, haben leider oft die geraderen und einfacheren Botschaften.

Jetzt erleben wir, dass ja jeden Tag neue Daten dazukommen und sich dadurch auch die Aussagen verändern. Es ist für Menschen aber unangenehm, so eine Beweglichkeit zu einer Situation beizubehalten. Am liebsten würden wir genau eine Antwort auf die ganze Geschichte haben, und die soll noch möglichst einfach sein. Dann bräuchten wir uns damit nicht mehr weiter auseinandersetzen, sondern könnten ein Hakerl drunter machen.

Martin Puntigam: In dem Zusammenhang hört man manchmal vom Dunning-Kruger-Effekt. Was ist das genau?

Elisabeth Oberzaucher: Das ist ein sehr interessanter Effekt, der nach den beiden benannt wurde, die ihn zuerst beschrieben haben. Man kann immer wieder beobachten, dass Leute, die eigentlich gar keine wirkliche Ahnung von etwas haben, mit großem Selbstbewusstsein behaupten, dass sie wissen, worum es wirklich geht und sich wie Experten benehmen. Und diese Selbstüberschätzung geht tatsächlich einher mit Inkompetenz. Also: Je weniger kompetent ich eigentlich bin, desto mehr glaube ich, dass ich ein Spezialist bin.

Diejenigen, die sich wirklich mit diesem Virus und der Ausbreitung von Viren auskennen, die sehen ganz genau, dass wir noch viele Wissenslücken haben. Deswegen unterschätzen die dann eher ihre Expertise im Vergleich zu den sozusagen Fachidioten, die sich aber aufspielen, als hätten sie auf alles eine Antwort.

In der Wahrnehmung ist das dann wiederum oft so: Vertraut wird weniger denen, die vorsichtiger formulieren und auch klar sagen, dass es da noch offene Fragen gibt als anderen Menschen, die sich hinstellen und sagen „So ist das und so machen wir das jetzt, ich habe alle Antworten auf alle Fragen“.

Bibiana möchte gerne wissen: Kann etwas dran sein, dass bei einer Coronavirus-Infektion die Krankheit bei Menschen, die kürzlich eine Influenza-Impfung hatten, einen komplizierteren und schwereren Verlauf nimmt? Eine Freundin hat mir einen Blog-Eintrag von einem Dr. Rüdiger Dahlke gezeigt. Der bezieht sich da auf ein britisches Printmedium und die beziehen sich auf ein, zwei Studien.

Martin Moder: Da kann ich mit großer Freude beruhigen. Wenn man etwas liest, wo Rüdiger Dahlke druntersteht, gerade wenn es um Impfungen geht, ist das ein super Indikator dafür, dass man es nicht ernst nehmen soll. Das ist ein sehr populärer Esoteriker und Impfgegner, und es ist ein vollkommener Blödsinn, wenn er das da geschrieben hat. Es gibt überhaupt keine Hinweise darauf, dass die Grippe-Impfung irgendwie das Coronavirus problematischer machen würde.

Umgekehrt auch nicht! Es hat auch schon den Mythos gegeben, dass die Grippe-Impfung vor dem Coronavirus schützt. Das wäre zumindest vom Grundgedanken her kein völliger Blödsinn, weil es sowas wie Kreuzreaktionen bei der Immunantwort gibt. Aber dafür sind sich diese Viren einfach zu unähnlich.

In dem Fall gibt es für diesen Gedanken, den sich Herr Dahlke da sozusagen aus dem Hintern gezogen hat, einfach überhaupt keine Evidenz. So wie ich das aufgeschnappt habe, ist die Idee ursprünglich daher gekommen, dass die Grippe-Impfung in Italien ein bisschen verbreiteter ist und es dort dann viele schlimme Fälle gegeben hat. Dann sagt man, es war sicher die Grippe-Impfung. Das ist in etwa so seriös als wenn man sagen würde, die essen dort viel mehr Pizza, also führt wohl der Konsum von Pizza zu einem schlimmen Krankheitsverlauf.

Miriam hat eine Frage zu Insekten: Wir haben jetzt heuer schon zwei Gelsen erschlagen und uns gefragt, ob Gelsen das Coronavirus übertragen können?

Martin Moder: Herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Jagd! Wegen dem Coronavirus wäre das aber nicht nötig gewesen. Jedes Virus befällt bestimmte Zelltypen. Beim Coronavirus braucht es einen bestimmten Rezeptor an der Zelloberfläche, also bestimmte Proteine an der Oberfläche von Zellen. Diese speziellen Rezeptoren finden wir vor allem in der Lunge, im Rachen, leider auch am Herz. Wenn wir jetzt vom Blut sprechen, dann sind dort keine Zellen, die von diesem Virus befallen werden können. Wenn wir das Blut testen, dann lässt sich im Blut selbst auch kein Virus nachweisen. Im Rachen und der Lunge aber schon! Das heißt: Selbst wenn uns Gelsen anzapfen, dann nehmen sie kein Virus auf und können es damit auch nicht weitergeben. Da kann man ganz beruhigt sein.

Science Busters

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Martin Puntigam: Fledermäuse gelten ja als Ursache für die Corona-Epidemie und werden jetzt sicher in Zukunft nicht freundlicher behandelt werden. Aber: Angeblich sind das ja ganz friedliche und freundliche Tiere?

Elisabeth Oberzaucher: Ja, Vampirfledermäuse sind zum Beispiel sozial lebende Säugetiere. Das heißt, sie leben in Gruppen zusammen und ernähren sich von Blut. Das ist durchaus eine etwas riskante Angelegenheit, weil es nicht immer ausreichend Tiere in der Nähe gibt. Da kann es schon vorkommen, dass man zwar auf die Jagd zieht, aber erfolglos wieder zurückkommt. Fledermäuse haben jetzt eigentlich sehr wenig Reserven und brauchen mindestens alle zwei, drei Nächte ihre „Blutspende“, damit sie nicht verhungern. Wenn man sich da nur auf das eigene Glück verlassen würde, dann wär das eine ziemlich riskante Strategie.

Das machen Vampirfledermäuse deswegen genau nicht, sondern sie unterstützen sich in diesen Gruppen gegenseitig. Wenn eine Fledermaus also Nahrung gefunden hat dann gibt sie anderen, wenn sie dringend Nahrung brauchen, etwas ab. Die füttern sich dann gegenseitig mit Blut, dass sie wieder aufstoßen. Sie würgen das dann wieder hervor.

Dieses Verhalten, dass Tiere sich gegenseitig unterstützen, finden wir bei fast allen sozial lebenden Tieren. Man spricht da von reziproken Austauschsystemen. Die Hilfe wird irgendwann dann auch wieder durch Hilfe erwidert. Auf lange Sicht profitieren also alle davon. Das ist auch nicht sehr kompliziert und erfordert auch kein großes soziales Regelwerk. Wenn eine Fledermaus da zuerst einmal großzügig auf die anderen zugeht und die anderen da teilhaben lässt, dann merkt sie sich aber auch, was die anderen in Zukunft tun. Und wenn es da eine gibt die dauernd nur sozusagen zum Essen vorbeikommt, aber nie selber was mitbringt, dann wird sie genau dieser Fledermaus gegenüber in Zukunft ein bisschen weniger freigiebig sein. Und das können wir bei so gut wie allen sozialen Lebewesen sehen, die so etwas wie Kooperation in der Gruppe zeigen.

Martin Puntigam: Also auch bei uns Menschen. Ist das das, was gerade unter dem Hashtag #nachbarschaftschallenge bekannt ist? Oder wenn man frisch wo einzieht und sich bei den Nachbarn vorstellt und eine Kleinigkeit verschenkt. Da lernt man sich kennen und im Bedarfsfall kann man sich dann besser aufeinander verlassen?

Elisabeth Oberzaucher: Ja, dieses Willkommensgeschenk wenn man wo neu einzieht, das ist durchaus so eine Vor-Investition. Wenn einem dann das Salz ausgeht - oder das Klopapier - kann man sich dann mit höherer Wahrscheinlichkeit erwarten, dass einem da ausgeholfen wird als wenn man das nicht gemacht hätte.

Science Busters Podcast

Radio FM4

Die Sendung gibt es auch im Science Busters Podcast.

Martin Puntigam: Julietta fragt uns, ob es möglich ist, dass dieses Virus als Bio-Waffe eingesetzt worden ist? Es gibt in Wuhan ja auch dieses Hochsicherheitslabor, und da gibt es ja auch Vermutungen oder vielleicht auch nur Verschwörungstheorien, dass dieses Virus dort ausgekommen sein könnte. Kann das sein?

Martin Moder: Diese Spekulationen gibt es wirklich schon von Anfang an, eben auch weil es dort Hochsicherheitslabore gibt. Aber man ist da gar nicht so darauf angewiesen, zu spekulieren. Genetiker können die Evolution von einem Virus einigermaßen nachverfolgen.

Damit uns das Virus überhaupt infizieren kann, muss es an einen Rezeptor binden. Der heißt ACE2 und sitzt auf Zellen unserer Lunge zum Beispiel. Damit das Virus in der Lage war, auf den Menschen überzugehen, war es notwendig, dass sich diese Bindungsstelle des Virus entsprechend verändert. Jetzt kann man sich fragen: Ist das natürlich passiert oder wurde das in einem Labor gezielt so gemacht? Man könnte nämlich grundsätzlich schon sagen: Ich verändere ein Virus so, dass es an dieses menschliche ACE2 binden kann.

Jetzt ist vor zwei Wochen eine Studie erschienen, die hat gezeigt, dass diese Bindung von diesem Virus an den Rezeptor extrem stark ist. Aber die Studie hat noch etwas gezeigt: Wenn diese Bindung mit Computersimulationen getestet wurde, dann ist eigentlich herausgekommen, dass sie nur sehr schwach sein dürfte. Das bedeutet, dass unsere Computermodelle für solche Bindungen ganz einfach nicht gut genug sind. Eine Simulation ist ja immer nur eine sehr unvollständige Annäherung an das, was die Natur tatsächlich leistet. Was die Viren dann in der realen Welt leisten, ist ja viel effizienter. Da kann es zu Strukturen kommen, auf die diese unvollkommenen Computermodelle einfach nicht kommen würden. Das bedeutet aber auch: Hätte man das Virus im Labor designt, hätte man sicher nicht diese Art der Veränderung vorgenommen, wie wir sie jetzt finden.

Gleichzeitig wissen wir ja, dass sich Viren laufend verändern. Und manchmal entsteht bei dieser Veränderung dann auch eine Pandemie. Aber es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass hier der Mensch seine Finger besonders im Spiel gehabt hätte. Eher im Gegenteil. Hätte der Mensch diese Bindungsstelle designt, würde sie nicht so aussehen. Man kann sich aussuchen, ob man das jetzt beruhigend oder beunruhigend findet.

Andreas fragt: Klopapier und Germ, kann man das zusammentun? Klopapier ist ja Zellulose, kann Germ - also Hefe - das nicht zum Alkohol umwandeln?

Martin Moder: Da kann ich mit großer Freude sagen: Ja, prinzipiell ist das denkbar. Hefepilze kann man super verwenden, um Alkohol herzustellen. Das macht jede Brauerei, allerdings aus Zucker. Klopapier besteht jetzt zum allergrößten Teil aus Zellulose. Und alles, was in der Chemie auf -ose endet, ist ein Zucker. Jetzt ist die Zellulose ein sehr langkettiger Zucker, den wir so nicht aufschließen können, und die Hefe kann das auch nicht. Aber in seiner kleinsten Untereinheit besteht die Zellulose aus Glukose, und das ist der einfache Traubenzucker.

Martin Puntigam: Wenn man Klopapier lang genug kaut, dann wird es irgendwann süß

Martin Moder: Wenn man ein Wiederkäuer ist, vielleicht. Wir können das nicht. Man kann das aber trotzdem zu Glukose umbauen, indem man das einfach kurzkettiger macht. Da gibt es Proteine die das können, die nennt man Zellulase. Das kann man sozusagen online bestellen. Das ist ein Mix aus Enzymen, der die Zellulose zu Traubenzucker abbaut.

In einem ersten Schritt muss ich also das Klopapier auflösen. Am besten eine Stunde schwach köcheln lassen, zwischendurch umrühren. Dadurch wird schon mal die Zellulose kürzen. Wenn man es vielleicht auch noch ein bisschen mixt. Im zweiten Schritt gebe ich dann die Zellulase dazu, die die Zellulose zu Glukose macht. Das braucht dann ein paar Tage, aber dann habe ich da Zucker drin.

Dann kommt die Hefe und wandelt wieder die Glukose um. Zu Kohlendioxid und Alkohol. Das wird dann nicht sehr gut schmecken, deshalb muss man das dann noch destillieren. Das geht dann wie beim Schnappsbrennen: Ich erhitze das ganze, der Alkohol verflüchtigt sich und wenn ich den Dampf abkühle, habe ich meinen Klopapierschnapps fertig.

Frag die Science Busters - Teil 3

Am Montag, 30. März, 13-14 Uhr

Die Science Busters Martin Puntigam, Molekularbiologe Martin Moder und die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher beantworten die Fragen der FM4-Hörer*innen zum alles bestimmenden Thema dieser Tage aus der Sicht der Wissenschaft.

Alles, was du über das Coronavirus wissen willst, aber dich kaum zu fragen traust - unter diesem Motto sammeln wir via Mail und unsere Social-Media-Kanäle die dringlichsten Anfragen und lassen sie von den stets gut informierten Science Busters beantworten.

Die Folgen zum Nachhören

Frag die Science Busters (16.03.2020)
Frag die Science Busters (23.03.2020)

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Hier kannst du auch die Fragen und Antworten der ersten und zweiten Fragestunde mit den Science Bustern nachlesen.

Die Sendung gibt es auch im Science Busters Podcast.

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