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APA/BARBARA GINDL

Blumenaus 20er-Journal

Die Maske, die Symbolpolitik und die Demokratisierung

Die Maskenpflicht ist eine gesundheitspolitisch mäßig sinnvolle Maßnahme, allerdings eine von hohem symbolischen Wert. Und sie zeugt von etlichen politischen Spins mitten in der Krise.

Von Martin Blumenau

Bisher waren die Maskenträger eine elitäre Truppe, gefangen in einer Fake-News-Falle, einer Diskrepanz von Selbst- und Missverständnis, die sich oft erst dann auftat, wenn man sie mit der (gemeinen) mitleidigen Frage, wie sie sich denn angesteckt hätten, konfrontierte. Weil Maskentragen ja nur etwas nützt, um andere vor sich selber (seinen Tröpfchen halt) zu schützen und umgekehrt genau nichts bringt.
Das sieht auch die WHO, das sehen auch die Virologen so. Trotzdem, im Bewusstsein hier eher Symbolpolitik zu betreiben, hat die Regierung den ersten Schritt zur Masken-Pflicht gesetzt (erst einmal in Supermärkten) und ich kann’s nachvollziehen.

Wer dieser Tage Supermarkt-Shoppen war, und das ohne Scheuklappen, wird es vielleicht bemerkt haben: Dort funktioniert es nicht mit Abstand und Rücksicht. Im Gegensatz zu draußen, wo die gute Ein-Meter-Distanz schon automatisiert ist, haben wir’s drinnen einfach nicht drauf. Die Indoor-Maske ist nun bestenfalls ein halber (eher ein viertlerter) Schutz, sie verhindert halt, dass die Huster und Schnaufer von Menschen, die infiziert sind und es nicht merken, aber trotzdem weitergeben können, ganz so frei fliegen.

Außerdem ist die Maske ein starkes Symbol, das uns in den nächsten Tagen bildmächtig entgegenlachen wird, womit dann die zugehörigen Basis-Botschaften auch in jenen Bevölkerungsteilen ankommen, in denen sie bisher kaum Wirkung erzielt haben. Was übrigens weniger die Schuld der Menschen als die der Vorgänger-Regierungen ist: Es sind nämlich (tendenziell) die Abgehängten in allen Formen, die bis dato kein gesteigertes Interesse an der Umsetzung von Verordnungen gezeigt haben. Warum? Weil umgekehrt (seit Jahren) kein Interesse an ihnen besteht, sie im Gegenteil alles mitblechen, was in der Oberschicht vergeigt wird, und weil sie auch von vielen anderen Maßnahmen nicht betroffen sind (Stichwort: Steuerentlastung, die einem Pensionisten oder dauernd medial attackierten Mindestbezieher wenig bis nix nutzt). Sie haben verlernt zuzuhören, etwas aus der politischen Kommunikation zu ziehen, weil sie es aufgegeben haben, darauf zu hoffen, dass etwas für sie Nutzbringendes dabei ist. Das gilt für die armen Alten, die armen Arbeitslosen/Prekären (jenseits der Künstler*innen) und die armen Nachfahren armer Arbeits-Migrant*innen.
Mit der Maske kann man sie womöglich erreichen.

Selbstverständlich, und auch das hat der Regierungs-Chef im Satz direkt nach der Maßnahmen-Bekanntgabe gesagt, wisse man um den vergleichsweise geringen realen Schutz. Selbstverständlich, und das hat der Vizekanzler dann später gesagt, kenne man die Studien/Erfahrungswerte, die besagen, dass Maskentragen zu mangelnder Vorsicht verleitet, also auch einen Backfire-Effekt haben kann. Dass sie trotzdem auf diesem Akt bestanden haben, zeigt a) wie wichtig jedes Prozent-Pünktlein ist, um die berühmte exponentiell ansteigende Kurve zu drücken und b) wie wichtig die Erreichbarkeit bisher Unerreichter ist (bzw. wie viele davon es gibt; wäre das ein Eingeständnis verfehlter Sozialpolitik, könnte daraus ja auch ein Umdenken erwachsen, ich befürchte die eindeutige Klientelpolitik dieser Regierung wird diesen Gedanken sofort wieder verlieren).

Außerdem läuft der von der türkisen Migrations- und Integrations-Strategie (der immer weiter ablosenden FP mit strammem law & order so viel wie möglich an Nationalen abzugreifen) befeuerte Diskurs ja munter weiter, wenn auch versteckt und eher in Subtexten lesbar. Wenn etwa von den Märkten als Problemzone die Rede ist (und dazu die Bilder vom Brunnenmarkt kommen) und wenn von der Nichteinhaltung der Distanz-Regel in Parks und Naherholungsräumen die Rede ist (und die klassische migrantische Burschen-Gang gemeint ist) dann ist es halt wieder der Störfaktor Ausländer, der sich nicht anpassen will. Wäre die Polizei in Supermärkten aktiv, dann hätte sie dort nicht 2000, sondern 20.000 Strafen aussprechen müssen - auch bei der bewussten Auswahl von bestimmten Orten spielt also die ideologische Ausrichtung eine Rolle. Man hätte ja wie in Deutschland (nein, sorry, in Teilen Deutschlands) die Märkte auch schließen können und das Problem erst gar nicht aufgerissen.

Trotzdem: Die (vorerst partielle) Maskenpflicht ist auch eine wichtige Demokratisierung. Die Bevölkerung wird nicht wie bisher in maskentragende Wichtigtuer und maskenlose Opfer unterteilt: die Maske wird die Menschen als vermummtes Kollektiv einigen. Witzig, dass das von einer Seite kommt, die noch kürzlich auf eine ziemlich undurchführbare und sofort der Lächerlichkeit preisgegebene Vermummungs-Verordnung bestanden hat.

Wir werden mit den Augen lachen müssen, und das geht bekanntlich nur, wenn man wirklich fröhlich ist.

P.S.: Ich frage mich schon auch, was Kurz und Co, die so ausführlich von der „fremden“ Kultur der Maske gesprochen haben, in ihrer Kindheit eigentlich gespielt haben. In der Verkleidungskiste meines Sohnes finde ich nämlich dutzende Masken, Schals und Vermummungs-Behelfnisse, vom fast obligatorischen Mundschutz der Krieger aus dem dänischen Spielzeugwaren-Land ganz zu schweigen.

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