Las Kellies spielen Gitarrenpop mit tollem Groove

Las Kellies haben heuer mit ihrem Song „Closer“ schon die Spitze der FM4-Charts erklommen. Jetzt gibt es mit „Suck This Tangerine“ ein komplettes Album zu diesem Track, der ganz wunderbar mit nur dieser einen Textzeile auskommt: „If you wanna get closer, come on.“

Von Eva Umbauer

Las Kellies wären zur Zeit auf England- und Europa-Tour, um ihr neues Album live zu präsentieren. Wären. Die Corona-Pandemie hat auch diese Band zum Pausieren gezwungen. Und so befinden sich Las Kellies zuhause in ihren Wohnungen in Buenos Aires in Argentinien, als FM4 sie dort telefonisch erreicht.

Sängerin, Gitarristin und Keyboarderin Cecilia Kelly aka Ceci Kelly und Sängerin und Schlagzeugerin Silvina Costa aka Sil Kelly sind die beiden Gründerinnen von Las Kellies. Dazu gibt es meist noch ein drittes weibliches Bandmitglied. Zur Zeit ist das eine argentinische Musikerin mit dem interessanten Namen Manuela Ducatenzeiler. Ein Gastauftritt der früheren Bassistin Julia Worley findet auf „Suck This Tangerine“ auch statt.

Ceci Kelly und Sil Kelly bezeichnen die aktuelle Situation der Corona-Krise schlicht und einfach als das was es ist: einen Albtraum. Die beiden Musikerinnen aus dem krisenerprobten Argentinien können zum Teil ihre Jobs von zuhause aus machen - und beruhigen sich mit Yoga. Diese Krise ist noch schlimmer als das was Argentinien und seine Menschen in den letzten zwanzig Jahren ohnehin gewohnt sind: Wirtschaftskrisen bis hin zum Zusammenbruch des Finanzsystems, politische Instabilität, Armut, etc.

Eine Gesellschaft in der Dauerkrise

Ein Song vom neues Album, „Funny Money“, beschäftigt sich mit der Wirtschaftskrise und der rasenden Geldentwertung in Argentinien. Eine Gesellschaft, die aus dem Dauerkrisenmodus nicht mehr herauskommt, ist das Thema des Songs.

„Funny Money“ ist trotz des ernsten Inhalts ein tanzbarer Popsong - wegen seines funky Bass, der Bongos und eines toll eingesetzten Vibraslaps. Ein Vibraslap ist ein Perkussionsinstrument, das meist in lateinamerikanischer Musik eingesetzt wird.

Dieses Instrument besteht aus einem U-förmig gebogenen Stück Federstahl als Griff, an dessen einem Ende sich ein Holzkästchen mit losen Metallstiften befindet. Am anderen Ende ist eine Holzkugel angebracht. Zum Spielen hält man das Instrument am Griff und schlägt die Kugel auf die freie Hand. Dadurch vibrieren die losen Stifte und erzeugen einen tollen Effekt.

Das Vibraslap ist damit übrigens die moderne, ganz ungruselige Variante der sogenannten Quijada, einem lateinamerikanischen Instrument, welches aus dem Unterkiefer eines Esels besteht, in dem statt Metallstiften die - losen - Zähne klappern.

Lateinamerikanische Einflüsse

Las Kellies beziehen ihre südamerikanische Herkunft in ihre Musik ein, auch immer wieder mit spanischen Texten oder einzelnen spanischen Worten oder Wortspielen, die auch schon mal ins Schlüpfrige gehen dürfen, etwa bei einem ihrer älteren Songs, „Perro Rompebolas“.

Das Wort „rompeolas“ - also ohne „b“ zwischen „rompe“ und „olas“ - bedeutet „Wellenbrecher“, „perro“ ist der „Hund“, „romper“ heißt „etwas aufreißen“, und „bola“ ist die Kugel oder der Ball, ja, und irgendwann sind wir da eben bei den, ah, „dog’s bollocks“ angekommen. Argentinischer Slang ist voller Wendungen und Wortspielereien, die eben von sexy bis derb gehen.

Chupate esta mandarina!

Auch der Titel vom neuen Album von Las Kellies, „Suck This Tangerine“, hat seinen Ursprung im argentinischen Slang: „Chupate esta mandarina!“ sagt man in allerlei Situationen, etwa wenn man sich wo als Gewinner*in hervorgegangen fühlt, ruft man aus: „Chupate esta mandarina!“, also „Suck this tangerine!“ oder „Lutsch diese Mandarine!“.

Man sagt also „Chupate esta mandarina!“, wenn man glaubt, gerade etwas richtig gut gemacht zu haben. So erklärt Ceci Kelly jedenfalls das Argentinische für alle, die mit dem südamerikanischen Land, seiner Sprache und Popkultur wenig bis gar nicht vertraut sind.

Las Kellies sehen sich nicht wirklich als politische Band. Dass Themen wie die Geldentwertung in ihren Songs vorkommen, ist einfach „normal“ für sie, es ist Teil ihres Lebens.

Aber eigentlich analysieren Ceci Kelly und Sil Costa ihre Musik gar nicht so sehr. In den Proberaum zu gehen ist ebenso Teil ihres Lebens, ihre große Freude, etwas, das sie ständig machen - und schon sind wieder neue Songs entstanden. Es ist eine Art Routine, die Ceci und Sil einfach zum Leben und gewissermaßen auch zum Überleben brauchen.

Las Kellies lieben ihren Proberaum auch nach all den Jahren noch wie am ersten Tag. Sie haben sich dabei stets weiterentwickelt, längst ist ihr Stil ja nicht mehr ausschließlich strenger Post-Punk. Diese Musikerinnen haben sowohl ein Händchen für den guten Groove also auch für melodischen Pop.

Cecilia Kelly und Silvina Costa trafen einander Mitte der 00er Jahre bei einem Konzert in Buenos Aires - und beschlossen eine Band zu gründen, eine aus Frauen bestehende Band. Britische All-Female-Bands aus den späten 1970er Jahren, wie die Raincoats oder die Slits, waren ebenso eine Inspirationsquelle wie die New Yorker Musikerinnen von der legendären Band ESG, oder Bands der feministischen Riot-Grrl-Bewegung aus den USA der 1990er Jahre.

Las Kellies travel the world

Das erste Album von Las Kellies, „Shaking Dog“, erschien 2007, zwei Jahre später gefolgt von „Kalimera“. Las Kellies spielten nun auch erstmals in Europa - und Ceci Kelly erinnert sich dabei auch an das erste Konzert der Band in Wien: Bevor sie auf die Bühne ging war sie ob des zurückhaltenden Publikums - verglichen mit dem in Argentinien - kurz wie eingefroren, verspürte plötzlich Heimweh und dachte, sie könne nun nicht spielen. Aber als sie dann die Bühne betrat ging alles gut.

Es folgten das dritte Album „Kellies“, bei dem Las Kellies nun eine richtig gute musikalische Bandbreite zeigten, und auch eine Zusammenarbeit mit dem deutschen Electronic-Duo Mouse On Mars.

Nach ihrem fünften Album, „Friends And Lovers“, samt der melodiös-poppigen Single „Summer Breeze“, waren Las Kellies Ende 2016 zuletzt auf Europatour.

Mit ihrem sechsten Werk, „Suck This Tangerine“, kommen sie hoffentlich nach der Corona-bedingten Absage ihrer Frühjahrstour im Herbst endlich wieder nach Europa. Eine Schale Mandarinen wird natürlich in ihrem Backstage-Raum stehen, soviel ist schon mal klar: Suck this Tangerine! Viva Las Kellies!