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APA/BARBARA GINDL

Ärzt*innen warnen: Niemand darf in der Covid-19-Krise übersehen werden

In der Corona-Krise darf niemand übersehen werden: Darum fordern Ärzt*innen über die Petition „undokumentiertgesund“ mehrsprachige Meldestellen für Menschen, die undokumentiert in Österreich leben, und das Aussetzen fremdenpolizeilicher Maßnahmen bis zum Ende der Krise. Wie steht es um medizinische Hilfe für alle?

Von Maria Motter

Bis zu 30.000 Menschen dürften in Österreich aus verschiedensten Gründen ohne Krankenversicherung leben. Manche, weil sie überhaupt keine Papiere haben und sich zum Teil auch illegal im Land aufhalten.

Erratum: AmberMed ist geöffnet, man muss vorher aber telefonisch einen Termin vereinbaren (+43158900847).

Unter den ehrenamtlichen Ärzt*innen von AmberMed sind vorwiegend pensionierte Allgemeinmediziner*innen. In der Coronavirus-Krise gehören sie oder ihre Angehörigen zur Risiko- bzw. Hochrisikogruppe und stehen für AmberMed derzeit nur für telefonische Beratung zur Verfügung. Daher sucht AmberMed besonders in diesem Moment nach neuen ehrenamtlichen, auch jüngeren Ärzt*innen.

Seit Mitte März hat mit AmberMed in Wien eine der wenigen Ordinationen in Österreich geschlossen, die Menschen ohne Dokumente und ohne Versicherung medizinisch betreuen. Es sind hauptsächlich pensionierte Ärzt*innen, die bei AmberMed Hilfe anbieten, und jetzt ist das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus für sie zu hoch.

Im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien und im „neunerhaus“ Gesundheitszentrum in Wien wird unversicherten und mittellosen Menschen weiterhin kostenlos medizinisch geholfen. Und in Graz hält die Marienambulanz der Caritas ihren Dienst nach wie vor aufrecht: Hier in der Ambulanz sind die Ärzt*innen, Krankenschwestern und eine Sozialarbeiterin weiterhin für die wohnungslose Menschen und Menschen mit einem erschwerten Zugang zum Gesundheitssystem da.

Wenn es um lebensnotwendige Hilfe geht, also um einen Notfall, müssen in Österreich alle Ärzt*innen einen Menschen behandeln – völlig unabhängig davon, ob der Mensch einen gültigen Aufenthaltsstatus hat oder nicht, ob er versichert ist oder nicht.

Kein Arztbesuch aus Angst vor Behörden

„Das Problem ist, dass wir davon ausgehen, dass sogenannte undokumentierte Menschen in Österreich die Krankenhäuser gar nicht aufsuchen“, sagt Katharina Bruhn. Sie hätten wohl zu große Angst vor Behörden.

Die junge Medizinerin ist eine der Unterstützer*innen der Petition „undokumentiertgesund.at“, die die Bundesregierung und alle zuständigen Stellen auffordert, bis zum Ende der Corona-Krise keine fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu setzen, die die Behandlung von Verdachtsfällen erschweren.

Weiters wollen die Unterstützer*innen von „undokumentiertgesund.at“ sichere und mehrsprachige Meldestellen, an die sich Menschen wenden können, die fürchten, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben, aber zugleich Angst vor Behörden haben. Etwa Geflüchtete, die negative Bescheide zu ihrem Asylantrag erhalten hatten und eine Abschiebung fürchten.

„Es braucht das klare Bekenntnis seitens der Politik, dass fremdenpolizeiliche Maßnahmen jetzt zur Zeit dieser Pandemie nicht umgesetzt werden, damit sich Leute mit Covid-19-Symptomen angstfrei melden und Verantwortung für alle übernehmen können“, sagt Katharina Bruhn. „Und es ist wichtig, dass noch einmal eine klare Ansage kommt, dass personenbezogene Daten nicht nur jetzt während der Pandemie, sondern auch danach unter Verschluss bleiben.“

Video-Screenshot von Katharina Brun

Youtube-Screenshot

Die Verschwiegenheitspflicht muss gewahrt werden

Auf Anfrage heißt es seitens des Bundesministeriums für Gesundheit, dass der Gesundheitsminister die Forderungen der Petition unterstützt. Wird denn die Polizei involviert, wenn Quarantäne-Bescheide bei Covid-19-Patient*innen erstellt werden? „Absonderungsbescheide, also zur Isolation bei Covid-19-Patient*innen, dürfen nur an die jeweilig betreffende Person übermittelt werden“, heißt es seitens des Gesundheitsministeriums. „Das automatische Involvieren der Polizei ist auf Basis unserer Regelungen nicht vorgesehen“.

Covid-19 zählt zu den meldepflichtigen Erkrankungen, Krankheitsfälle müssen an die nächste Bezirksverwaltungsbehörde übermittelt werden. Aber diese Meldepflicht hebt selbstverständlich nicht die Verschwiegenheitspflicht auf. In der Marienambulanz in Graz weiß man aus langjähriger Erfahrung, wie sehr sich auch das Personal in Krankenhäusern an die ärztliche Schweigepflicht hält. Wer im Krankenhaus Hilfe sucht und bekommt, hat mit der Polizei grundsätzlich nichts zu tun.

Update vom 20.4.2020:
Seitens des Gesundheitsministers heißt es: Die Polizei darf die Daten von Corona-Kranken nur im Falles des Verdachtes einer strafgesetzwidrigen Handlung bekommen (insb §§ 177 und 178 StGB – Gefährdung durch eine übertragbare Krankheit), ansonsten besteht dafür keine Rechtsgrundlage.

Kommunikation als großes Problem

Selbst wenn Menschen ohne gültige Dokumente oder Versicherung von der Hotline 1450 wissen und diese anrufen, so antworten dort natürlich keine Dolmetscher*innen. Die Sprachbarriere ist hier für viele ein großes Problem. Und das gilt nicht nur für Covid-19-Verdachtsfälle sondern aktuell auch bei anderen gesundheitlichen Problemen: Weil sie sich an die empfohlenen Maßnahmen halten, kommen Unversicherte jetzt allein in die Marienambulanz, ohne Bekannte, die sonst übersetzen helfen.

Menschen ohne gültige Dokumente scheinen nirgends auf. Man weiß nicht genau wieviele es sind und sie werden daher leicht übersehen, warnt Katharina Bruhn. Auch wenn es wohl deutlich weniger als 100.000 sind: „Wenn man sie nicht beachtet, läuft man Gefahr, Ausbreitungsherde zu generieren.“

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