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CC0 / radio fm4

Juni-Festivals: Abgesagt und verschoben

Fünf österreichische Festival-Veranstalter berichten über ihre Arbeit und den Umgang mit dem Veranstaltungsverbot.

Von Susi Ondrušová

Nova Rock, Nickelsdorf - abgesagt

Nova Rock 2019 Impression

Patrick Wally

Veranstalter Ewald Tatar auf die Frage, was ein Festival ist: „Ein Happening! Ein Aus-dem-Alltag-Ausbrechen und für ein paar Tage ein eigenes Leben leben, egal wo das ist und das verbunden mit Musik, die einem gefällt, die Stimmung bereitet, die stimuliert und das ist natürlich das Besondere an einem Festival und das haben wir heuer jetzt einmal - zumindest was das Nova Rock betrifft - nicht, aber wir schauen alle in die Zukunft und hoffen alle, dass es 2021 umso besser werden wird und um so schöner!“

Das letzte Konzert, das Nova Rock-Veranstalter Ewald Tatar besucht hat, waren AnnenMayKantereit in der Wiener Stadthalle im Februar.

Das Nova Rock Festival hätte vom 10.-13. Juni auf den Pannonia Fields im Burgenland stattfinden sollen. Mit 220.000 Besucher*innen an vier Tagen gehört es zu einem der größten Festivals in Österreich. Als Headliner waren System Of A Down, Foo Fighters, Volbeat und Seiler&Speer gebucht.

Seit den Ausgangssperren ist das Team in Kurzarbeit, sagt Ewald Tatar. Er hätte sich die am Montag angekündigte Verlängerung der Ausgangssperre „schon früher gewünscht“. Im Moment arbeitet man step by step, und das bis in die Nacht hinein. „Wir sind nicht die Ersten, es hat schon einige Festivalabsagen gegeben, insofern ist es halt jetzt so, dass jeden Tag Festivals dazu kommen und jeder wartet. Natürlich bekomme ich Mails, die fragen, ‚Wie wird’s bei euch aussehen? Wie lange wird das bei euch andauern?‘. Ich kann darauf keine Antwort geben. Ich weiß jetzt einmal, dass es bis Ende Juni ist, who knows wie lange es wirklich sein wird.“

In den nächsten 5 bis 10 Tagen wird das Festival erste konkrete Infos an die Ticketkäufer*innen kommunizieren, auch wie die Ticket-Rückgabe und Gültigkeit für 2021 aussehen werden.

Bei den deutschen Nachbarn plant man zurzeit eine neue Regelung bezüglich Ticket-Refundierungen. Konsument*innen sollen statt Bargeld einen Gutschein vom Veranstalter bekommen und diesen bis Ende 2021 einlösen können. So versucht man, Veranstalterinsolvenzen entgegenzuwirken. Ewald Tatar hofft, dass sich die österreichische Regierung das „näher ansieht, weil sonst wird’s für uns Veranstalter eng werden in den nächsten Wochen und Monaten.“

Aktuell arbeitet das Nova Rock gerade an einem Festivaldatum für 2021 und dann wollen sie sich weitere Schritte überlegen, etwa ob man Teile vom Lineup einfach für das neue Datum im nächsten Jahr verpflichten kann. Ansonsten dominiert die große Ungewissheit, was die Zukunft bringen wird. Ewald Tatar dazu: „Jedes Land reagiert momentan unterschiedlich. Dänemark hat Veranstaltungssperren bereits bis Ende August, in Österreich sind wir bis Ende Juni, in Deutschland gibt es derweil noch gar nichts. Es ist in jedem Land momentan anders. Wir sehen die Entwicklungen in Amerika, wir sehen die Entwicklungen in England, wo natürlich sehr viel internationale Bands herkommen. Wir werden nicht nur jetzt mit der Thematik zu tun haben, dass wir im Herbst möglicherweise schon spielen könnten, wir werden möglicherweise mit der Thematik zu tun haben: Können die überhaupt herkommen? Dürfen die Bands einreisen? Dürfen die ausreisen?“ Das sind Themen, die sehr vielschichtig sind und diesbezüglich eine Prognose abzugeben ist wirklich verdammt schwer."

Eine Festivalabsage setzt nicht nur eine wirtschaftliche Kettenreaktion in Gang, sondern versetzt die Musiklandschaft in einen noch nie dagewesenen Stillstand: „Wir haben ein Jahr verloren. Und das Jahr haben alle zusammen verloren. Es ist einfach so. Und so wie es momentan ausschaut, mit den ganzen Entwicklungen oder mit den Fragen von Bands und den Shows, die aktuell im Verkauf sind, ist es so, dass sich sehr viel von 2020 ins Jahr 2021 bewegen wird. Das ganze System beginnt sich wahrscheinlich erst 2022 wieder zu drehen. Momentan ist alles zeitverschoben!“

Stoabeatz Festival in Walchsee in Tirol - abgesagt

Impressionen vom Stoabeatz Festival 2019

Lisa Stoettinger

„Ein Festival ist vor allem Freude und Freiheit. Beides ist momentan ja nur ein bisschen bedingt vorhanden. Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr wieder voll durchstarten können“, meint Stoabeatz Festival Booker Berni Geisler.

Das für Mitte Juni angesetzte Festival im Tiroler Walchsee wird nun vom 3.-5. Juni 2021 stattfinden. Mit 4.000 Festivalbesucher*innen an drei Tagen hat das Stoabeatz Festival eine überschaubare Größe und eine malerische See-Kulisse.

Das letzte Livekonzert, das Berni Geisler gesehen hat, war die Bundesmusikkappelle Walchsee, denn sie wären heuer am Festival für eine spezielle Einlage am Campingplatz gebucht gewesen. „Das war dann doch eine gscheite Watschn“, sagt Geisler über seine erste Reaktion nach der Bekanntgabe, dass bis Ende Juni vorerst keine Veranstaltungen mehr in Österreich stattfinden werden. In den Wochen davor war der Austausch unter Veranstalter-Kolleg*innen, wie zum Beispiel dem Netzwerk österreichischer Festival Freunde, „recht rege und doch irgendwie unaufgeregt und entspannt“.

Als „kleines und großteils ehrenamtlich organisiertes Festival“ sieht Geisler das Stoabeatz als ein „recht kleines Glied in dieser ganzen Kette“, es gab noch keine großen Ausgaben für das nun abgesagte Event und der Verein ist auch auf die Einnahmen nicht angewiesen. Er hofft, dass sich die Lage einigermaßen normalisieren wird und auch wenn es einige recht hart trifft, dass sich die Festivalveranstalter da durchkämpfen, und dass man nächstes Jahr wieder durchstarten kann!“

Schon gekaufte Tickets können die Festivalbesucher*innen retournieren. Was das Lineup für 2021 betrifft, wird man allen für heuer gebuchten Acts wie zum Beispiel Fiva, Leoniden oder Mavi Phoenix anbieten, ihren Auftritt 2021 zu absolvieren.

Spring Festival Graz – verschoben auf tbc

Kruder und Dorfmeister

Daniel Kindler

„Ein Zusammenkommen, Abschalten vom Alltag, sich Ausleben und jede Menge Spaß haben mit Freunden bei guter Musik!“, antwortet Thomas Mussbacher, Booker vom Springfestival in Graz auf die Frage was ein Festival ist.

Das Springfestival in Graz feiert heuer das 20. Jubiläum und hätte vom 10.-14. Juni wieder 12.000 Besucher*innen in die Stadt gelockt. Das letzte „gute“ Livekonzert das Thomas Mussbacher, der Chef-Booker vom Springfestival, besucht hat, war Indochine, für die er nach Paris gereist ist.

Das Wichtigste ist für ihn, dass alle im Team gesund sind. Aktuell versuchen sie, das Lineup von heuer (Juju, Elderbrook, Moonbootica u.a.) für 2021 zwar „umzubuchen“, aber sie planen auch ein Festivaljubiläums-Event im Herbst und hoffen, in den nächsten zwei Wochen mehr ankündigen zu können. "Planungssicherheit gibt es zurzeit natürlich keine, niemand weiß, wie die Reisefreiheit ausschauen wird und wann eine ‚Normalität‘ zurückkehren wird. Das Programm des Springfestival besteht zu 60% aus heimischen Acts und ist laut Thomas Mussbacher „immer ein großes Come-Together und sicher ein großer Motor und Motivator für alle, sich dem internationalen Publikum präsentieren zu können. Wir hoffen auf eine Ersatzlösung und sonst muss man durchhalten bis Juni 2021!“

Stream Festival Linz - verschoben auf tbc

Stream Festival

Florian Lichtenberger

“Ein Festival ist für mich ein Urlaub, bei dem Musik im Zentrum steht, wo man alles andere weglässt und sich komplett auf die Musik einlässt. Das ist etwas, was ich jetzt in meiner spärlichen Freizeit einfach auch zuhause versuche und die Musik ins Zentrum rücke. Halt für mich alleine“, Sagt Markus Reindl, Kurator vom Stream Festival.

2018 hat das Stream Festival erstmals stattgefunden. Das von der Stadt Linz geförderte Festival bietet bei freiem Eintritt nicht nur Open Air-Konzerte, sondern auch ein Diskurs/Workshop Programm und eine eigene Clubschiene. Das Festival hätte heuer vom 28.- 30. Mai stattfinden sollen. Auf der FM4 Bühne waren Leyya, Lou Asril, Kamaal Williams und Thees Uhlmann gebucht. Das letzte Konzert, das Festivalkurator Markus selbst besucht hat, waren heuer Giant Swan, die im März am Elevate Festival gespielt haben.

Die Zeit vor der Verlängerung der Veranstaltungssperre war auch für sein Team eine „Zeit der Ungewissheit“, insofern ist man erleichtert, „dass man jetzt einfach eine klare Ansage hat“. Jetzt kommt "ein bisschen die Depression, zuerst war der Stress und jetzt dieses ‚Boah wir haben eineinhalb Jahre reingearbeitet‘ und jetzt ist es mal auf Eis oder abgesagt.“

Das Stream Festival ist für alle zwei Jahre angesetzt, aktuell wartet man, ob die Stadt eine Verschiebung ins nächste Jahr genehmigen wird. „Momentan ist es verständlicherweise nicht so leicht, da konkrete Ansagen zu kriegen, weil die Politiker haben zum einen andere Sorgen zum anderen wissen sie noch nicht genau, wie das Kulturbudget 2021 generell ausschauen wird in den nächsten Monaten und Jahren.“ Für das Stream Festival heißt es also: warten.

Markus Reindl erfährt von den Agenturen und Managements viel Verständnis für die Lage, aber spürt auch eine gewisse Ungeduld: „Da geht’s ja auch bei den Agenturen um Existenzen und die wollten halt einfach schon Ersatztermine fixieren, das erklärt auch die Ungeduld!“

Beim Blick in die „Post-Corona-Glaskugel" meint Markus Reindl, dass die „Festivallandschaft schon vorher in einem Umbruch war“, Stichwort Klimaschutz und Green Festivals. „Jetzt wird noch weniger gereist, noch weniger geflogen, das heißt, es wird irgendwie in so eine Gesamtentwicklung aufgehen, dass dann auch automatisch lokale Acts präsenter sein werden auf Festivals oder sein müssen, weil es komplizierter und teurer wird, internationale Acts zu bringen oder auch unmöglich.“ Auf die neue Mobilität von Bands und Publikum wird man sich „dann einstellen müssen“.

Dass österreichische Acts bei heimischen Festivals gefragter sein werden, sieht Reindl als positiv, solange kein „kultureller Nationalismus“ entsteht. „Ich glaube, gerade als Kurator hat man die Aufgabe, da eine Vielfalt zu wahren. Man muss sich aber auch die Frage stellen, was passiert dann mit Nischen? Wenn man sich jetzt als Kurator auf Nischen spezialisiert, die dann halt auch nur im „longtail“ global funktionieren, dann wird’s schwieriger und so wird sich dann wieder etwas verändern.“

Heart of Noise in Innsbruck - verschoben auf 01.10.- 03.10.2020

Heart of Noise 2019 Impressionen

Heart of Noise

“Im Fall von Heart Of Noise würde ich sagen: „sonic ecstasy from hauntology to hedonism“, meint Festivalveranstalter Chris Koubek auf die Frage was ein Festival ist.

Chris Koubek ist Festivalorganisator und Gründer vom PMK in Innsbruck. Die für Anfang Juni angesetzte Festivalausgabe wäre die 10. Gewesen. Letztes Jahr haben 3.500 Besucher*innen das Festival an ihren Austragungsstätten (vor oder im Haus der Musik z.B.) besucht. Das letzte Konzert, das Chris Koubek besucht hat, waren die österreichischen Bands Schtum und Tumido in der PMK.

Nur einen Tag vor der finalen Programmpräsentation zur 10. Jubiläumsausgabe sind die ersten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in Innsbruck verlautbart worden. „Jeder war ein bisschen paralysiert. Man war mit so einer Situation noch nie so konfrontiert. Bisschen geschockt auch, was da kommt“, beschreibt Koubek die Arbeit an einer Festivalausgabe mit ungewissem Ausgang.

Letztendlich war für ihn und seinen Kollegen Stefan Meister die von der Bundesregierung am Montag verlautbarte Veranstaltungssperre bis Ende Juni „keine große Überraschung“ mehr. Das Heart Of Noise hat in den letzten Wochen schon parallel an den Optionen zur Verschiebung des Festivals gearbeitet. Derzeit warten sie noch auf eine Zusage „eines größeren Geldgebers“ und möchten schon bald einen Ersatztermin für Herbst ankündigen. Schon gekaufte Tickets bleiben gültig oder können retourniert werden, wobei er die Ticketsituation mit nur „einer early bird Ticket Phase vor Weihnachten“ als überschaubar bezeichnet.

Das noch nicht verlautbarte Lineup zur 10. Jubiläumsausgabe versuchen sie jetzt nach Möglichkeit auf einen neuen möglichen Herbst-Termin zu legen. Hier kommt ein großer Unsicherheitsfaktor ins Spiel: „Jedes Land hat eine eigene Entwicklung, eigene Maßnahmen. Unsere Künstler*innen kommen aus Japan, den USA, England, aus Indonesien wäre auch was geplant gewesen und da ist es noch ganz schwer zu sagen, wer im Oktober in Österreich einreisen kann! Wer kann sein Land verlassen? Wer plant überhaupt eine Tour? Da gibt es noch sehr viele Unbekannte!“

Neben möglichen Reisebeschränkungen ist auch die Ungewissheit, wann und in welchen Größenordnungen Veranstaltungen zugelassen werden und wie die Veranstalter diese Krise finanziell überstehen werden. Ob in Zukunft Förderungen für diverse Kulturzentren aufrecht bleiben und wie die Suche nach Sponsorengeldern in der Post-Corona-Zeit aussehen wird. „Da sind schon sehr viele Fragezeichen!“, meint Koubek vom Heart Of Noise Festival. „Ich glaube, sehr, sehr viele Musiker*innen und Bands, die auch in der Vergangenheit eher am Existenzminimum oder von der vielzitierten Hand in den Mund gelebt haben trifft es natürlich sehr hart. Wenn man davon abhängig ist, Konzerte zu spielen, Lesungen zu machen, DJ-Gigs zu haben und das dann für 4 Monate nicht möglich ist, dann hängt man in der Luft und die Frage ist, wie man die Zeit übertaucht.“ Angesprochen auf ein „Danach“, wagt Koubek die Prognose, dass nach der Krise vielleicht „umso mehr passieren wird und dann umso mehr Energie in der Szene sein wird, und dass dann schon wieder einigermaßen kompensiert werden kann!“

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