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Akku Bohrer

CC0 via Pixabay

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Der Bohrer und die Schaukel

Nach drei Wochen Quarantäne sind mir die Ausreden ausgegangen, kleine Reparaturen und Verbesserunen in der Wohnung anzugehen. Es war sinnlos, zu behaupten, dass alles in der Wohnung schön ist, so wie sie ist. Es gab kein Entkommen mehr.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Meine liebe M. meinte, dass schön langsam die Zeit gekommen sei, eine Schaukel für unsere einjährige Tochter zu montieren. Diese Schaukel wurde uns von Freunden bereits vor ihrer Geburt geschenkt und liegt seitdem in einer Ecke. M. meinte, dass die Tochter bereits groß genug sei, und sie brauche Abwechslung in der Quarantäne. Laut M. schaue das Baby unglücklich drein und nur diese Schaukel könne ihr ihr Lächeln zurückbringen. Ich hasse Reparaturen, und wenn man was basteln oder streichen muss, lade ich immer einen Freund zu mir ein. Während er reinkommt erzähle ich ihm, dass ich gerade bei einer Reparatur bin und man sie in nur fünf Minuten erledigen könne. Wenn er sieht, wie schlecht ich dabei bin, ist er immer hilfsbereit und erledigt es statt mir. Das kostet mich meistens nur eine Mahlzeit oder ein Getränk. In der Quarantäne kann ich aber niemanden einladen. Ich musste allein zurechtkommen. Aber meine Tochter muss wieder lächeln.

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Im nahen Diskonter wurde als Aktion eine Bohrmaschine angeboten. Ich nahm es als gutes Omen und ich rief mein Vater an, um ihm von meinem Vorhaben zu erzählen. Er meinte ernüchternd, dass für diesen Preis die Bohrmaschine wahrscheinlich nur durch Käse bohren könne. Ich vernachlässigte seine Ironie und kaufte sie. Zu Hause stellte ich fest, dass im Preis kein Akku, Ladegerät und Bohrer enthalten waren. Ich zog meine Maske an und ging wieder zum Diskonter. Ich kaufte einen Akku, der so viel wie die Maschine selbst kostete. Ladegeräte gab es nicht mehr. Ich hoffte, dass die Ladung reichte, um meine zwei Löcher zu bohren. Ich kaufte Bohrer online und wartete noch geduldig zwei Wochen auf sie. Außerdem bestellte ich Haken, die laut Werbung 450 Kilo aushalten können.

Warum brauchte ich solche Haken, wenn meine Tochter nur acht Kilo wiegt? Laut Anweisung braucht man genau solche Haken und mein Kind kann jetzt ruhig so dick wie ein Nilpferd werden. Die Haken kosteten auch mehr als die Bohrmaschine. Die speziellen Haken sind außerdem gut, wenn durch die Apokalypse die Sintflut beginnt und ich ein Boot brauche. Bis das Wasser bis zum dritten Stock kommt kann ich mein Boot an den Haken aufhängen. Die Haken kamen und sahen sehr solide aus. Ich bekam Angst, dass ich so ein dickes Loch bohren müsse und bald mit meiner Bohrmaschine in der Wohnung der Nachbarn sein würde. Ich bestellte mir weitere Bohrer, da ich keine so dicken hatte.

Nun war die Zeit gekommen. Nach langem Überlegen entschied ich, wo ich bohren sollte. Die Bohrmaschine ging in die Decke rein, nicht wie in Käse, sondern wie in Butter. Die Decke war aus Gipskarton und man konnte dort gar keine Schaukel aufhängen. Ich hatte nun ein Loch, das für nichts zu gebrauchen war, sowie eine Bohrmaschine, Bohrer und Haken. Zum Glück hatte ich kein Ladegerät gekauft. Ich klebte einen Aufkleber mit einem lächelnden Männchen auf das Loch. Meine Tochter lächelte ihm entgegen. Mein Ziel wurde erreicht. Ich bin ein schlechter Handwerker, aber ein glücklicher Vater.

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